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Oberbayer (21) muss ins Gefängnis: Freunde feiern ihn dafür – „Das ist erschreckend“

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Von: Josef Ametsbichler

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Seine Freunde machen noch schnell Videos fürs Internet, als Ainsley S. vorm Amtsgericht Ebersberg an den Füßen gefesselt in den Polizei-Bus zurück nach Stadelheim steigt, wo er wegen des Verdachts auf versuchten Totschlag in U-Haft sitzt.
Seine Freunde machen noch schnell Videos fürs Internet, als Ainsley S. vorm Amtsgericht Ebersberg an den Füßen gefesselt in den Polizei-Bus zurück nach Stadelheim steigt, wo er wegen des Verdachts auf versuchten Totschlag in U-Haft sitzt. © Ja

Ein 21-jähriger Mann aus Markt Schwaben ist am Amtsgericht Ebersberg zu Jugend-Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Auf sein Konto gehen zig Straftaten.

Ebersberg/Markt Schwaben – Als erstes prüft Richter Frank Gellhaus die Fußketten, die der schlaksige junge Mann mit dem blonden Kurzhaar-Schnitt trägt. Ainsley S, 21, aus Markt Schwaben, gilt als zu unberechenbar für freie Füße unter der Anklagebank. Verhandlungspausen, auch nur für fünf Minuten, verbringt er in der Arrestzelle des Amtsgerichts. Zwei bewaffnete Beamte begleiten ihn sogar aufs Klo.

Lunchpaket aus Stadelheim kommt nicht gut an

Es will so gar nicht zum Wesen passen, das der ehemalige Kellner an den Tag legt. Vier Gleichaltrige haben ihn in der Verhandlung am Dienstag besucht. Sie schießen Selfies auf dem Gerichtsflur miteinander, reißen Witze, lachen viel. „Die haben mir so’n Brot mitgegeben, aber das esse ich lieber nicht“, kommentiert S. sein Lunchpaket aus Stadelheim.

In dem Münchner Gefängnis sitzt der junge Markt Schwabener seit Anfang November 2022 wegen versuchten Totschlags in U-Haft. Er soll nach einem Streit in einer Olchinger Disco (Kreis Fürstenfeldbruck) maßgeblich beteiligt gewesen sein, als ein 27-Jähriger niedergestochen und lebensgefährlich verletzt wurde.

Der junge Straftäter gilt als unbelehrbar

In Ebersberg saß der mehrfach Vorbestrafte wegen anderer Taten auf der Anklagebank vorm Schöffengericht, 13 Stück. Diese hatten sich von 2020 bis 2022 angehäuft – zwischen seiner jüngsten Verurteilung zu einem Jugendarrest 2020 und der noch nicht verhandelten Messerstecherei als jüngstem, traurigen Höhepunkt. Die Liste würde diesen Text sprengen – es sind Dutzende Male Schwarzfahren im ÖPNV darin zusammengefasst. Teils wurde der 21-Jährige mehrfach binnen weniger Tage erwischt. Unbelehrbar.

Er hat betrunken einen Studenten in der S-Bahn geschlagen, getreten und sein Opfer gefilmt. Er hat bei der Münchner Rollerskate-Veranstaltung „Blade Night“ aus Ärger über die damit verbundene Straßensperrung einen Ordner so zu Boden geschubst, dass der Mann eine Gehirnerschütterung erlitt. Er trat gegen Polizisten aus, beleidigte andere, filmte sich dabei und lud das Video ins Netz. Nachtreten, beleidigen, fertigmachen, immer wieder. Und meist mit Alkohol im Blut, der den augenscheinlichen Milchbubi, der im weißen Hemd, dunkler Hose und Anzugschuhen auf der Anklagebank saß, zum rasenden Gewalttäter werden ließ.

Richter: So etwas habe ich noch nicht erlebt

„Das ist nicht beeindruckend, das ist erschreckend“, kommentierte Richter Frank Gellhaus diese Bilanz. „So etwas habe ich in 20 Jahren als Richter und Staatsanwalt noch nicht erlebt.“ Ainsley S. entschuldigt sich bei zweien seiner drei Opfer, die an diesem Tag gegen ihn aussagen. Das ändert nichts daran, dass er für längere Zeit eingesperrt wird, das sieht auch sein Pflichtverteidiger ein. „Es ist akademisch, was wir heute verhandeln“, sagt er. Das Urteil werde eh in einer Gesamtstrafe mit der Disco-Sache Olching aufgehen.

Massive Alkoholprobleme

Der Jugendgerichtshelfer, der normalerweise für eine letzte und allerletzte Chance seiner Schützlinge kämpft, rät wegen klarer Entwicklungsdefizite zu einem Urteil nach Jugendstrafrecht, betont aber auch, dass von Ainsley S, wenn er sein Alkoholproblem nicht in den Griff bekomme, weitere schwere Straftaten zu erwarten seien.

Richter Gellhaus und die zwei Schöffen urteilten auf ein Jahr und sieben Monate Gefängnis ohne Bewährung. Als der 21-Jährige in den Polizeibus steigt, der ihn zurück nach Stadelheim bringt, umringen ihn seine Freunde und filmen den Abtransport. Einer ruft ihm nach: „Wir lieben dich!“

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