„Wir umarmen die Natur, bis sie erstickt“: Jagd-Vorsitz kritisiert Umgang mit erneuerbaren Energien

Bei der Hegeschau forderte der Vorsitzende der Kreisjägerschaft Starnberg einen Paradigmenwechsel – bei der Jagd, aber auch beim Einsatz von erneuerbaren Energien.
Starnberg/Rieden – Hartwig Görtler ist dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Der Vorsitzende der Kreisjägerschaft nutzte die Pflichthegeschau im Festsaal des Golfclubs auf Gut Rieden (Landkreis Starnberg), um Missstände und Fehlentwicklungen beim Natur- und Tierschutz anzuprangern. Für ihn steht außer Frage: Um die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden, bedürfe es einer ökologischen Transformation im Energiesektor, „um Abhängigkeiten langfristig zu reduzieren und unseren Wohlstand zu erhalten“.
Negative Folgen für Fauna und Flora: Ökologische Transformation gefordert
Die Umsetzung, zum Beispiel der Bau von Fotovoltaik- und Windkraftanlagen, sei nicht ökologisch, sondern rein technisch fundamentiert. Der Versuch, EU-Richtlinien zu FFH-Gebieten, zum Vogelschutz oder zu Moorwiesen zu umgehen, gefährde bedrohte Arten wie den Seeadler, Schreiadler oder Schwarzmilan. Verniedlichend werde der Tod dieser geschützten Vögel als „negative Auswirkung auf windradsensible Tierarten“ bezeichnet, ereiferte sich Görtler.
Zunehmend negative Folgen für Fauna und Flora sieht der Vorsitzende der Jägerschaft im wachsenden Naturtourismus, „einem grenzenlosen Vergnügen“, wie er es bezeichnete. „Wir umarmen die Natur, bis sie erstickt“, sagte Görtler und meinte damit Wanderer, Radler, Reiter, Mountainbiker, SUPler, Pilzsucher, Querfeldeinläufer, Gassigeher, aber auch Drohnenpiloten und Kitzretter. Den beiden Letzteren warf er gar Wilderei vor, wenn sie zum Beispiel als privater Verein unter Verletzung fremden Jagdrechts versuchten, vermeintlich bedrohte Kitze aufzuspüren.
Jäger und Landwirte als „Hilfspersonen der Staatsanwaltschaft“
Laut Bundesnaturschutzgesetz sei es verboten, wildlebende Tiere mutwillig zu beunruhigen. Zur Hege einer Wald-, Wiesen- oder Ackerfläche, und damit zum Schutz des Wildes sei der Eigentümer verpflichtet, in der Regel der Landwirt. Görtler kritisierte, dass Pächter und bestätigte Jagdaufseher zu selten ihre laut Jagdgesetz eingeräumten Befugnisse ausüben würden. Als „Hilfspersonen der Staatsanwaltschaft“ dürften sie bei Verstößen Personen anhalten, deren Personalien feststellen und sogar Platzverweise erteilen.
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Im Mittelpunkt der Hegeschau steht traditionell die Präsentation der Jagdtrophäen. Um die 150 Besucher der Schau, vorwiegend Jäger und Landwirte, begutachteten Spieße und Geweihstangen. Zur Schau gehört auch die Vorstellung der Jagdstrecken. Beim Schwarzwild ist die Strecke in den vergangenen Jahren, wie berichtet, drastisch eingebrochen. Wegen gezielter Entnahme von Jungtieren ist die Wildschweinpopulation im Landkreis geschrumpft.
„Wir brauchen Einsichten“: Der Mensch als der größte Störfaktor für die Natur
Gewachsen ist erneut die Strecke bei Rehwild. Erlegt oder im Straßenverkehr getötet wurden 2483 Tiere. Das seit vier Jahrzehnten bestehende Forstliche Gutachten sei per se nicht verkehrt, so Görtler. Aber allein die Verbissstatistik als Grundlage für höhere Abschusszahlen heranzuziehen, reicht ihm nicht aus. Er fordert eine grundlegende Überarbeitung der Rahmenbedingungen. „Wir brauchen Einsichten“, fordert er. Dazu gehöre, dass der größte Störfaktor für die Natur der Mensch sei, der den Lebensraum gestalte. Das führe zu einer ungünstigen Verteilung von Wild.
Zu einer vernünftigen Wildlenkung gehöre auch die Schaffung von Ruhezonen für die Tiere und abseits gelegene Äsungsflächen. Aufforstungs- und Verjüngungsflächen sollten schwerpunktmäßig bejagt werden, sagte Görtler. Um eine genetische Verarmung zu verhindern, dürfe die Wildbiologie nicht vernachlässigt werden.
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