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„Die wissen um ihre kleine Rente“: Frau bleibt nach Türkei-Reise auf Krankenhauskosten sitzen

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Auf der Versichertenkarte ist auch eine Europäische Krankenversichertenkarte (EHIC) integriert. Das hilft bei einer Behandlung in der Türkei aber nicht wirklich weiter, wie jetzt eine Lenggrieserin erfahren musste. Barmer erstattet fürs Krankenhaus genau 17,75 Euro Versicherung fürs Ausland gilt nur 56 Tage
Auf der Versichertenkarte ist auch eine Europäische Krankenversichertenkarte (EHIC) integriert. Das hilft bei einer Behandlung in der Türkei aber nicht wirklich weiter, wie jetzt eine Lenggrieserin erfahren musste. Barmer erstattet fürs Krankenhaus genau 17,75 Euro Versicherung fürs Ausland gilt nur 56 Tage © dpa

Auf Krankenhauskosten von fast 4000 Euro bleibt eine Lenggrieserin (87) sitzen. Sie musste sich im Urlaub in der Türkei medizinisch behandeln lassen.

Lenggries – Wer eine Reise unternimmt, freut sich auf unbeschwerte Tage. Treten dann aber im Ausland gesundheitliche Probleme auf, wirft das nicht nur einen Schatten auf das Ferienglück, sondern kann auch gravierende finanzielle Belastungen bedeuten. Das musste jetzt Maria Leinburger aus Lenggries erleben. Nach einer Krankenhausbehandlung in der Türkei bleibt die 87-Jährige auf Kosten von fast 4000 Euro sitzen – ein Betrag, der für die Rentnerin unerschwinglich ist.

Lenggrieserin (87) bleibt nach Türkei-Urlaub auf Kosten sitzen: „Sie sollte sich verwöhnen lassen“

Um der Seniorin etwas Gutes zu tun, hatte ihr die Familie Anfang des Jahres einen längeren Aufenthalt in der Türkei ermöglicht. „Die Hotels waren um diese Jahreszeit sehr preiswert – all-inclusive mit Vollpension“, berichtet ihr Sohn Dieter Kossack. Auch die Benutzung von Pools und Saunen sei inbegriffen gewesen. „Meine Mutter schwimmt sehr gern, sie sollte abschalten und sich verwöhnen lassen“, sagt der Sohn. Es war geplant, dass die Seniorin von Anfang Januar bis Mitte März im Süden „überwintert“ – für 72 Tage.

Gegen Ende des Aufenthalts aber erlitt Maria Leinburger einen Zusammenbruch. Dass sie Herzprobleme hatte, hatten Ärzte in Bad Tölz und Lenggries zuvor bei Untersuchungen nicht festgestellt, sagt der Sohn. Hotelmitarbeiter riefen einen Krankenwagen. Der brachte die 87-Jährige ins nächstgelegene Krankenhaus in Side, wo sie für drei Tage behandelt wurde.

Die Rechnung in Höhe von 3982,82 Euro hatte die Seniorin zunächst einmal selbst zu begleichen. Da hatte sie aber noch die Hoffnung, den Betrag von der Krankenkasse erstattet zu bekommen und reichte die Rechnung bei der Barmer ein.

Deren Antwort war jedoch ernüchternd. An Krankenhauskosten übernahm die Barmer exakt 17,75 Euro, dazu 59 Euro für Medikamente, macht 76,75 Euro. Sohn Dieter Kossack ist entsetzt: „Die wissen doch um die kleine Rente meiner Mutter.“.

Krankenversicherung zahlt nur 17,75 Euro: „Können verstehen, dass die Familie überrascht war“

„Wir können sehr gut nachvollziehen, dass die Familie von der geringen Erstattung ihrer Krankenhausrechnung aus der Türkei überrascht war“, sagt dazu auf Anfrage Barmer-Sprecherin Stefani Meyer-Maricevic. „Die Situation von Frau Leinburger zeigt deutlich, wie wichtig es ist, sich vor einer Auslandsreise auch dem Thema Auslands-Krankenversicherungsschutz zu widmen.“

Etwas unproblematischer ist die Sache innerhalb der EU. Hier sowie in einigen weiteren Ländern, wie der Schweiz oder im Vereinigten Königreich, kann man laut Meyer-Maricevic die heimische Versichertenkarte vorlegen. In der ist die Europäische Krankenversichertenkarte (European Health-Insurance-Card, kurz: EHIC) integriert. „Diese bietet einen Basisschutz für medizinische Leistungen“, so Meyer-Maricevic.

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Darüber hinaus gibt es bilaterale Sozialversicherungsabkommen mit der Türkei, Tunesien, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien und Bosnien-Herzegowina. Dort bekommen deutsche Patienten von Ärzten oder Krankenhäusern eine Privatrechnung, die sie dann bei der heimischen Kasse einreichen können. Die Erstattung erfolgt dann je nach Land und Fall nach dortigen oder nach deutschen Vertragssätzen.

Mehrere Faktoren zu Ungunsten der 87-Jährigen aus Lenggries

Im Abkommen Deutschlands mit der Türkei ist laut der Barmer-Sprecherin geregelt, „dass Rechnungen aufgrund von sofort notwendigen Behandlungen über 1000 Euro nach türkischen Erstattungssätzen vergütet werden“. Diese Regelung griff nun auch im Fall von Maria Leinburger. Die Barmer ließ sich von der türkischen Krankenkasse mitteilen, was im Land selbst von der Rechnung erstattungsfähig wäre. Die Antwort: 509,78 Türkische Lira – umgerechnet 17,73 Euro.

Dabei wirkten sich laut Meyer-Mariceviv mehrere Faktoren zu Ungunsten der Lenggrieserin aus. Zum einen wurde die 87-Jährige in einem privaten Krankenhaus behandelt, „das keinen umfassenden Vertrag mit der türkischen Versicherung hat“, so die Pressesprecherin. Zudem wurde Maria Leinburger nach türkischen Versicherungsregeln nicht als Notfall eingestuft, weil sie laut Entlassungsbericht der Klinik schon mehrere Tage zuvor über Beschwerden geklagt habe.

Versicherung fürs Ausland gilt nur 56 Tage

Meyer-Maricevic weist darauf hin, dass es bei medizinischen Behandlungen im Ausland überall landesübliche Eigenanteile oder Zuzahlungen gebe. „Diese sind von den Patienten selbst zu übernehmen.“ Das gelte auch für die Kosten eines erforderlichen Rücktransports nach Deutschland. Daher rät sie generell bei jeder Auslandsreise dringend zum Abschluss einer Auslandskrankenversicherung, die für recht kleines Geld zu haben sei.

Das habe die Familie vorab nicht ausreichend durchdacht, räumt Dieter Kossack ein. Dabei hatte Maria Leinburger sogar eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen. Bloß: Die hat standardmäßig nur eine Gültigkeitsdauer von 56 Tagen. Die waren zum Zeitpunkt von Maria Leinburgers Behandlung schon verstrichen. „Bei längeren Reisen empfiehlt sich ein Langzeitschutz“, rät Mayer-Maricevic.

Maria Leinburger kam am Ende der dreitägige Krankenhausaufenthalt in Side deutlich teurer als die gesamte Türkeireise von über zwei Monaten. Begleichen konnte sie die Rechnung nur mit Hilfe von Familie und Freunden.

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