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Flüchtlingsunterkunft bereitet Grünwalder Anwohnern Sorge: „Da wird Halligalli sein“

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Die Wortbeiträge waren auf der Bürgerversammlung im Gymnasium emotional kaum brisant. Doch das änderte sich zum Schluss schlagartig.
Die Wortbeiträge waren auf der Bürgerversammlung im Gymnasium emotional kaum brisant. Doch das änderte sich zum Schluss schlagartig. © Brouczek

Die geplante Container-Unterkunft für Flüchtlinge sorgte in der Grünwalder Bürgerversammlung jetzt für Zündstoff.

Grünwald – Relativ friedlich glitt die Grünwalder Bürgerversammlung mit rund 100 Gästen dahin. Bürgermeister Jan Neusiedl wollte schon Schluss machen mit der Frage: „Gut, gibt’s noch was?“ Allerdings. Es gab da noch was. Nämlich die Frage, ob nicht etwas gesagt werden sollte zum Platz in Nähe der Oberen Eierwiese, auf dem in naher Zukunft 116 Flüchtlinge in Containern eine vorläufige Unterkunft finden sollen. Die damit beauftragte Firma stehe kurz vor dem Konkurs, weshalb der Aufbau noch nicht stattfinden kann, irgendwann aber stattfinden wird. Darauf folgte eine Diskussion, die das hochexplosive gesellschaftliche Potenzial der Thematik offenbarte.

Beschlagnahmung von Turnhallen unbedingt verhindern

Die Verteilung von Migranten läuft von oben nach unten. Unten sind laut Bürgermeister die Gemeinden in der Pflicht, und in Grünwald will man die Beschlagnahmung von Turnhallen unbedingt verhindern. Sei man dazu nicht mehr in der Lage, schaffe man eine extrem hohe Betroffenheit in der Bevölkerung, was sich im Schulsport aber auch beim TSV mit seinen 5000 Mitgliedern niederschlagen würde. Um dieses Szenario zu verhindern, bot die Gemeinde Grünwald vor einem Jahr präventiv dem Landkreis München das Grundstück unweit der Polizei an, auf dem die Container errichtet werden können. Die Sicherheitslage sei aus diesem Grund besonders gut, der Platz asphaltiert. Die Wortführerin am Mikrofon hätte sich eine alternative Vorgehensweise gewünscht. Sie führte einen bayerischen Bürgermeister an, der Zuweisungen ablehnt: „Ich finde, es muss auch mal ,Nein‘ gesagt werden.“ Wenn in Berlin irre Politik veranstaltet werde, müsse eine stolze Gemeinde auch mal „nein“ sagen.

Der Rathauschef traut sich ein Nein sehr wohl zu. Nutzt aber nichts, die Beschlagnahmung von Turnhallen käme trotzdem. Und gut: „Es sind eine Reihe Landräte und Bürgermeister mit der Bahn nach Berlin gefahren. Und was dann? Sind sie wieder zurückgefahren.“ Für diese Pointe bekam er zustimmenden Applaus.

Bürgermeister Jan Neusiedl hat Verständnis für die Bedenken der Anwohner.
Bürgermeister Jan Neusiedl hat Verständnis für die Bedenken der Anwohner. © Brouczek

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Skeptisch, wenn 116 Menschen auf engstem Raum leben

Neusiedl versteht die Anlieger des künftigen Containerdorfes. Schon im vergangenen Jahr habe er viele empörte Anrufe bekommen und hat auch dafür Verständnis. Unter den Gästen waren jetzt auch wieder viele, die Bedenken äußerten: Wie man noch mit dem Hund guten Gefühls spazieren gehen oder Ältere im Fitnessparcours trainieren können. Lena Streber wohnt direkt neben der geplanten Unterkunft, ihre Kinder spielen dort auf der Straße, und sie spricht die Sorgen der Anwohner aus. Sie ist für die Aufnahme von Flüchtlingen, aber die Art und Weise müsse diskutiert werden. Dass hier 116 Leute auf engsten Raum unterkommen hält sie für falsch und würde gerne kleinere Einheiten gleichmäßig auf die Gemeinde verteilen. Sie verspricht sich davon eine bessere Integration. Das Problem an der Sache formulierte Geschäftsleiter Tobias Dietz: „Wenn wir mehrere Grundstücke anbieten, würde das Landratsamt diese auch voll belegen. Dann sagt das Landratsamt: Ok, dann schicken wir euch 500 Personen.“ Die Gemeinde habe als letztes Glied in der Reihe keinen Gestaltungsspielraum.

Gute Erfahrungen aus der Zeit mit Traglufthalle

Die Ängste wollte Gemeinderätin Ingrid Reinhart (Grüne) in ihrer Funktion als Vorsitzende des Helferkreises nehmen. Die Gemeinde habe vor Jahren 300 junge Männer aus Syrien und Afghanistan in einer Traglufthalle in Wörnbrunn aufgenommen. In der Zeit habe es keinen einzigen Vorfall gegeben, auch nachts nicht. In Grünwald gebe es auch aktuell viele Flüchtlinge, aber das merkten die Grünwalder nicht, weil sie unauffällig seien: „Sie arbeiten, wenn sie dürfen, und nehmen auch an unserem Gemeindeleben teil.“

Anwohnerin sagt, sie habe „schreckliche Angst“

Ihre Worte änderten nichts daran, dass eine weitere Anwohnerin ihre „schreckliche Angst“ bekundete, wenn sie an die Container denkt. Sie geht täglich mit ihrem Hund im Wald spazieren, was auf dem Prüfstand stehe. Auch um die Sicherheit ihrer Tochter sorgt sie sich. Erst durch den Münchner Merkur habe sie erfahren, in welchem Ausmaß an der Tölzer Straße Container errichtet werden sollen. Viele Bewohner werden, so ihre Mutmaßung, das Leben aufgrund der Enge nach draußen verlagern, in den Bewegungshain gehen, auf den Trimm-Dich-Pfad. „Im Sommer wird da Halligalli sein.“ Wie 2025/16 werde sich der Aufenthalt auch in den Ort verlagern. Sie habe von genug Leuten gehört, die belästigt und angepöbelt worden seien. Auch wenn es nicht zur Anzeige gekommen sei. „Wie stellen Sie sich vor, dass das gut gehen soll?“

Bürgermeister: Gemeinderat wird Flüchtlingsproblem nicht lösen können

Das weiß Bürgermeister Neusiedl auch nicht, aber der Gemeinderat Grünwald werde das Flüchtlingsproblem nicht lösen können. Immerhin bot Polizeidienststellenleiter Andreas Forster an, mit der Hundehalterin gemeinsam Gassi zu gehen und damit vielleicht Ängste abzubauen. An der Flüchtlingsunterkunft werden Streifen regelmäßig vorbeifahren und nach dem Rechten sehen: Forster: „Wir haben ja selbst Interesse daran, dass es in der Gemeinde ruhig bleibt.“

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