Auch Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) ist besorgt über den Trend in der Innenstadt. Die Entwicklung zeichnet sich schon länger ab – ein wirksames Rezept hat aber noch niemand gefunden…
Nächste Station des traurigen Rundgangs: das Traditions-Geschäft Biebl. Im August hätte der Laden am Marienplatz 19. Jubiläum gefeiert – aber dazu kam es nicht. Am 19. Juni hat Inhaber David Biebl den Laden dicht gemacht. Das Fachgeschäft für Küchenartikel lebt vor allem von Touristen, insbesondere aus Asien. „Und das chinesische Publikum ist seit Januar vergangenen Jahres quasi komplett weggebrochen“, sagt Biebl. Auch die hohe Miete machte ihm zu schaffen. Er reichte bei der Stadt, die die Räume vermietet, Anträge auf Mietreduzierung ein: Die seien abgelehnt worden, sagt Biebl. Jetzt sucht er neue Geschäftsräume – und zwar außerhalb der Stadt…
Wir gehen ein Stückl weiter, zu einem Souvenirladen an der Neuhauser Straße. Der Betreiber erzählt: „Es ist unglaublich, was hier in den letzten Jahren passiert ist. Die großen Ketten laufen gut, aber die kleinen Geschäfte machen dicht.“ Tatsächlich: Vor der amerikanischen Outlet-Kette TK Maxx stehen die Leute oft Schlange quer durch die Fußgängerzone. Damit passiert auch in München, was in Millionenstädten weltweit passiert: Große Ketten zahlen horrende Mieten für ihre Flagship-Shops in Vorzeige-Lage – und die kleinen, angestammten Läden haben keine Chance…
Kaum einer hat es wohl bemerkt: Ein Münchner Traditionsgeschäft hat nach 112 Jahren schon im Januar dauerhaft geschlossen
Das Drama der Münchner Innenstadt: Es zeigt sich nicht nur an den geschlossenen Geschäften, sondern auch an der Statistik. Konkret: Während Corona hat die Zahl der Passanten massiv abgenommen.
Eine Analyse von Hystreet zeigt: Aus normalerweise 522.000 Besuchern pro Woche in der Kaufinger Straße wurden zum Höhepunkt der Pandemie nur noch 31.000 – das sind 6 Prozent! Der Trend dreht sich zwar wieder, die alten Werte waren aber Ende Mai/Anfang Juni noch nicht wieder erreicht. Da flanierten in der Kaufingerstraße rund 346.000 Leute pro Woche.
Auch das städtische Referat für Arbeit und Wirtschaft stellte zuletzt in einer Stadtrats-Vorlage fest: „Die Zahl der Filialisten insbesondere auch in der Innenstadt nimmt zu und damit die Vielfalt des Einzelhandels und die Attraktivität der Innenstadt ab…“
Trotzdem gibt’s auch Raum für Optimismus. Wolfgang Fischer von der Vereinigung der Innenstadt-Händler sagt zum Beispiel: „Das wahre Leben gibt’s nur in der Innstadt. Das kann nicht digitalisiert werden…“ Trotzdem muss einiges zusammenkommen, damit der Spaziergang im Jahr 2031 wieder an lebendigen Schaufenstern von echten Münchner Läden vorbeiführt – vor allem bezahlbare Mieten…
Die bayerischen Innenstädte nach der Corona-Krise wieder aufmöbeln: Dabei soll ein Sonderfonds helfen – Geld von der Stadt und vom Freistaat. Das Förderangebot soll zum Beispiel dabei helfen, neue Ideen umzusetzen. Zum Beispiel die Zwischennutzung von leerstehenden Immobilien des Einzelhandels. Auch Pflanzen für die Fußgängerzonen oder mehr Sitzmöglichkeiten könnte man sich vorstellen. Der Stadtrat hat dem Plan Anfang Juni zugestimmt – aus dem Fonds wollen die Verantwortlichen in München mehrere Einzelprojekte für insgesamt 10,5 Millionen Euro finanzieren. Außerdem ist auch ein City-Gipfel angedacht. Da sollen sich Einzelhändler, Wirte, Hoteliers und Künstler mit Politikern zusammensetzen. Gemeinsam wollen sie dann kreative Konzepte für die Zukunft der Innenstadt entwickeln. Die Corona-Zahlen jedenfalls entwickeln sich aktuell in München positiv. L. Billina, P. Plesch *tz.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA
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