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Wanted: Bäcker! Chef aus Oberbayern zahlt Kopfgeldjägern 2000 Euro Belohnung

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Kopfgeldjägern zahlt Bäcker Peter Sickinger 2000 Euro, wenn sie ihm eine qualifizierte Vollzeitkraft vermitteln.
Kopfgeldjägern zahlt Bäcker Peter Sickinger 2000 Euro, wenn sie ihm eine qualifizierte Vollzeitkraft vermitteln. © Astrid Schmidhuber

Bäcker Peter Sickinger sucht verzweifelt qualifiziertes Personal. Jetzt wirbt er mit einer ungewöhnlichen Aktion um neue Kollegen. Und auch die Imbiss-Kette Yorma‘s geht neue Wege.

Lochham – Peter Sickinger junior (34) hat vor zwei Jahren den Betrieb von seinem Vater übernommen. Der hatte ihn fast 40 Jahre lang geführt, zuvor einst von seinen Eltern übernommen. Eine Bäckerei und Konditorei, die heute Filialen in Lochham, Gräfelfing, Planegg, Martinsried, Krailling und Gauting hat.

Bäckerei Sickinger: 15 Stellen sind offen - „So dramatisch wie noch nie“

Über sein Handwerk sagt Sickinger, es ist das schönste der Welt. Doch Sickinger hat ein Problem. Er findet keine Mitarbeiter. 100 Angestellte hat er – rund 15 Stellen sind offen. Acht im Verkauf, drei in der Konditorei, der Rest sind Jobs wie Ausfahrer oder Spülkraft. „Der Personalnotstand ist so dramatisch wie noch nie in der Geschichte des Betriebs“, sagt er.

Es kommt einfach nichts nach. Qualifiziertes Personal schon drei Mal nicht.

Peter Sickinger

Vor gut zwei Wochen hat er deshalb eine ungewöhnliche Aktion gestartet. Vor jede seiner Filialen hat Sickinger ein Schild gehängt. Darauf steht, dass er 2000 Euro Prämie bezahlt für die Vermittlung einer qualifizierten Arbeitskraft, die bei ihm Vollzeit arbeiten will. „Kopfgeldjäger“ steht auf dem Plakat.

„Wir wollen die Menschen ermuntern, die Bürgergeld beziehen, denen aber daheim die Decke auf den Kopf fällt“, sagt Sickinger und die Kritik am Bürgergeld ist kaum zu überhören. Es fehle der Anreiz zu arbeiten, findet er.

Sickinger sagt: Vollzeitstellen sind unbeliebt - „Niemand will mehr so viel arbeiten“

Früher, sagt er, haben in den Betrieben zu 90 Prozent gelernte Bäckereifachverkäuferinnen gearbeitet. Die Zeiten sind längst vorbei: „Heute lernen wir nur noch Leute an, aber das fundierte Hintergrundwissen fehlt natürlich.“ Das sei aber in einem Betrieb, das seine hochwertigen Produkte zu einem gewissen Preis verkauft, ein Problem: „Der Kunde erwartet zurecht eine fachkundige Beratung.“

Von einem Hilfsarbeiter aus Afghanistan oder Syrien könne man das nicht erwarten, auch wenn diese Mitarbeiter im Verkauf oftmals sehr motiviert seien. „Es kommt einfach nichts nach, qualifiziertes Personal schon drei Mal nicht“, sagt Sickinger. Und Vollzeitstellen seien besonders unbeliebt – „niemand will mehr so viel arbeiten“.

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30 Euro pro Stunde: Yorma’s wirbt auf Plakat mit satten Zuschlägen

München – Wer an der Imbiss-Filiale von Yorma‘s am Holzkirchener Flügelbahnhof in München vorbeikommt, trifft auf ein verlockendes Angebot. Denn: Bis zu 30 Euro pro Stunde können Mitarbeiter dort an Feiertagen verdienen! Damit wirbt die Kette aktuell mit einem Plakat. Das macht bei einer Acht-Stunden-Schicht satte 240 Euro brutto!

Am Holzkirchener Flügelbahnhof hängt es: Das Plakat, mit dem die Kette Yorma‘s um neue Kollegen wirbt. Der Verdienst mit Zuschlägen wird darin detailliert aufgeschlüsselt.
Am Holzkirchener Flügelbahnhof hängt es: Das Plakat, mit dem die Kette Yorma‘s um neue Kollegen wirbt. Der Verdienst mit Zuschlägen wird darin detailliert aufgeschlüsselt. © Christandl

Was hat es damit auf sich? Wirbt Yorma‘s so verzweifelt um Personal? Unsere Zeitung hat nachgefragt. „Wir haben 1200 Mitarbeiter - so viele, wie vor der Pandemie“, sagt Sprecherin Tamara Eberl. Viele Unternehmen schließen wegen akutem Personalmangel früher oder machen ganz dicht. „Wir spüren keine Not - aber wir können noch neue Mitarbeiter einstellen“, erklärt sie.

Gerade Springer, die deutschlandweit in neuen Filialen oder bei Krankheitsfällen aushelfen, seien seit vielen Jahren ein wichtiger Teil des Teams. Und es würden sich auch neue Kollegen bewerben, sagt Eberl. Der Personalmangel auf dem Arbeitsmarkt sei dennoch spürbar. Auch deshalb haben sie und ihr Team die Plakate entwickelt. Die Sprecherin sagt: Manche können sich nicht vorstellen, wie viel Lohn mit Sonn- und Feiertags-Zuschlägen insgesamt zusammenkommt. Die Plakate sollen das verdeutlichen - und so neue potenzielle Kollegen anlocken.

Seit 2021 steigen neue Mitarbeiter bei Yorma‘s mit 13 Euro pro Stunde ein, so Eberl. Mit der Zeit können sie - je nach Erfahrung - bis zu 15 Euro verdienen. Für Überstunden oder Nachtschichten gibt es 25 Prozent Zuschlag. Sonntags sind 50 Prozent drin - macht also 19,50 bis 22,50 Euro. Und feiertags gibt es durch 100 Prozent Zuschlag bis zu 30 Euro pro Stunde. Dazu kommen für die begehrten Springer noch Spesen und Reise-Rabatt.   

Bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern ist das Problem Personalmangel nicht neu. Kammereigene Daten zum Thema unbesetzte Stellen im Bäckerhandwerk gibt es zwar nicht, doch ein Sprecher verweist auf die Zahlen der Agentur für Arbeit: Von 2018 bis 2022 sank die Zahl der Beschäftigten in Bayerns Bäckereien um 6,2 Prozent.

Sie werden keinen größeren Betrieb finden, der keinen Personalmangel hat.

Stephan Kopp (Landes-Innungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk)

Zehn Prozent der Handwerksbäckereien haben aufgegeben

Das ist schon relativ deutlich – aber noch wenig im Vergleich zum Rückgang bei den Auszubildenden. Um 33 Prozent ist zum Beispiel die Zahl der Auszubildenden im Fachverkauf zurückgegangen. Mit 28,1 Prozent ähnlich hoch ist der Rückgang bei den Bäckerlehrlingen. Und: Jede zehnte bayerische Handwerksbäckerei hat in den fünf Jahren von 2018 bis 2022 ganz aufgehört.

Auch der Landes-Innungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk, der 1300 Betriebe vertritt, ist alarmiert. Geschäftsführer Stephan Kopp sagt: „Sie werden keinen größeren Betrieb finden, der keinen Personalmangel hat.“ Vor allem im Verkauf. Den Trend gebe es seit längerem, seit Corona habe sich die Lage dramatisch zugespitzt. Was dazukommt, so Kopp, sind die hohen Energiepreise. „Es ist zu befürchten, dass viele Betriebe über kurz oder lang zumachen werden.“

Bäcker in Oberbayern: Ein Bewerber meldete sich - kam aber nicht zum Gespräch

Peter Sickingers Betrieb hält sich seinen Angaben zufolge gerade so über Wasser. Aber erste Auswirkungen spüren auch die Kunden: Vor kurzem musste die Sickinger-Filiale in Martinsried für zwei Wochen zumachen. Nun also die Aktion mit der Prämie. Gebracht hat sie bislang aber noch nicht viel. Oder eher nichts. „Ein Bewerber hat sich gemeldet“, sagt Sickinger. Zum Bewerbungsgespräch kam der Mann aber dann doch nicht.

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