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Tod auf Raten? Münchner Gastronomen nach spektakulärer Aktion verzweifelt: „Warum dürfen wir nicht zumindest ...“

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Von: Klaus Vick

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Iris Ghiai vom Cafe Zimt und Koriander beteiligte sich an der spektakulären Protestaktion.
Iris Ghiai vom Cafe Zimt und Koriander beteiligte sich an der spektakulären Protestaktion. © Oliver Bodmer

Wann dürfen Lokale zumindest schrittweise wieder öffnen? Die Gastronomie vermisst eine Perspektive. Am Odeonsplatz haben Münchner Wirte am Freitag protestiert. Viele stehen vor dem Ruin.

München - Die Stühle bleiben leer. Hunderte stehen aneinandergereiht am Platz vor der Theatinerkirche. Auf den Lehnen sind Plakate zu lesen wie „Die Gastro muss auf die Intensivstation“ oder „Gastronomie ist auch systemrelevant“. Man sieht die Namen zahlreicher Lokale. Und mittendrin prangt ein vereinsamtes Bett vor der Feldherrnhalle.

Gut 500 Münchner Wirte haben am Freitag ihrem Ärger Luft gemacht. Physisch anwesend waren allerdings nur 25, weil aufgrund der Corona-Abstandsregeln nicht mehr an der Demo teilnehmen durften. Die Aktion fand zeitgleich in 41 deutschen Städten statt. Allen Gastronomen ist ein Anliegen gemein: Sie vermissen vonseiten der Politik eine Öffnungsperspektive für ihre Branche. Viele tragen an diesem Freitag gelbe T-Shirts mit der Aufschrift „Save our Local Gastro – das letzte Hemd hat keine Taschen“.

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Auch Christian Schottenhamel ist gekommen, Wiesn-Wirt und Betreiber der Gaststätte am Nockherberg. Er sagt: „Die leeren Stühle sind ein Symbol für die Gäste, die wir vermissen.“ Als Vorsitzender der Münchner Kreisgruppe des Deutschen-Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga weiß er, wo seine Kollegen der Schuh drückt. Kredite seien in der jetzigen Situation „ein Tod auf Raten“. Man benötige Soforthilfen. Schottenhamel: „Viele kleine Gastronomen haben Existenzängste.“ 

So sah der Odeonsplatz am Freitganachmittag aus.
So sah der Odeonsplatz am Freitganachmittag aus. © Oliver Bodmer

Der Dehoga-Chef wünscht sich eine Perspektive für die Branche: „Wir mussten als Erste unsere Läden schließen und haben noch immer keine Aussicht auf Wiedereröffnung.“ Die Reduzierung der Mehrwertsteuer sei zwar ein guter Ansatz, gelte aber leider nur für Speisen. „Das bringt Bars und Clubs wenig.“ Schottenhamels 123 Mitarbeiter befinden sich derzeit allesamt in Kurzarbeit. Zumindest die Freiluftgastronomie sollte nach seinem Dafürhalten im Mai wieder möglich sein.

Ab Montag, 27. April, gilt die Maskenpflicht auch in München – in Supermärkten, Geschäften und im Öffentlichen Nahverkehr müssen Mund und Nase verdeckt sein.

Coronavirus sorgt für existenzbedrohende Situation: Gastronomen „besetzen“ Münchner Odeonsplatz

In München gibt es etwa 5.800 Lokale, wohl 100.000 Menschen leben hier von der Gastronomie. Marc Übelherr ist einer der großen Player in der Stadt. Er ist Mitglied im Leaders Club Deutschland, der zusammen mit der Dehoga den bundesweiten Protest organisiert hat. Übelherr führt mit vier Partnern eine Gastronomiegruppe, der zwölf Lokale angehören, in München unter anderem das „Oh Julia“ und das einst legendäre „Zoozies“, heute „Fugazi No 15“. 

Der Wirt sagt, er habe Respekt vor den Entscheidungen der Politik. Dennoch: Wenn nicht bald Perspektiven aufgezeigt würden, werde es ein Wirtesterben geben. Schon im Juni, wie Übelherr befürchtet. Denn: „Wir haben weder ein Datum noch praktische Lösungsvorschläge.“ Der 48-Jährige wünscht sich, dass die Politik den Dialog mit der Branche aufnimmt. Es gehe nicht darum, auf einen Schlag sieben Tage pro Woche zu öffnen, sondern Schritt für Schritt Konzepte zu entwickeln.

„Warum dürfen wir nicht zumindest im Freien aufmachen?“

Das Café Zimt und Koriander in der Lerchenau ist ein kleiner Familienbetrieb, 30 Plätze im Innenbereich, 50 im Freien. „Wir kämpfen massiv ums Überleben“, sagt Betreiberin Iris Ghiai. Sie fragt sich: „Warum dürfen wir nicht zumindest im Freien mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand zwischen den Tischen aufmachen?“ Leonie von Carnap betreibt mit Klaus Rainer die Goldene Bar im Haus der Kunst und das Wabisabi. Ihr Personal – rund 50 Leute – befindet sich in Kurzarbeit. Wie sie die Lage in der Branche beschreibt? „Verzweifelt.“ Die Politik solle sich auch mal mit den Gastronomen unterhalten. „Sie reden ja auch täglich mit den Virologen.“

Noch aussichtsloser ist die Perspektive für Club-Betreiber wie David Süß. Im „Harry Klein“ wird getanzt und gefeiert. Körperkontakt lässt sich hier nicht vermeiden. Wenn der Laden voll ist, tummeln sich 300 Menschen in der Disco. Die aktuelle Situation beschreibt er als „katastrophal“. Kurzarbeit hat Süß für seinen Betrieb bereits bis Dezember genehmigt bekommen. 

David Süß betreibt den Club „Harry Klein“.
David Süß betreibt den Club „Harry Klein“. © Oliver Bodmer

Im Jahr 2020 rechnet er nicht mehr mit einer Wiedereröffnung. „Existenzbedrohend ist dieser Zustand für alle Club-Betreiber“, sagt Süß und fügt an: „Im schlimmsten Falle türmt sich ein Schuldenberg auf, der nie wieder abzutragen ist.“

Klaus Vick

Die Corona-Krise schränkt uns trotz schönstem Wetter merklich ein. Da stellt sich auch die Frage: Darf in diesem Jahr überhaupt öffentlich gebadet werden?

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