„Der Patient hatte großes Glück, dass er überlebt hat“, sagt der Leiter des OP-Teams, Professor Chlodwig Kirchhoff, der tz. Allerdings hätte die Bombe dem Bauarbeiter fast den Unterschenkel abgerissen, er drohte zu verbluten. „Jemand hat auf mich eingeredet und versucht mich zu beruhigen.“ Mit dem Rettungshubschrauber wurde Müller ins Klinikum geflogen.
Müller schwebte in Lebensgefahr, die Arterie war gerissen. Im Operationsaal mussten die Spezialisten Präzisionsarbeit leisten. „Der Unterschenkel war völlig zerfetzt“, berichtet Unfallchirurg Kirchhoff. „Als Laie kann man sich das so ähnlich vorstellen wie bei einem Puzzle. Wir mussten zunächst etliche Gewebeteile und Knochensplitter sortieren sowie Gewebe entfernen, das nicht zu retten war.“
Am Freitag kommt Müller erneut unters Messer. Die Chancen, dass der Bauarbeiter sein Bein behalten kann, stehen gut, allerdings ist die kritische Phase noch nicht überstanden. „Wir hoffen, dass bei dem Unfall nicht zu viele Bakterien ins Gewebe gelangt sind. Sie können eine Infektion verursachen. Die Gefahr ist in der ersten Woche nach dem Unfall am Größten“, berichtet Unfallchirurg Kirchhoff. Wenn alles gut geht, kann Müller möglicherweise in etwa einem halben Jahr wieder laufen. Sogar Sport könnte dann wieder möglich sein.
Der 62-Jährige glaubt fest daran, dass er wieder auf die Beine kommt: „Ich bin ein positiver Mensch und gebe nie auf.“ Seine drei erwachsenen Kinder sind geschockt und erleichtert zugleich. „Gerade meine jüngste Tochter – sie macht sich immer Sorgen um mich“, erzählt Müller. „Sie kommt mich jeden Sonntag besuchen. Wir konnten schon telefonieren. Ich hoffe, sie darf bald zu mir.“
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Am Tag eins nach der schweren Explosion in München* ist klar: Hier ist eine amerikanische Fliegerbombe detoniert, die wohl in den Kriegsjahren 1943/44 abgeworfen worden war. Sie wog 250 Kilogramm und enthielt 110 Kilogramm TNT. Der Sprengstoff war von einer Stahlhülle ummantelt, die es bei der Explosion zerfetzte. Die Folge: Scharfkantige Splitter wurden mit bis zu 7000 Metern pro Sekunde durch die Luft geschleudert. „Man kann sich vorstellen, welche Sprengkraft diese Bombe hat“, sagt Robert Bastian (49).
Der Chef des Polizei-Kommissariats* 13 leitet die Ermittlungen. Er muss klären, warum die Abläufe auf der Baustelle nicht derart „sachgerecht durchgeführt“ wurden, wie es hätte sein müssen. Menschliches Versagen – dieser Verdacht steht im Raum. Denn: Es ist bekannt, dass im Zweiten Weltkrieg viele Bomben entlang der Zugstrecke abgeworfen worden waren. Großbaustellen wie das betroffene Areal für die zweite Stammstrecke werden turnusmäßig nach Blindgängern untersucht. Warum die amerikanische Bombe nicht lokalisiert wurde, wird die zentrale Frage sein, deren Antwort auch die Staatsanwaltschaft München I interessiert.
Unklar bleibt, wann die Bauarbeiten weitergehen können. Durch die Detonation entstand ein Schaden von rund fünf Millionen Euro. Allein drei Millionen Euro kostet das Bohrgerät, das auf den Blindgänger in etwa drei Meter Tiefe gestoßen ist. Glücklicher Umstand laut Bastian: Ein Teil der Explosions-Wucht verebbte im Untergrund. Und: Viele Bauarbeiter waren gerade in der Mittagspause, als das Unglück passierte. *tz.de/muenchen ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA