Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) ist in persona in die Rathausgalerie gekommen, um die Ausstellung zum 50. Jahrestag vorzustellen. Reiter erinnert sich, wie seine Eltern und seine zwei Brüder vor dem Fernsehgerät mitfieberten. „Herausragende Sportler wie Ulrike Meyfarth, wie Heide Rosendahl oder der Schwimmer Mark Spitz werden immer im Gedächtnis bleiben.“
Das Programm der Stadt ist gewaltig (siehe unten). Das Kulturreferat hat es mit 60 Projektpartnern ausgearbeitet. Es steht unter dem Motto „München auf dem Weg in die Zukunft 1972 – 2022 – 2072“. Die Jubiläumsfeier solle die positiven Effekte der Spiele auf die Entwicklung der Stadt, aber auch die Erinnerung an das Attentat der Weltöffentlichkeit widerspiegeln, sagt Reiter. In der Tat ist München mit den Spielen zu einer Weltstadt geworden. Zu einer mit Herz.
Und es gibt auch einen Architekten des modernen München: Hans-Jochen Vogel (SPD). Es war am 28. Oktober 1965, als sich der damalige NOK-Präsident Willi Daume und der damalige Münchner OB im Rathaus trafen. Damals wurde der ideelle Grundstein für die Olympia-Bewerbung gelegt. Daume konnte Vogel davon überzeugen, dass München der geeignete Ort sei, um der Welt ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Bild vom liberalen und weltoffenen Deutschland zu präsentieren. „Ein Sinnbild für moderne Demokratie, Toleranz und Vielfalt“, wie Reiter erklärt. Oder auch ein Gegenentwurf zum Gigantismus der Spiele 1936 in Berlin.
Der Nachhall der Spiele ist bis heute im Stadtbild erkennbar: 1971 wurde die U-Bahn in Betrieb genommen, 1972 die S-Bahn als Verbindung zwischen Stadt und Umland. Auch die Fußgängerzone wurde 1972 eingeweiht, neue Wohngebiete wie das Olympische Dorf und Neuperlach entstanden. Und der Olympiapark als Wahrzeichen und Begegnungs- sowie Veranstaltungsort lebt bis heute fort. Mit dem Herzstück der spektakulären Zeltdachkonstruktion des Architekten Günter Behnisch. 220 Millionen registrierte Besucher hat es seit den Spielen 1972 nach Auskunft von Olympiapark-Chefin Marion Schöne auf dem weitläufigen Areal, in seinen Veranstaltungsstätten und dem Fernsehturm gegeben. Und bald könnte das ganze Areal auch zum Weltkulturerbe erklärt werden.
Doch mit Olympia 1972 ist auch unauslöschlich das Attentat palästinensischer Terroristen verbunden. Elf israelische Sportler und Betreuer, ein Polizist und fünf Geiselnehmer kamen ums Leben. Alt-OB Vogel sagte einmal, es gebe die Spiele vor und nach dem 5. September. Die Erinnerung an die Opfer sei integraler Bestandteil des ganzjährigen Veranstaltungsprogramms, betont Reiter. So wie sich die heiteren Spiele ins kollektive Sportgedächtnis Deutschlands eingebrannt haben, so sehr ist der Terrorakt zu einem furchtbaren Vermächtnis geworden. Im Jüdischen Museum soll bis zum Jahresende jeden Monat ein Opfer im Mittelpunkt des Geschehens stehen.
Ob München noch einmal Spiele erleben wird? Für DOSB-Präsident Weikert ist das nicht ausgeschlossen. „Es ist mir ein Anliegen, Olympia wieder nach Deutschland zu bringen.“ München sei eine von mehreren Optionen als Veranstaltungsort. Klar sei allerdings, „dass wir die Bevölkerung mitnehmen müssen, bevor wir ein konkretes Datum nennen“. Bekanntlich haben die Bürger schon einmal Nein zu möglichen Winterspielen 2022 in München gesagt. Theoretisch sind die Winterspiele 2030 noch zu haben. Das alles ist Zukunftsmusik. Fest steht nur: München 1972 wird immer in Erinnerung der Stadt bleiben.
Die Stadt hat ein umfangreiches Programm zum Jubiläum geplant. Zusammen mit 60 Partnern sind über das ganze Jahr verteilt mehr als 150 Veranstaltungen vorgesehen. „Wir befinden uns in einem Prozess und sind offen für weitere Veranstaltungen“, sagt Kulturreferent Anton Biebl. Das Programm ist auf „Begegnungen“ angelegt. Das heiße aber auch Begegnungen mit Maske und Abstand. Man werde je nach Pandemielage entscheiden, wie die Programmpunkte stattfinden können, so Biebl. Der Großteil ist kostenlos.
In den kommenden Monaten gibt es sportliche Events, Theateraufführungen, Vorträge, Ausstellungen – und Gedenkveranstaltungen, um an die Opfer des Olympia-Attentates am 5. und 6. September 1972 zu erinnern. Jeder der Veranstaltungsmonate ist einem der zwölf Menschen gewidmet, die während der Olympischen Spiele in München von palästinensischen Terroristen ermordet wurden. Das Jahr beginnt mit der Erinnerung an Gewichtheber David Berger mit einer Installation an der Fassade des Amerikahauses.
Den Auftakt bildet die Ausstellung „50 Jahre Olympiapark – Impulse für Münchens Zukunft“ des Planungsreferates im Rathaus (s. unten). Im Februar wird das Münchner Leben in 1972 an 20 Stationen in der ganzen Stadt sichtbar gemacht. Im „Erzählcafé München 72“ können Münchner ihre Erlebnisse aus dem Olympiajahr 1972 teilen. Im Frühjahr startet die Ausstellung des Olympiaparks, die sich auf das Olympiastadion, den Olympiaturm und das Außengelände verteilt. Am Ostersonntag gibt es einen Tag des Fußballs im Olympiastadion. Im Mai jährt sich Otl Aichers Geburtstag zum 100. Mal. Aicher entwarf das moderne grafische Erscheinungsbild der Spiele.
Im Sommer sind die Highlights des Olympia-Programms geplant. Im Juli soll das Festival des Spiels, des Sports und der Kunst im Olympiapark stattfinden. Es gibt eine Eröffnungsfeier und eine Parade von der Innenstadt aus. Das Finale der „Münchner Sportspiele“ wird ausgetragen.
Im August treten 4700 Athletinnen und Athleten aus ganz Europa bei den „European Championships Munich 2022“ an. Es wäre die größte Sportveranstaltung, die es seit den Sommerspielen 1972 im Olympiapark gegeben hat. Der Großteil der Wettkämpfe findet auf dem Olympiagelände statt.
Der September steht im Zeichen des Gedenkens an die Opfer des Olympia-Attentats. Am 5. September findet zunächst ein Gedenken im Olympiapark statt, dann gibt es eine Gedenkveranstaltung in Fürstenfeldbruck. Den Abschluss des Erinnerungsjahres bildet im Dezember das Gedenken an Moshe (Muni) Weinberg, Trainer der israelischen Ringer.
Die Olympischen Sommerspiele in 1972 wirkten wie ein städteplanerischer Turbo für München. Die Ausstellung „50 Jahre Olympiapark – Impulse für Münchens Zukunft“ des städtischen PlanTreffs zeigt das jetzt in der Rathausgalerie und bildet damit den Auftakt für das Jubiläums-Programm.
Der Fokus liegt auf dem Olympiapark und seinen Bauten. Es gibt keine Ausstellungstafeln. Stattdessen Gebilde, die sich um die Säulen des Rathauses gruppieren. Sie sollen an die Betonpfeiler des Olympiastadions erinnern, die das Zeltdach tragen. Die Ausstellung zeigt Originalsitze aus dem Stadion und auch moderne. 1972 gab es für die Zuschauer noch keine Lehnen – dafür aber schon Flutlichter für die Sportler. Auch ein solches Original ist zu sehen.
Die Ausstellung soll einen Bogen zwischen der damaligen Stadtentwicklung und Zukunfts-Ideen spannen. „Viele Herausforderungen waren 1972 die gleichen wie heute – zum Beispiel Wohnraumknappheit“, sagt Dina Straße, stellvertretende Leiterin vom PlanTreff.
Geöffnet noch bis 11. März, Mo.–So., 13–19 Uhr, Rathausgalerie Marienplatz, es gilt 2G-plus, Eintritt frei. Infos zu Führungen: www.muenchen.de/olympiapark50.
Mein Olympia 1972: Münchnerin tanzte als 15-Jährige bei der Eröffnungsfeier.
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