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„Die Schnauze gestrichen voll“, „Könnte weinen“: Wirte nach Steuer-Entscheidung komplett verzweifelt

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Die Wirte im Landkreis sind stinksauer: Dass sie schon in sechs Wochen wieder zum Vor-Corona-Mehrwertsteuerwert zurückkehren sollen – für sie eine Katastrophe.

Landkreis – Katerstimmung im Gasthof Moosmühle in Huglfing. Chefin Martina Schmid kann es kaum glauben, dass die Regierung bereits zum 1. Januar die Mehrwertsteuer im Gastro-Bereich wieder von coronabedingt gesenkten sieben Prozent auf die ursprünglichen 19 Prozent anhebt. Die System-Gastro und die Essens-Fabriken, die seien von der Anhebung nicht betroffen. „Aber die kleine Vielfalt, die wird total kaputtgemacht!“

Regierung will Mehrwertsteuer im Gastro-Bereich erhöhen: Wirte reagieren empört

Noch deutlicher wird ihr Mann Ingo Schmid. Der Moosmühlen-Wirt steht selbst als Koch in der Küche. Handwerksarbeit wie die seine würde nicht mehr wertgeschätzt, sagt er. Kein Wunder also, dass sich junge Leute kaum noch für einen Ausbildungsberuf wie den des Kochs entscheiden – wenn Betriebe wie der seine mit solchen Entscheidungen platt gemacht würden. „Die Leute, die hier Entscheidungen treffen, wissen gar nicht, wie man handwerklich arbeitet.“

Am meisten ärgert Schmid, dass die Politik bei Dienstleistungen, die mit Essen zu tun haben, Unterschiede machen: Auch in der Metzgerei würden Speisen zubereitet. Die Metzgereifachverkäuferin schneidet den Braten oder Leberkäse herunter, reicht ihn über die Ladentheke, kassiert.

Uns werden in ein paar Monaten sicher einige Gäste abgehen.

Martina Schmid

Bei ihm im Gasthaus bringt die Bedienung das Essen an den Tisch, kassiert dann ebenso ab. Wo, fragt sich also Ingo Schmid, liegt hier der Unterschied in der Dienstleistung für den Kunden, bzw. Gast? „Warum wird mit zweierlei Maß gemessen? Das ist nicht gerecht!“ „Uns werden in ein paar Monaten sicher einige Gäste abgehen“, fürchtet seine Frau Martina.

Mit Erhöhung der Mehrwertsteuer müssen auch Wirte Preise erhöhen – „Ich könnte weinen“

Pascal Schmid-Fischer ist der Junior-Wirt des „Bayerischen Rigi“ auf dem Hohen Peißenberg. Die teureren Preise, die Schmid-Fischer ab Januar verlangen muss, werden sich viele nicht mehr leisten können. Vor allem wegen der Rentner, die sich Essen gehen ohnehin vom Mund absparten, täte es ihm leid. „Ich könnte weinen“, erklärt uns der „Rigi“-Wirt.

Die normale Inflation, die Erhöhung der Pkw-Maut und damit einhergehende Preissteigerungen: Dies alles dürfte im Januar ohnehin preismäßig voll durchschlagen. Sprich: Die Waren werden einmal mehr teurer im Einkauf für den Wirt. „Unsere Gastronomie wird’s sehr schleudern“, blickt er in eine düstere Zukunft für sich und seine Kollegen.

Schnitzel
Ein Schnitzel Wiener Art mit Pommes dürfte im nächsten Jahr ein bis drei Euro mehr kosten. © Christian Bruna/DPA

„Alles redet immer von Europa“, sagt er. Mit Blick in die EU ließe sich dann jedoch feststellen: Deutschland liegt mit zwei weiteren Mitgliedsstaaten ganz oben in der Mehrwertsteuer-Tabelle im Gastrobereich. „Alle anderen Länder haben hier einen reduzierten Mehrwertsteuersatz. Ich habe das Gefühl, wir fahren gerade komplett alles an die Wand. Ich rechne damit, dass jeder Zehnte nicht mehr zu uns zum Essen kommt, weil er es sich nicht mehr leisten kann.“

Nach Mehrwertsteuer-Erhöhung pro Gericht ein Euro Aufschlag: „Mir bleibt nichts anderes übrig“

Wie konkret könnte die Preiserhöhung beim „Bayerischen Rigi“ denn aussehen? Aktuell bewegt sich der Wirt mit 14,50 Euro für ein Schnitzel Wiener Art mit Pommes eher im unteren Preissegment für oberbayerische Breitengrade. Die reguläre Inflation eingerechnet, muss Schmid-Fischer im neuen Jahr zwei Euro mehr für die Portion verlangen.

Auch Diana Seidel vom Gasthof Allgäuer Hof in Weilheim muss in der kommenden Woche schweren Herzens den Druck einer neuen Speisekarte in Auftrag geben. Jedes Gericht muss sie mit mindestens einem Euro Aufschlag versehen. „Mir bleibt nichts anderes übrig, ich kann ja nicht die Gäste zum Essen einladen.“

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Angst in der Gastronomie steigt: Entscheidung der Regierung sei existenzbedrohend

Die Entscheidung der aktuellen Regierung bezeichnet sie als existenzbedrohend. „Es wird im kommenden Jahr einige Betriebe zerschlagen“, stimmt sie mit dem „Rigi-Wirt“ überein. Gerade die Gasthäuser, bei denen das Preisniveau ohnehin schon höher liege, könnten ins Straucheln kommen. „Wenn die Leute irgendwann 30 Euro für ein Schnitzel zahlen müssen, dann machen die das nicht mehr mit.“ Und was, wenn auch bei ihr die Gäste wegbleiben? „Wenn keiner mehr kommt, dann muss ich aufhören.“

„Die Schnauze gestrichen voll“ hat Monika Pummer, Wirtin das Gasthauses Dragoner in Peiting. Finanzielle Polster sind von Corona aufgefressen, Investitionen längst nicht mehr möglich. Wenn jetzt wegen einer Preissteigerung auch noch die Gäste ausbleiben: Wie soll sie da ihr Personal halten?

Niedriger Mehrwertsteuersatz sollte Wirte entlasten – nun bangen sie um ihre Existenz

Dass die meisten Wirte wohl den erniedrigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent nicht an Kunden weitergegeben haben, begründet Pummer mit Investitionen ins To-Go-Geschäft, das fürs Überleben unabdingbar gewesen sei, und damit, dass die Senkung auch als Unterstützung für die Gastronomie gedacht gewesen sei. „Ich hab’ keinen Bock mehr, mal schauen, wie lange wir noch weitermachen.“

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