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Bomben-Explosion in München: Bauarbeiter erzählt seine Geschichte - „Alles um mich herum hat’s zerrissen“

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Von: Nadja Hoffmann, Andreas Beez

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Gerettet! Franz Müller mit den Unfallchirurgen Prof. Chlodwig Kirchhoff (links) und Prof. Peter ­Biberthaler.
Gerettet! Franz Müller mit den Unfallchirurgen Prof. Chlodwig Kirchhoff (links) und Prof. Peter ­Biberthaler. © Privat

Ein paar Meter trennten einen Bauarbeiter in München vom Tod. Bei der Explosion einer Weltkriegsbombe auf einer Baustelle wurde er schwer verletzt.

München - Er sah dem Tod ins Auge, überlebte nur durch Zufall und eine medizinische Meisterleistung: Franz Müller (Name geändert) flog mit der Bombe an der Donnersberger Brücke* in die Luft. „Danach bin ich auf dem Boden aufgeschlagen. Alles um mich herum hat’s zerrissen. Überall lagen Trümmer und verbogene Eisenrohre. Ich hatte furchtbare Schmerzen in meinem Bein und sah gleich, dass es völlig zerfetzt war“, erinnert sich der Bauarbeiter. Im Uniklinikum rechts der Isar gelang es einem fachübergreifenden Ärzte-Team aus circa zwölf Spezialisten, sein Leben zu retten, die Not-Operationen dauerte vier Stunden. Jetzt kämpfen die Unfallchirurgen um sein Bein. Am Freitag (3. Dezember) wird er erneut operiert. In der tz erzählt der dreifache Familienvater, wie die Katastrophe genau passiert ist.

Bomben-Explosion in München: Wenige Schritte lagen zwischen Leben und Tod

Sie geschah am Mittwoch um 12.10 Uhr auf der Bahn-Großbaustelle entlang der Gleise zwischen Hauptbahnhof* und Laim*, etwa 200 Meter nach der Donnersberger Brücke: Müller und seine Kollegen von einer Tiefbaufirma wollen einen Bohrpfahl setzen. Er soll 25 Meter tief in die Erde getrieben werden. Während der Baggerfahrer sein Gefährt in die genaue Position manövriert, trifft Müller letzte Vorbereitungen. Mit einer Präzisionswasserwaage nimmt der erfahrene Tiefbauer Messungen vor, überprüft die exakte Lage der Bohrschablone. Dann gibt er dem Maschinisten das Signal zum Loslegen. Müller geht ein paar Schritte vom Bohrloch weg. Wahrscheinlich haben ihm diese wenigen Meter Abstand das Leben gerettet. Wäre er direkt am Bohrloch gestanden, hätte der Bauarbeiter vermutlich keine Chance gehabt.

In etwa zwei bis drei Meter Metern Tiefe traf der Bohrarm auf die Bombe. Sie entlud sich mit der Sprengkraft von 110 Kilo TNT. „Es gab einen gewaltigen Knall. Die Druckwelle erfasste mich und riss mich um.“ Müller landete neben einem großen Bombenkrater. „Er war etwa zwei Meter tief, vielleicht sechs Meter lang und etwa drei Meter breit“, schätzt der 61-Jährige.
„Der Patient hatte großes Glück, dass er überlebt hat“, sagt der Leiter des OP-Teams, Professor Chlodwig Kirchhoff, der tz. Allerdings hätte die Bombe dem Bauarbeiter fast den Unterschenkel abgerissen, er drohte zu verbluten. „Jemand hat auf mich eingeredet und versucht mich zu beruhigen.“ Mit dem Rettungshubschrauber wurde Müller ins Klinikum geflogen.

Bomben-Explosion in München: Not-Operation glich einem Puzzle

Müller schwebte in Lebensgefahr, die Arterie war gerissen. Im Operationsaal mussten die Spezialisten Präzisionsarbeit leisten. „Der Unterschenkel war völlig zerfetzt“, berichtet Unfallchirurg Kirchhoff. „Als Laie kann man sich das so ähnlich vorstellen wie bei einem Puzzle. Wir mussten zunächst etliche Gewebeteile und Knochensplitter sortieren sowie Gewebe entfernen, das nicht zu retten war.“

Zahlreiche Einsatzkräfte waren schnell vor Ort, als auf einer Baustelle in München eine Weltkriegsbombe explodierte.
Zahlreiche Einsatzkräfte waren schnell vor Ort, als auf einer Baustelle in München eine Weltkriegsbombe explodierte. © Sven Hoppe/dpa

Am Freitag kommt Müller erneut unters Messer. Die Chancen, dass der Bauarbeiter sein Bein behalten kann, stehen gut, allerdings ist die kritische Phase noch nicht überstanden. „Wir hoffen, dass bei dem Unfall nicht zu viele Bakterien ins Gewebe gelangt sind. Sie können eine Infektion verursachen. Die Gefahr ist in der ersten Woche nach dem Unfall am Größten“, berichtet Unfallchirurg Kirchhoff. Wenn alles gut geht, kann Müller möglicherweise in etwa einem halben Jahr wieder laufen. Sogar Sport könnte dann wieder möglich sein.

Der 62-Jährige glaubt fest daran, dass er wieder auf die Beine kommt: „Ich bin ein positiver Mensch und gebe nie auf.“ Seine drei erwachsenen Kinder sind geschockt und erleichtert zugleich. „Gerade meine jüngste Tochter – sie macht sich immer Sorgen um mich“, erzählt Müller. „Sie kommt mich jeden Sonntag besuchen. Wir konnten schon telefonieren. Ich hoffe, sie darf bald zu mir.“

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Video: Innenminister Herrmann besuchte die Unfallstelle

Bomben-Explosion in München: Der Blindgänger wog 250 Kilogramm, davon waren 110 kg TNT

Am Tag eins nach der schweren Explosion in München* ist klar: Hier ist eine amerikanische Fliegerbombe detoniert, die wohl in den Kriegsjahren 1943/44 abgeworfen worden war. Sie wog 250 Kilogramm und enthielt 110 Kilogramm TNT. Der Sprengstoff war von einer Stahlhülle ummantelt, die es bei der Explosion zerfetzte. Die Folge: Scharfkantige Splitter wurden mit bis zu 7000 Metern pro Sekunde durch die Luft geschleudert. „Man kann sich vorstellen, welche Sprengkraft diese Bombe hat“, sagt Robert Bastian (49).

Das sind die Überreste des Blindgängers aus München.
Das sind die Überreste des Blindgängers aus München. © Matthias Balk/dpa

Der Chef des Polizei-Kommissariats* 13 leitet die Ermittlungen. Er muss klären, warum die Abläufe auf der Baustelle nicht derart „sachgerecht durchgeführt“ wurden, wie es hätte sein müssen. Menschliches Versagen – dieser Verdacht steht im Raum. Denn: Es ist bekannt, dass im Zweiten Weltkrieg viele Bomben entlang der Zugstrecke abgeworfen worden waren. Großbaustellen wie das betroffene Areal für die zweite Stammstrecke werden turnusmäßig nach Blindgängern untersucht. Warum die amerikanische Bombe nicht lokalisiert wurde, wird die zentrale Frage sein, deren Antwort auch die Staatsanwaltschaft München I interessiert.

Unklar bleibt, wann die Bauarbeiten weitergehen können. Durch die Detonation entstand ein Schaden von rund fünf Millionen Euro. Allein drei Millionen Euro kostet das Bohrgerät, das auf den Blindgänger in etwa drei Meter Tiefe gestoßen ist. Glücklicher Umstand laut Bastian: Ein Teil der Explosions-Wucht verebbte im Untergrund. Und: Viele Bauarbeiter waren gerade in der Mittagspause, als das Unglück passierte. *tz.de/muenchen ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA

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