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Münchner protestieren gegen Bier-Patent von Carlsberg und Heineken

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Von: Ramona Weise

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Bier-Demo vor dem Patentamt: Mit Pferdekutsche Bier und Blasmusik - bei der Bier-Demo vor dem Europäischen Patentamt in München geht es darum, keine Patente auf Pflanzen und Lebensmittel zu vergeben.
Mit Pferdekutsche Bier und Blasmusik: Rund 100 Demonstranten sind zur Demo vor das Europäische Patentamt in München gekommen - darunter viele in Tracht. Sogar ein Brauereigespann und eine Blasmusikgruppe waren vor Ort. © Achim Schmidt

„Die Natur gehört niemandem“ - Rund 100 Aktivisten marschieren mit Blasmusik und Freibier vor dem Europäischen Patentamt auf. Ein Patent auf Bier und Gerste bringt Gegner zum Schäumen.

München - Zur Wiesnzeit ist er mit seinen sechs Kaltblütern für Hofbräu unterwegs. Doch am Mittwoch spannte Ludwig „Luggi“ Käser (63) aus Sindelsdorf (Landkreis Weilheim-Schongau) die Rösser an, um zu protestieren: Vor dem Europäischen Patentamt in München bezog er Stellung gegen ein Patent auf Bier und Gerste.

„Kein Patent auf Bier!“ - Bier-Demo vor dem Patentamt

Neben Käser waren rund 100 weitere Demonstranten gekommen. „Kein Patent auf Bier!“ und „Patente auf Leben stoppen!“, stand auf ihren Transparenten. Aktivisten des Bündnisses „Keine Patente auf Saatgut“ übergaben einen Einspruch gegen ein Patent auf Braugerste an das Europäische Patentamt. Begleitet von einer Blasmusikkapelle und gestärkt von eigens verteiltem Freibier.

Um was geht es bei dem Patent-Streit?

Konkret geht es um ein Patent, das den Brauereikonzernen Carlsberg und Heineken erteilt wurde, wie Merkur.de berichtet. Die Brauereien hatten zuvor schon zwei Patente auf andere Gerstenpflanzen erhalten. Aufgrund zufälliger Mutationen fehlen ihnen Stoffe, die den Geschmack von Bier beeinträchtigen können. Das dritte Patent von 2016 – um das es bei dem jetzigen Einspruch geht – bezieht sich auf eine Kreuzung der beiden Gerstensorten. Das Patent sei absurd, so das Bündnis. Zufallsmutationen seien keine Erfindung.

Wann gibt es ein Patent auf konventionell gezüchtete Pflanzen?

Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen sind ein juristisch sehr komplizierter Streitpunkt. Die EU-Kommission hatte in einer Stellungnahme im November 2016 festgehalten, dass nur gentechnische Verfahren patentiert werden dürfen, mit denen gezielt ins Erbgut eingegriffen wird. 

Doch das Europäische Patentamt ist kein Organ der EU, sondern der Europäischen Patentorganisation (EPO). Und in der sind auch Nicht-EU-Länder wie die Türkei vertreten. Ende Juni wollen nun auch die 38 Vertragsstaaten der EPO bei einer Sitzung des Verwaltungsrats über ein Verbot von Patenten auf durch Kreuzung gezüchtete Pflanzen und Tiere beraten. 

„So hat es der Herrgott gewollt“

Die Kritik der Aktivisten: Der zur Entscheidung stehende Entwurf erlaube viele Ausnahmen. Ein Beispiel sind zufällige Mutationen wie bei der Braugerste.

„Wir sind generell dagegen, dass auf die Natur Patente ausgeschrieben werden. Sie muss für alle zugänglich sein – so hat es der Herrgott gewollt“, sagen etwa Ingrid (70) und Reinhold (65) Behringer aus München. Dem stimmt Mit-Demonstrant Fritz Eichinger (57) zu.

In Tracht gegen das Patent für die Brauereikonzerne demonstrierten (v.l.) Fritz Eichinger, Ingrid und Reinhold Behringer.
In Tracht gegen das Patent für die Brauereikonzerne demonstrierten (v.l.) Fritz Eichinger, Ingrid und Reinhold Behringer. © Achim Schmidt

 „Beim Frühstück habe ich von dem Patent der Brauereien gelesen – und bin fast vom Stuhl gefallen“, sagt der Spenglermeister aus Taufkirchen (Landkreis München). Gerade für Landwirte seien solche Patente sehr problematisch. „Die Natur, ihre Pflanzen und Tiere gehören niemandem“, ergänzt die Münchnerin Grace Elhrar (60).

Eine Gegnerin des Patents ist Grace Elhrar
Eine Gegnerin des Patents ist Grace Elhrar. © Achim Schmidt

Das sagt das Patentamt

Patentamtssprecher Rainer Osterwald nahm den Einspruch der Aktivisten entgegen. „Die Patente wurden erteilt, weil sie nach Meinung

Demo gegen Bier-Patent: Im Gespräch mit den Aktivisten Patentamts-Sprecher Rainer Osterwalder (r.)
Im Gespräch mit den Aktivisten Patentamts-Sprecher Rainer Osterwalder (r.). © Achim Schmidt

der Prüfer dem Patentrecht entsprechen“, sagt er. Was keine moralische Wertung der Patentierung sein solle. Sie entspreche nur den derzeitigen Gesetzen.
Inwieweit Saatgut oder aus diesem gewonnene Lebensmittel patentierbar seien, müsse die Politik entscheiden, so Osterwalder. Es habe schon immer Patente auf Lebewesen gegeben. Als Beispiel führt der Patentamts-Sprecher Nobelpreisträger Robert Koch an, der sich Mikroorganismen patentieren ließ. Auf ausländische Brauereikonzerne schimpft es sich leicht. Doch, so Osterwalder: „Auch Münchner und bayerische Brauereien haben Patente im Bereich der Bierherstellung.“

Wasser, Malz, Hopfen und Hefe

Erst im April feierte die ganze bayerische Brauwirtschaft den „

, an dem Bayerns Brauer dem Reinheitsgebot huldigen.

Unsere wichtigsten Geschichten aus diesem Teil Münchens posten wir auch auf der Facebookseite „Altstadt/Lehel – mein Viertel“.

Ramona Weise

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