Eichler ist Vorsitzende des Vereins Reitakademie München, deren jüngstes Mitglied Lynn ist. Am kommenden Wochenende wird das Mädchen zugleich jüngste Starterin beim Heimturnier sein. Denn dann feiert der Verein ein Jubiläum: Seit 50 Jahren hat er seine Heimat hier in Riem. Seit 1972. Moment mal, da war doch noch etwas in der Stadt.
Exakt: Wie zurzeit gefühlt an jeder Ecke Münchens ins Gedächtnis gerufen wird, wurden damals die Olympischen Spiele ausgetragen. Die Reitanlage, wo heute Lynn und ihre Vereinskollegen über die Koppel reiten, ist eine der olympischen Stätten, die auch 50 Jahre später noch bestimmungsgerecht genutzt werden. Die Reitakademie München, die 14 Jahre zuvor gegründet worden war, hat nach den Olympischen Spielen die Rückkehr des Reitsports nach Riem intensiv mitgestaltet und ist seither neben Institutionen wie dem Bayerischen Reit- und Fahrverband und dem Landesverband Bayerischer Pferdezüchter einer der Bewohner der Anlage.
Man könnte auch sagen: Sie sind diejenigen, die Leben in die Bude bringen. Rund 500 Mitglieder hat der Verein, etwa 100 Privatpferde sind hier in den Ställen untergebracht. Und können sie nutzen, diese großzügige Reitanlage mitten in der Großstadt. Man muss nur einmal mit Eichler und ihrer Vorstandskollegin Maggie Walter mit dem Jeep über das Gelände fahren, um zu erkennen: ein Traum für jeden Pferdefreund. „Gerade für junge Leute ist diese gute Erreichbarkeit ein Segen. In welchen Reitstall kommen Sie denn schon mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Und haben dann ein solches Areal mit Bachlauf, Koppeln, Hindernisparcours und allem, was man sonst zum Reiten benötigt. Wir haben den Bus und die S-Bahn direkt vor der Tür. Das ist ein absolutes Alleinstellungsmerkmal“, betont Walter. Das Zweite sind die Kosten. Weil der Betrieb ehrenamtlich geführt wird, können sie sie so gering wie möglich halten, 620 Euro im Monat pro Pferd. Füttern, Misten, Platz- und Hallenpflege inklusive. In anderen Ställen legt man 700 bis 800 Euro auf den Tisch.
Nun klingen auch 620 Euro nicht gerade nach einem günstigen Hobby wie Darts oder Schafkopf. Doch auch hierauf legt die Vereinsführung wert: dass aus allen gesellschaftlichen Schichten Menschen die Möglichkeit haben, mitzumachen. Unabhängig vom Alter oder dem finanziellen Hintergrund. „Wir haben viele, die sich für Reitbeteiligungen zusammentun und die Kosten teilen. Oder Mitglieder stellen ihre Pferde anderen Reitern kostenlos zur Verfügung“, erzählt Walter. Der Vereinsgedanke, er wird hier hochgehalten. Weil Reiten eben kein elitärer Sport sein müsse, wie das häufig vermittelt wird. Der Erfolg gibt ihnen Recht: Es dürfte bundesweit nur sehr wenige Vereine geben, die so viele aktive Reiter auf Drei-Sterne-Turnier-Niveau in Dressur und Springen aufweisen können. „Wir bieten auch Hippo-Therapie für Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung an. Dazu stellen wir kostenlos geeignete Pferde. Auch ansonsten sind wir wirklich bunt gemischt. Hier reiten ganze Familien zusammen: von der Oma mit über 80 bis zur 14-jährigen Enkelin.“
Just in dem Moment, als Walter das sagt, reitet eine ältere Dame auf ihrem Ross über den Sandplatz. 79 Jahre ist sie alt. Und hat eine Körperspannung, bei der man als einige Jahrzehnte jüngere Nicht-Reiterin ins Grübeln kommt. Ob man es nicht vielleicht doch einmal versuchen sollte? Das entgeht den Vorstandsdamen nicht. „Mit Reitsport tun Sie nicht nur Ihrem Körper etwas Gutes. Sie lernen Achtung des Mitgeschöpfs, Rücksicht, Toleranz, Verantwortung. Und diese besondere Verbindung zu einem Tier. Sie kommunizieren mit dem Pferd über den Po, die Beine, die Hände. Bis Sie mit ihm zu einer Einheit werden. Zum Schluss denken Sie nur noch, was Sie machen wollen – und das überträgt sich dann wie von Zauberhand auf Ihr Tier.“
So wie Lynn und Peter Pan. Die drehen gerade ihre Runden in der kleinen Halle. „Machen wir noch einmal Galopp?“, ruft das Mädel ihrem Papa zu, der sicherheitshalber beim Reiten immer in ihrer Nähe ist. Aber hallo. Im Sauseschritt jagen Pferd und Reiterin im Kreis. Peter Pans Fell glitzert, Lynn strahlt über das ganze Gesicht. Und jeder, der die beiden sieht, spürt, dass stimmt, was Carola Eichler gesagt hat: „Wenn Kinder reiten, dann nehmen sie keine Drogen.“ Das Glück der Erde? Liegt im Osten von München. Auf samtweichen Rücken, die entzücken.
Gefeiert wird das Jubiläum vom 19. bis zum 21. August: Alle Infos auf www.olympiareitanlage.de.