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Hohe Mieten und Corona: Ladensterben in München - 16 Geschäfte in der Altstadt dicht

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Von: Leoni Billina, Phillip Plesch

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Ist Shoppen in München out? Noch sind weniger Passanten in der Innenstadt unterwegs.
Muenchen-einkaufen9.jpg © Astrid Schmidhuber

Corona, Miet-Irrsinn und Online-Konkurrenz - in München gehen in immer mehr Geschäften die Lichter aus. In der Altstadt ist die Liste lang.

München - Hier wär bestimmt ganz schön was los – wenn wir jetzt beispielsweise das Jahr 1981 ­schreiben würden. Die Leute würden nachmittags in der Innenstadt von Geschäft zu Geschäft bummeln, einkaufen, abends in einem Restaurant essen. Es wäre eine Stadt voller Leben. Allerdings ­schreiben wir nicht 1981, sondern 2021. Und wer jetzt durch die sommerliche Münchner Innenstadt spaziert, der sieht zwar natürlich Passanten, aber er sieht vor allem auch: viele leere Geschäfte, Gitter vor den Schaufenstern, Schilder, die auf Räumungsverkäufe hinweisen. In der Innenstadt gehen die Lichter aus! Die Gründe: Corona*, hohe Mieten und das boomende Online-Geschäft.

München: Innenstadt stirbt Stück für Stück

Die tz macht den Rundgang durch die Innestadt in München*. Allein in Kaufinger-, Neuhauser- und Sendlinger Straße sehen wir 16 Läden, die entweder schon geschlossen sind oder bald zumachen. Dauerhaft!

Zum Beispiel Marstaller an der Sendlinger Straße: Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe. Gabriele Läuger ist mit ihrem Mann Inhaberin, seit acht Jahren verkaufen sie hier Lederwaren. „Seit hier die Fußgängerzone ist, fehlen uns Kunden“, sagt sie. „Und seit Corona ist es noch schlimmer geworden. Die Leute aus dem Umland und die Touristen fehlen.“ Zum 30. Juni schließt das Ehepaar dieses ­Geschäft und beschränkt sich auf die Filiale an der Martiusstraße (Schwabing).

Gabriele Läuger vor ihrem Geschäft Marstaller. Am 30. Juni wird sie schließen.
Gabriele Läuger vor ihrem Geschäft Marstaller. Am 30. Juni wird sie schließen. © SIGI JANTZ

Trauriger Trend in der Münchner Innenstadt

Auch Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) ist besorgt über den Trend in der Innenstadt. Die Entwicklung zeichnet sich schon länger ab – ein wirksames Rezept hat aber noch niemand gefunden…

Nächste Station des traurigen Rundgangs: das Traditions-Geschäft Biebl. Im August hätte der Laden am Marienplatz 19. Jubiläum gefeiert – aber dazu kam es nicht. Am 19. Juni hat Inhaber David Biebl den Laden dicht gemacht. Das Fachgeschäft für Küchenartikel lebt vor allem von Touristen, insbesondere aus Asien. „Und das chinesische Publikum ist seit Januar vergangenen Jahres quasi komplett weggebrochen“, sagt Biebl. Auch die hohe Miete machte ihm zu schaffen. Er reichte bei der Stadt, die die Räume vermietet, Anträge auf Mietreduzierung ein: Die seien abgelehnt worden, sagt Biebl. Jetzt sucht er neue Geschäftsräume – und zwar außerhalb der Stadt…

Auch das Traditionsgeschäft Biebl in München hat mitterweile seine Türen geschlossen.
Auch das Traditionsgeschäft Biebl in München hat mitterweile seine Türen geschlossen. © SIGI JANTZ

Kleine Geschäfte machen dicht

Wir gehen ein Stückl weiter, zu einem Souvenirladen an der Neuhauser Straße. Der Betreiber erzählt: „Es ist unglaublich, was hier in den letzten Jahren passiert ist. Die großen Ketten laufen gut, aber die kleinen Geschäfte machen dicht.“ Tatsächlich: Vor der amerikanischen Outlet-Kette TK Maxx stehen die Leute oft Schlange quer durch die Fußgängerzone. Damit passiert auch in München, was in Millionenstädten weltweit passiert: Große Ketten zahlen horrende Mieten für ihre Flagship-Shops in Vorzeige-Lage – und die kleinen, angestammten Läden haben keine Chance…

Kaum einer hat es wohl bemerkt: Ein Münchner Traditionsgeschäft hat nach 112 Jahren schon im Januar dauerhaft geschlossen

Weniger Passanten

Das Drama der Münchner Innenstadt: Es zeigt sich nicht nur an den geschlossenen Geschäften, sondern auch an der Statistik. Konkret: Während Corona hat die Zahl der Passanten massiv abgenommen.

Eine Analyse von Hystreet zeigt: Aus normalerweise 522.000 Besuchern pro Woche in der Kaufinger Straße wurden zum Höhepunkt der Pandemie nur noch 31.000 – das sind 6 Prozent! Der Trend dreht sich zwar wieder, die alten Werte waren aber Ende Mai/Anfang Juni noch nicht wieder erreicht. Da flanierten in der Kaufingerstraße rund 346.000 Leute pro Woche.

Auch das städtische Referat für Arbeit und Wirtschaft stellte zuletzt in einer Stadtrats-Vorlage fest: „Die Zahl der Filialisten insbesondere auch in der Innenstadt nimmt zu und damit die Vielfalt des Einzelhandels und die Attraktivität der Innenstadt ab…“

Da ist Schluss: Das Schuhgeschäft Bartu an der Perusastraße in München muss schließen.
Da ist Schluss: Das Schuhgeschäft Bartu an der Perusastraße in München muss schließen. © SIGI JANTZ

Trotzdem gibt’s auch Raum für Optimismus. Wolfgang Fischer von der Vereinigung der Innenstadt-Händler sagt zum Beispiel: „Das wahre Leben gibt’s nur in der Innstadt. Das kann nicht digitalisiert werden…“ Trotzdem muss einiges zusammenkommen, damit der Spaziergang im Jahr 2031 wieder an lebendigen Schaufenstern von echten Münchner Läden vorbeiführt – vor allem bezahlbare Mieten…

Finanzspritze soll die Innenstädte beleben

Die bayerischen Innenstädte nach der Corona-Krise wieder aufmöbeln: Dabei soll ein Sonderfonds helfen – Geld von der Stadt und vom Freistaat. Das Förderangebot soll zum Beispiel dabei helfen, neue Ideen umzusetzen. Zum Beispiel die Zwischennutzung von leerstehenden Immobilien des Einzelhandels. Auch Pflanzen für die Fußgängerzonen oder mehr Sitzmöglichkeiten könnte man sich vorstellen. Der Stadtrat hat dem Plan Anfang Juni zugestimmt – aus dem Fonds wollen die Verantwortlichen in München mehrere Einzelprojekte für insgesamt 10,5 Millionen ­Euro ­finanzieren. Außerdem ist auch ein City-Gipfel angedacht. Da ­sollen sich Einzelhändler, Wirte, Hoteliers und Künstler mit Politikern zusammensetzen. Gemeinsam wollen sie dann kreative Konzepte für die Zukunft der ­Innenstadt entwickeln. Die Corona-Zahlen jedenfalls entwickeln sich aktuell in München positiv. L. Billina, P. Plesch *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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