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Herbe Kritik an zweiter Stammstrecke: Vergleiche mit Nordkorea und Stuttgart 21

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Von: Martina Williams, Bettina Stuhlweißenburg

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Die Grafik zeigt, wie die 2. Stammstrecke (rot) verlaufen soll. Daneben in Grün die existierende Stammstrecke.
Die Grafik zeigt, wie die 2. Stammstrecke (rot) verlaufen soll. Daneben in Grün die existierende Stammstrecke. © fkn

Die Planänderung bei der 2. Stammstrecke sorgt im Stadtrat für Unruhe. Die Politiker befürchten, dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Obendrein könnte ein anderes Projekt betroffen sein: der Bau der U9.

München - Johann Sauerer drückt sich diplomatisch aus. „Ich bin sehr überrascht über die Ankündigung der Bahn, die Haltestelle am Hauptbahnhof nicht wie geplant verwirklichen zu können“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der CSU im Stadtrat. „Ich hoffe, dass meine Überraschung nicht in Ärger umschlägt, wenn herauskommt, dass die Deutsche Bahn nicht sauber gearbeitet hat!“

Die Rede ist von der 41 Meter tiefen Haltestelle am Hauptbahnhof. Wie berichtet kann das ambitionierte Bauwerk nicht wie geplant errichtet werden, weil die Deutsche Bahn kein Unternehmen findet, das den Koloss aus Stahl und Beton bauen würde. Schließlich ist es eine enorme Herausforderung, die darüber liegenden U-Bahn-Linien U1 und U2 während der Bauarbeiten zu stabilisieren. Sauerer findet das befremdlich. „Wir waren fest der Meinung, dass das Projekt gut am Laufen ist. Dass man jetzt für ein solches Prestigeprojekt keine Baufirma findet, verwundert mich doch sehr.“

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Jens Röver (SPD): „Wir werden uns das sehr genau anschauen.“
Jens Röver (SPD): „Wir werden uns das sehr genau anschauen.“ © fkn

Bau der neuen Haltestelle wohl teurer als geplant

Offenbar scheitert die Vergabe an den Kosten. Denn der Bau scheint teurer zu sein, als die Bahn zunächst errechnet hat - auch wenn die Bahn das am Mittwoch nur andeutete. „Wir sind dabei, den Bau der Station so zu optimieren, dass sie kompakter und mit vereinfachter Bauweise gebaut werden kann“, teilte eine Sprecherin mit. Dies diene einer wirtschaftlicheren Bauweise und trage dazu bei, Zeit und Kosten zu optimieren.

Die Grünen, erklärte Gegner des Projekts, argwöhnen, es drohe nun ein „München 21“. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Martin Runge zum Beispiel sagt: „Die Kosten laufen völlig aus dem Ruder!“ Bei Planungsbeginn im Jahr 2001 sei man noch von 500 Millionen Euro Kosten ausgegangen. Inzwischen sei man bei 3,8 Milliarden gelandet. „Und jetzt scheint auch das nicht zu reichen“, sagt Runge. Gleiches gelte für den Zeitplan. „Die Stammstrecke sollte ursprünglich 2010 fertig sein. Nun ist fraglich, ob 2026 überhaupt eingehalten werden kann.“ Runge empfiehlt, die zweite Stammstrecke zu beerdigen. Um der steigenden Kosten Herr zu werden, seien ständig neue Abstriche gemacht worden. Drei geplante Haltestellen seien verschwunden, Arnulfpark, Maxmonument und Max-Weber-Platz. „Und jetzt entfällt auch noch der Zugang zum Stachus!“

In unserem News-Ticker halten wir Sie über alle Beeinträchtigungen auf der S- und U-Bahn-Strecke auf dem Laufenden.

Paul Bickelbacher (Grüne): „Die Bürger wurden an der Nase herumgeführt.“
Paul Bickelbacher (Grüne): „Die Bürger wurden an der Nase herumgeführt.“ © fkn

Grünen-Politiker empfiehlt Ring-System

Sein Partei-Kollege im Stadtrat, Paul Bickelbacher meint, es gebe ohnehin bessere Alternativen: „Ein Ring-System würde die Verkehrsprobleme besser lösen als die zweite Stammstrecke.“ Er ist empört über die Deutsche Bahn. „Die Bürger wurden offenbar betrogen und an der Nase herumgeführt“, sagt er. Schließlich habe die Bahn verkündet, sie habe Angebote von Baufirmen eingeholt, um den Kostenrahmen zu ermitteln. „Dabei scheint es gar keine Angebote zu geben.“

Für die Stadt könnte die Planänderung ärgerliche Folgen haben: „Wir haben versucht, unsere eigenen Planungen, etwa bei der U9 daraufhin abzustimmen“, sagt Johann Sauerer. „Womöglich müssen wir nun auch anders planen.“ Die Kommunikation mit den Verantwortlichen sei schwierig: „Die Deutsche Bahn schirmt sich ab wie Nordkorea.“

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Johann Sauerer (CSU): „Die Bahn schirmt sich ab wie Nordkorea.“
Johann Sauerer (CSU): „Die Bahn schirmt sich ab wie Nordkorea.“ © fkn

Fragen nach Planungen für U9

Auch der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Jens Röver, ist verärgert. „Wir werden uns das sehr genau anschauen. Wir wollen wissen: Inwieweit sind die Planungen für die U9 betroffen? Und es geht um die Frage: Was verschiebt sich an der Oberfläche?“ Dass der Fußgängerzugang von der zweiten Stammstrecke zur Schützenstraße und zum Stachus entfällt, sei eine deutliche Verschlechterung. „Ich bin darüber alles andere als glücklich.“

Die MVG versuchte am Mittwoch, die Wogen zu glätten: „Die Deutsche Bahn berücksichtigt die geplante U9-Station in ihren Planungen und hält den Platz dafür frei“, teilte Sprecher Matthias Korte mit.

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Bettina Stuhlweissenburg und Martina Williams

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