Fiasko ums Friedensgebet: Oberbürgermeister und Geistliche sagen ab, Münchner beten trotzdem

Ein starkes Zeichen Münchens für den Frieden hätte es werden sollen – nach Kritik wurde am Montagnachmittag das geplante interreligiöse Friedensgebet auf dem Marienplatz kurzfristig abgesagt.
München - Fiasko statt Friedensgebet. Trotzdem waren rund 250 Münchnerinnen und Münchner gekommen, darunter der Imam Benjamin Idriz. Mit einer Kerze in der Hand las der muslimische Obergeistliche ein Gebet vor. Nach der Rede des Imams sagten auch einzelne Teilnehmer Friedensgebete auf. Eine friedliche Veranstaltung, ohne Zwischenfälle und Polizeieinsätze.
OB Dieter Reiter sagt Teilnahme an Friedensgebet auf Marienplatz ab
Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hatte das Friedensgebet auf Initiative des Muslimrates ins Leben gerufen, auch Vertreter der jüdischen, katholischen und evangelischen Religionsgemeinschaften sollten teilnehmen. Das Motto: „Muslime, Juden und Christen beten für Frieden im Heiligen Land und für das Miteinander in München.“ Ziel war es, „in dieser hochemotionalen Zeit“ zu deeskalieren und den „Zusammenhalt unserer Stadtgesellschaft zu stärken“, sagte der OB am Montag in einer Mitteilung.

Allerdings: „Es war Voraussetzung für die Übernahme meiner Schirmherrschaft, dass auch ein Vertreter der jüdischen Glaubensgemeinschaft ein Gebet spricht. Das ist nun leider nicht mehr der Fall“, so Reiter. „Das bedauere ich, habe aber auch Verständnis dafür. Die Zeit ist derzeit offenbar nicht reif, um in und für München ein gemeinsames Friedensgebet zu ermöglichen.“ Sprechen sollten neben Reiter und Rabbiner Jan Guggenheim auch Dompfarrer Monsignore Klaus Peter Franzl und der evangelische Landesbischof Christian Kopp.
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Christliche und jüdische Vertreter bleiben Friedensgebet ebenfalls fern
„Wir hatten unsere Teilnahme am Friedensgebet auf Basis der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Dieter Reiter und der Teilnahme eines Vertreters der Israelitischen Kultusgemeinde München zugesagt. Nachdem nun beides nicht mehr gegeben ist, nehmen wir die Absage des Friedensgebets mit Bedauern zur Kenntnis“, teilt der Sprecher des Landeskirchenamts der Evangelisch Lutherischen Kirche auf Anfrage mit.
Die Absage des Friedensgebets kam in Form einer Mitteilung des Forums für Islam im Namen des Muslimrats. „Die Intention war ausdrücklich, sich zum Miteinander der Religionsgemeinschaften zu bekennen. Leider wurde durch kurzfristige Absagen von jüdischer, evangelischer und katholischer Seite dieser Intention die Grundlage entzogen“, so der Muslimrat. Und: Wann, wenn nicht jetzt, müssten alle Kräfte dafür aufgebracht werden, dass man einander gegenseitig achte, wertschätze und ernst nehme. „Dass dies in München nicht möglich sein soll, bleibt eine sehr bittere Erfahrung, nicht nur für Muslime“, heißt es weiter.
Kritik an Friedensgebet in München: Muslimrat stehe islamistischen Gruppen nahe
Am Wochenende war Kritik an der Veranstaltung laut geworden, unter anderem von der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) und dem Linken Bündnis gegen Antisemitismus. So hatte das Bündnis dem Muslimrat eine „Nähe zu islamistischen Gruppierungen wie DITIB, Millî-Görü und der Muslimbruderschaft“ vorgeworfen und Kirchenvertreter aufgefordert, dem Gebet fernzubleiben. Die Absage begrüßte der Präsident der DIG, Volker Beck, und nannte den Muslimrat den „falschen Partner der Stadt“: „An sich ist es ein schöner Gedanke, wenn Muslime, Christen und Juden gemeinsam für Frieden beten. Freilich ist nicht jede Friedensbotschaft per se unschuldig und tatsächlich friedlich.“ .

Auch Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, begrüßte die Absage. Die offenen Fragen der letzten Tage hätten gezeigt, dass diese Veranstaltung in ihrer geplanten Form nicht die richtigen Signale würde aussenden können, sagt Knobloch.
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