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Die überfällige Abrechnung mit Münchens Fahrradhändlern: Bittere Wahrheit inklusive

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Fahrradhändler in München
In Münchens Fahrradläden wird der Flaucherfranzl ungefragt und kostenfrei belehrt. © IMAGO / Westend61

Münchens Fahrradhändler haben zu viel Oberwasser, findet der Flaucherfranzl. Der tz.de-Kolumnist versucht, eine ganze Berufsgruppe einzunorden.

Als Gott die Selbstherrlichkeit verteilt hat, griffen Münchens Fahrradhändler bereitwillig zu. Folgen des distributiven Sündenfalls werden sich im Frühjahr wieder beobachten lassen. Wenn Tausende Münchner ihr Radl zur Inspektion bringen. Oder es zumindest versuchen.

„Sorry, solche Modelle nimmt unser Mechaniker grundsätzlich nicht“, könnte die Replik des herablassenden Zweiradtechnikers lauten. „Vielleicht bringst du dein Rad dort hin, wo du es gekauft hast.“ Oder: „Ruf in fünf Wochen nochmal an.“ Der Flaucherfranzl fühlt sich in solchen Momenten wieder wie ein unbedarfter Achtklässler, der auf dem Pausenhof versucht, einen Kinobesuch zu arrangieren. Auch wenn er eigentlich nur ein neues Vorderlicht braucht.

„Du weißt schon, wie man damit anständig umgeht?“

Viele Verkäufer treten mit der Arroganz eines vierfachen Tour-de-France-Gewinners auf. Sie schwadronieren vom Tourmalet, wirken qua Phänotyp aber, als sei der Giesinger Berg für sie bereits das höchste der Gefühle. Das hindert nicht daran, arglose Kunden bereitwillig zurechtzuweisen, sollten diese über eine hochpreisige Neuanschaffung nachdenken: „Das ist aber jetzt kein Anfängerbike. Du weißt schon, wie man damit anständig umgeht, oder?“ 

Gemeinhin setzt sich der Flaucherfranzl auf den Sattel und tritt in die Pedale, um die Fortbewegungsfunktion eines Fahrrads zu erfüllen. Und wenn er eine Werkstatt betritt, dann um von der Expertise des diensthabenden Angestellten zu profitieren. Nicht um auf seine handwerkliche Minderbegabung hingewiesen zu werden. Unter anderem die war es schließlich, die einzig ein geisteswissenschaftliches Studium als Ausweg erscheinen ließ.

Bislang gehören Fahrradgeschäfte zu den wenigen Orten, an denen Münchner kostenfrei und vor allem ungefragt belehrt werden. Das darf auch so bleiben. Der Flaucherfranzl fände es reichlich ungemütlich, wenn Kellner bei der Getränkeausgabe plötzlich nachhaken würden: „Sie wissen aber schon, wie man ein Weißbier richtig einschenkt, oder?“

Fahrradhändler in München: Für Corona-Profiteure ganz schön arrogant

Münchens Fahrradhändler haben so viel Oberwasser, man könnte damit die gesamte Theresienwiese fluten. Haben sie denn schon vergessen, dass eine globale Pandemie ihren derzeitigen Höhenflug begünstigt hat? Der Flaucherfranzl ist doch kein Verschwörungstheoretiker, bloß weil er zwischen der Home-Office-Verordnung der Bundesregierung und auf Carbon-Geschossen durch den Perlacher Forst rasenden Unternehmensberatern eine Korrelation herstellt. 

Zur bitteren Wahrheit gehört allerdings: Es werden auch Pandemien kommen, die weniger geschäftsfördernd sind. Wenn dann das nächste Mal irgendwo Demut verteilt wird, sollten Münchens Fahrradhändler lieber zugreifen.

Flaucherfranzl auf tz.de

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