1. tz
  2. München
  3. Stadt
  4. Altstadt-Lehel

Elf Jahre nach Disko-Besuch: Münchner wird plötzlich aufgefordert, seine Google-Bewertung zu löschen

Erstellt:

Von: Lukas Schierlinger

Kommentare

In aller Kürze hat ein Mann aus München einst seinen Disko-Besuch „eingeordnet“. Jetzt sorgen die Google-Sterne von damals für Ärger.

München - Elf Jahre ist es her, dass Martin W.* in der 089 Bar einen offenbar passablen Abend erlebte. Im Anschluss an seinen Besuch bewertete er die Münchner Diskothek auf Google: Mit drei Sternen, ohne in einem Kommentar weitere Details zu nennen. „Warum weiß ich gar nicht mehr“, erklärt er heute, „offenbar fand ich es nicht schlimm, aber auch nicht wahnsinnig toll“. Dass er sich mit seiner Einschätzung noch einmal beschäftigen würde, hätte der Münchner nicht gedacht.

Im März 2023 fand W. eine E-Mail von Google in seinem Postfach. Darin erfährt er, dass die 089 Bar eine Anwaltskanzlei beauftragt habe, um gegen seine Bewertung vorzugehen. Das Drei-Sterne-Urteil könne als „Schmähkritik“ eingeordnet werden, liest W. Unter Umständen sei eine „Rechtsverfolgung“ denkbar. Der Münchner versteht die Welt nicht mehr: „Was für ein Witz soll das sein?“

Elf Jahre nach Disko-Besuch in München: Mann soll Google-Bewertung löschen

Der Stein des Anstoßes lässt sich der beigefügten Mail der Anwaltskanzlei entnehmen: „Der Nutzername des oder der Bewertenden wird weder in der Kundenkartei unserer Mandantschaft geführt, noch kann die Rezension oder der Name des Rezensenten sonst einem Kontakt oder einem Geschehen bei unserer Mandantschaft zugeordnet werden.“ W. solle „entsprechende Nachweise“ für seine zurückliegende Disko-Nacht erbringen. Dafür hat ihm Google eine Frist von sieben Kalendertagen gesetzt.

„Ich soll jetzt meinen Besuch vor elf Jahren mit einer Rechnung beweisen“, schildert W. das Problem von seiner Warte aus. Wie geht die 089 Bar inzwischen mit dem Thema Rezensionen um? Eine Anfrage unserer Redaktion zum konkreten Fall ließen die Club-Betreiber zunächst unbeantwortet.

Google-Bewertung für 089 Bar: Expertin sieht ganz normalen Löschungsantrag

Die Anwaltskanzlei verweist in ihrem Schreiben auf bereits „ergangene Rechtssprechung“ in vergleichbaren Fällen und stellt ein weiteres Vorgehen in Aussicht: „Sollten wir ohne Rückmeldung bleiben, werden wir unserer Mandantschaft raten, die Löschung mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen.“ W. hat auf die Hinweis-Mail von Google mit markigen Worten reagiert. Den Beitrag aus freien Stücken zu löschen, sei für ihn keine Option.

Auf Anfrage unserer Redaktion schätzt Dr. Inge Schneider die Lage ein. „Das ist ein ganz normaler Löschungsantrag gegenüber Google, wie er heutzutage tausendfach vorkommt“, erklärt die Münchner Fachanwältin für Urheberrecht. „Wenn der Bewerter keine Stellungnahme gegenüber Google abgibt, insbesondere keinen Kundenkontakt belegen kann, wird die Bewertung einfach gelöscht.“

W. kann das Vorgehen der Diskothek indes nicht nachvollziehen: „Ich will nicht wissen, was die denjenigen geschrieben haben, die offensiv ihre 1- oder 2-Sterne-Bewertungen kommentiert haben. Droht denen jetzt der Knast? Oder schlimmeres: Hausverbot?“ Bei insgesamt 1193 Google-Rezensionen hält die 089 Bar derzeit einen Schnitt von 3,1 Sternen (Stand 21. März). In den jüngsten Kommentaren erklären viele weitere Besucher, von Google mit einer zurückliegenden Bewertung konfrontiert worden zu sein.

Umstrittene Google-Bewertung haben auch Münchens U-Bahnhöfe erhalten: Eine Station schneidet bei vielen Fahrgästen besonders schlecht ab.

*Name von der Redaktion geändert.

Auch interessant

Kommentare