Zur Strafe ist jetzt Schluss mit Party: Drei Jahre kein Volksfest und kein Fasching für 19-Jährigen

Das Dachauer Jugendschöffengericht musste am Montag den Fall eines 19-Jährigen verhandeln, der immer wieder und zum Teil schwere Straftaten begangen hatte. Doch der junge Mann kam wieder mit einer Bewährungsstrafe davon.
Dachau – In der bundesdeutschen Strafprozessordnung ist genau geregelt, wie eine Hauptverhandlung abzulaufen hat. Erst wird die Sache aufgerufen, dann stellt man fest, ob der oder die Angeklagte erschienen ist. Dann werden dessen oder deren Personalien vorgelesen.
„Als ob wir ihn nicht kennen würden ...“: Lette beging bereits zahlreiche Straftaten
Letzterer Punkt hätte, wenn man Richterin Cornelia Handls Worte gestern richtig deutete, gern übersprungen werden können. „Als ob wir ihn nicht kennen würden ...“, seufzte sie, als Name, Alter und Wohnort des Angeklagten verlesen wurde, dessen Fall sie mit zwei Schöffen zu verhandeln hatte. Hinter ihr stand ein Berg Akten – alles Urteile zu Straftaten, die der erst 19 Jahre alte, gebürtige Lette in den vergangenen vier Jahren begangen hatte.
Gestartet war dessen kriminelle Karriere demnach mit einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Anschließend folgte eine vorsätzliche Körperverletzung, wenig später ein Raub in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung. Auch der Besitz und das Führen einer Schusswaffe steht im Strafregister des jungen Mannes, ebenso ein gemeinschaftlicher Diebstahl sowie eine Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und das Erschleichen von Leistungen.
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Die Liste der Vergehen ist lang – 19-Jähriger tauchte trotz lebenslangem Hausverbot vor Getränkemarkt auf
In der Verhandlung gestern ging es um einen Hausfriedensbruch sowie – mal wieder – eine Körperverletzung. Laut Anklage soll der nach wie vor bei seiner Mutter lebende junge Mann im März auf dem Parkplatz eines Erdweger Getränkemarkts aufgetaucht sein, obwohl er dort, laut dem Marktbesitzer, „Hausverbot auf Lebenszeit“ hat. Als der Lette daher das Grundstück verlassen sollte, beschimpfte er den Geschäftsmann. Unter anderem soll das Wort „Hurensohn“ gefallen sein.
Der Angeklagte gab diesen Sachverhalt ebenso zu wie den schwerwiegenderen, zweiten Teil der Anklage. Darin hieß es, dass der junge Mann im vergangenen Fasching in Indersdorf grundlos und ohne Vorwarnung einem anderen Faschingsgänger mit der flachen Hand ins Gesicht und dessen Kumpel mit der Faust auf die Nase geschlagen haben soll. Beides tue ihm leid, so der Angeklagte, aber auf einer Rausch-Skala von 1 bis 10 sei er bei einer 8 gewesen. Neben Alkohol habe er auch Kokain konsumiert, „das war ganz schön viel“, gab er gegenüber Richterin Handl und den Schöffen zu.
Überhaupt gab sich der Angeklagte freundlich, reuig und offen. Fast wirkte es, als hätte er ein Lächeln im Gesicht.
Angeklagter offen, ruhig und freundlich – wenn er nüchtern ist
Diese Freundlichkeit – zumindest in nüchternem Zustand – attestierten ihm auch seine Bewährungshelferin sowie der Vertreter der Jugendgerichtshilfe. Dennoch, das wurde auch klar, ließ er die Menschen, die ihm Hilfe und Betreuung anbieten würden, in regelmäßigen Abständen auch ziemlich auflaufen. Dass der 19-Jährige keinen Schulabschluss habe, liegt laut Jugendgerichtshilfe daran, „dass er unser Schulmodell als fragwürdig betrachtet“. Abgesehen davon, dass ihn seine Verurteilungen offensichtlich nicht nachhaltig beeindruckten, sei er bislang auch „nicht ausreichend motiviert“ gewesen, sich in therapeutische Behandlung zu begeben oder an Antiaggressionskursen teilzunehmen. Auch die Sozialstunden, zu denen er verdonnert wurde, habe er zu einem großen Teil noch nicht abgeleistet.
Hat es der Verurteilte nun „endlich kapiert“? Das Gericht hofft es – und gibt einen Vertrauensvorschuss
Dass seine gestrige Verurteilung – eine Jugendstrafe von einem Jahr und zehn Monaten – erneut zur Bewährung ausgesetzt wurde, liegt laut Gericht an der unstrittigen Drogensucht des jungen Mannes, der er sich, laut seiner Bewährungshelferin, nun ernsthaft stellen wollte. Richterin Handl nannte ihr Urteil daher einen „Vertrauensvorschuss“. Nach langer Diskussion seien sie und ihre beiden Schöffen zur Überzeugung gelangt, dass sich beim Angeklagten „der Schalter im Kopf umgelegt“ und er „es endlich kapiert“ habe.
Allerdings muss sich der 19-Jährige nun an eine Reihe von Bewährungsauflagen halten: Unter anderem soll er – nun aber wirklich – ein Antiaggressionstraining für Männer absolvieren, sich um einen stationären Therapieplatz bezüglich seiner Drogensucht kümmern und – am wichtigsten – drei Jahre lang kein Volksfest und keine Faschingsveranstaltung mehr besuchen. Der Staatsanwalt bezeichnete diese Auflagen als „mehrere Damoklesschwerter. Aber anders scheint es wohl nicht zu funktionieren“.
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