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Zu wenig angebaut: Gartler verliert seine Parzelle

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Wo jetzt Schnee liegt, hätte Gert Binder mehr anbauen müssen. Weil er das nicht tat, hat er seine Parzelle verloren. 
Wo jetzt Schnee liegt, hätte Gert Binder mehr anbauen müssen. Weil er das nicht tat, hat er seine Parzelle verloren. © Haag

Weil er zu wenig Obst und Gemüse angebaut hat, fliegt ein Kleingärtner in Milbertshofen aus der Anlage.

München - Kleingartenanlagen sollten eigentlich ein Ort der Ruhe sein. Ein Ort, an dem man abschalten und garteln kann. Doch in der Kleingartenanlage Nord-Ost 53 an der Knorrstraße in Milbertshofen tobt der Kampf ums Gemüsebeet. Weil er zu wenig angebaut hat, verliert Gert Binder seine Parzelle. Der alleinstehende Verkaufsangestellte zog gegen den Beschluss des Vorstands vor Gericht – und verlor. Denn wie viel anzubauen ist, ist in der Satzung genau festgelegt. Gert Binder selbst glaubt, dass was anderes hinter seinem Rauswurf steckt.

Es geht um die Parzelle 056 – 240 Quadratmeter, auf denen Binder quasi seit seiner Geburt jeden Grashalm kennt. „Mein Großvater war seit der Gründung der Anlage dabei“, erzählt der 58-Jährige. 1953 war das. Später ging die Parzelle an seine Mutter über, Mitte der 90er-Jahre an ihn. „Nie gab es Probleme“, sagt Binder. „Auf unzähligen Festen habe ich als DJ für Musik gesorgt – alles war gut.“

Bis 2014. Da flatterte Binder ein Brief des Vorstands in die Laube, in dem ihm vorgeworfen wurde, dass seine Parzelle nicht der „kleingärtnerischen Nutzung entspreche“, weil nicht auf mindestens einem Drittel des Grundes Obst und Gemüse angebaut wird. Der Vorstand spricht in dem Brief gar von Verwahrlosung. Es folgt die Kündigung. Binder räumt ein, die Parzelle im Jahr 2014 aufgrund beruflicher Belastung und gesundheitlicher Schwierigkeiten nicht ausreichend bestellt zu haben. Er bestreitet jedoch, dass die Parzelle ungenutzt oder verwahrlost gewesen sei. 2015 habe er etwa 25 Quadratmeter für den Anbau von Tomaten, Kartoffeln und dergleichen verwendet. Die Kündigung: in seinen Augen unwirksam. Außerdem habe er nachgemessen: „Bei vielen anderen Parzellen wird auch weniger als ein Drittel der Fläche bepflanzt.“

Weil er seine Parzelle nicht räumt, landet der Streit schließlich am Amtsgericht München. Dort gibt der zuständige Richter dem Verein recht: Der erhebliche Verstoß gegen eine der wesentlichen Verpflichtungen aus dem Pachtvertrag sei ein ausreichender Kündigungsgrund, so der Richter. Dabei sei nicht erheblich, aus welchen Gründen Binder nicht dazu in der Lage gewesen ist, mindestens 80 Quadratmeter zu beackern. „Denn sofern ein Pächter aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen daran gehindert ist, die Bewirtschaftung der Parzelle selbst durchzuführen, ist es ihm grundsätzlich zumutbar, sich hierbei helfen zu lassen“, steht in der Urteilsbegründung. Heißt: notfalls einen Gärtner dafür bezahlen.

Das hält Binder für einen Irrwitz: „Ich lebe alleine, wie soll ich denn all das Gemüse essen.“ In ein paar Jahren, wenn er im Ruhestand sei und nicht mehr in der Firmenkantine esse, würde er sicher wieder mehr anbauen, sagt der 58-Jährige. Der Garten, der seit 63 Jahren im Familienbesitz ist, hätte dann auch sein Alters-Idyll werden sollen. „Was die wirklichen Gründe sind, wieso man mich von der Anlage runter haben wollte“, sagt Binder „weiß ich nicht“. Er vermutet, dass jemand anderem eine der begehrten Parzellen verschafft werden soll. Beweise dafür hat er freilich nicht.

Laut Vereins-Vorstand Friedrich Pils sei dies in keinster Weise der Fall. Zwar gebe es kein Problem, einen Nachfolger zu finden. „Ich habe rund 20 Bewerber auf der Warteliste.“ Auf Anfrage betont Pils aber, dass das „Problem der Nichtbewirtschaftung aus unserer Sicht schon seit mehreren Jahren bestand“. Und: Nach mehreren Abmahnungen habe sich stets nur sehr wenig verändert. Wer Nachfolger auf Parzelle 056 wird, stehe noch nicht fest. Das Urteil des Amtsgerichts ist rechtskräftig

Sven Rieber

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