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Denkmalschutz versagt: Warum diese Häuser abgerissen werden

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Die Häuserzeile Sailerstraße 2 bis 6 wird wohl in Kürze abgerissen, obwohl sie offenbar denkmalschutzwürdig gewesen wäre.
Die Häuserzeile Sailerstraße 2 bis 6 wird wohl in Kürze abgerissen, obwohl sie offenbar denkmalschutzwürdig gewesen wäre. © Klaus Haag

München - Architekturdenkmäler sind in München nicht sicher vor der Abrissbirne. Ist der Bauherr schnell genug und erhält eine Baugenehmigung, bevor Denkmalschutz ausgesprochen wird, werden einzigartige Häuser wie an der Sailerstraße abgerissen. Grund ist auch die mangelhafte Kommunikation der Behörden.

Als Florian Schriefer (41) Anfang Oktober mit seiner Frau vor dem mintgrünen Haus an der Sailerstraße in Schwabnig-West stand, hatte er eigentlich das richtige Gefühl. Der Gitarrenlehrer wohnt in der Nähe am Olympiapark und dachte sich: „Warum nicht nachfragen, ob man dieses Häuschen kaufen und mit der wunderschönen Originalfassade restaurieren kann, um darin zu leben?“ Schriefer dachte, die ganze Häuserzeile stehe unter Denkmalschutz.

Doch sein Gefühl trog. Denkmalschutz bestand nicht. Das hatte schlicht noch nie jemand beantragt – seit 1898, als die Häuserzeile gebaut wurde. Und eine Immobilienfirma, die in der Ecke Lerchenauer/Sailerstraße besonders aktiv ist und regelmäßig baut, hatte die Anwesen Sailerstraße 2 bis 6 bereits gekauft – und eine Abriss- und Neubaugenehmigung für zwei der drei Anwesen erhalten. Die Lokalbaukommission (LBK) hatte den Bauantrag an der Sailerstraße bewilligt, bevor ein Antrag auf Denkmalschutz eingereicht wurde.

Nur sporadisch leitet die LBK Bauanträge zur Prüfung an das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (LFD) weiter. „Wenn wir jeden Bauantrag weiterreichen, damit die prüfen, ob das Gebäude denkmalschutzwürdig sein könnte, würden die Genehmigungsverfahren viel zu lange dauern“, sagt Sprecher Ingo Trömer. Etwa 75 Mal jährlich kommuniziere die Untere Denkmalschutzbehörde, die der Lokalbaukommission angegliedert ist, mit dem Landesamt für Denkmalschutz. Auch bei Baugenehmigungsanträgen. Aber eben nicht immer.

Das Landesamt selbst ist auf Hinweise aus der Bevölkerung und seitens des Unteren Denkmalschutzes angewiesen. Grundsätzlich ist das auch eine Aufgabe des Münchner Heimatpflegers und Architekten Gert F. Goergens, Träger der bayerischen Denkmalschutz-Medaille und großer Verfechter des Erhalts denkmalschutzwürdiger Objekte.

Tatsächlich bekam Goergens im Frühsommer selbst einen Hinweis, nach einem Vortrag. Einer der Zuhörer kam auf ihn zu und bat um seine Einschätzung, ob die Häuserzeile an der Sailerstraße Denkmalschutz verdient hätte. Goergens machte sich vor Ort ein Bild. „Absolut erhaltenswürdig, einzigartig. Dieses Ensemble finden Sie in München nirgends wieder, auch deshalb, weil man die Häuser architektonisch nicht einordnen kann. Sie sind ganz unterschiedlich, passen aber trotzdem zusammen“, schwärmt Goergens.

Dass die Häuser gemäß dem Denkmalschutzgesetz schutzwürdig wären, steht offenbar außer Frage. Denn Goergens wandte sich an das Landesamt für Denkmalschutz. Dessen Antwort habe gelautet: Grundsätzlich seien die Häuser ohne Frage denkmalschutzwürdig. Es sei aber sinnlos, die Häuserzeile jetzt einer Prüfung zu unterziehen, weil zum Teil bereits seit Januar 2015 eine Baugenehmigung bestehe. Die Folge: Die Häuser werden bald abgerissen. Der Bauherr, die BLB Immobilien aus Bremen, hat kein Interesse am Erhalt, sondern will lukrativ neu bauen. Einige Bauzäune stehen bereits. „Die Sailerstraße ist uns durch die Lappen gegangen“, sagt Goergens heute.

Entscheidet also der Zufall, welche Gebäude in München unter Denkmalschutz stehen? Blickt man auf den Fall Sailerstraße, scheint das so zu sein. Hätte ein Passant, Anwohner oder Heimatpfleger Goergens das Landesamt für Denkmalschutz rechtzeitig, also vor Erteilung der Baugenehmigung, auf die Sailerstraße hingewiesen, würden die Häuschen heute wohl unter Denkmalschutz stehen. Dann hätte diese einzigartige Häuserzeile, ein Stück originales München, das mit viel Glück den Zweiten Weltkrieg überstand, eine Chance gehabt zu überleben.

Es gäbe auch Möglichkeiten, den Zufall auszuschließen: Dafür müsste der Untere Denkmalschutz bei Bauanträgen wie der Sailerstraße regelmäßig mit dem LFD kommunizieren. Dass dies bei diesen über 100 Jahre alten Häusern nicht passiert ist, hat ihr Schicksal besiegelt. 

Einen Kommentar vom Lokalchef des Münchner Merkur, Wolfgang Hauskrecht, zur Behörden-Panne lesen Sie hier.

Hüseyin Ince

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