Die Maskenpflicht für Innenräume wird dennoch wieder diskutiert.
Streeck: Es gibt ja auch Argumente, die dafür sprechen. Zum Beispiel, dass sie gut wirken, wenn sie richtig getragen werden. Dazu kommt auch ein psychologischer Effekt: Uns wird durch das Tragen der Maske bewusst, dass die Pandemie weiterhin da ist und dass man weiter aufpassen muss.
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Was bedeutet es für Herbst und Winter, wenn sich aktuell viele Menschen infizieren: Könnte die nächste Welle milder verlaufen?
Streeck: Aktuell ist schwer vorherzusagen, wie Herbst und Winter aussehen werden. Wir müssen uns auf verschiedene Szenarien vorbereiten – dazu hat der Expertenrat ja auch Vorschläge gemacht. Problematisch ist auch die Influenza. Weil wir drei Jahre kaum Kontakt zu Grippeviren hatten, ist die Immunität in der Bevölkerung gering. In Australien und Neuseeland beobachten wir derzeit vermehrt Grippe-Infektionen. Deswegen empfiehlt sich im Herbst auf jeden Fall auch eine Grippeimpfung.
Sie wurden beauftragt, in einer Studie zu klären, wie gut die Bevölkerung gegen Corona immunisiert ist. Wie gehen Sie vor?
Streeck: Wir wollen erfassen, wie viele Menschen geimpft und genesen und somit durch Antikörper im Blut besser vor einem schweren Verlauf geschützt sind – wohlgemerkt nicht vor einer Infektion. Wir wollen Impflücken identifizieren, damit man eine Impfkampagne gezielter anlegen kann. Dazu führen wir in repräsentativen Stichproben Antikörper-Tests und Befragungen durch. Insgesamt sind knapp 30.000 Personen an der Studie beteiligt. Die Zeit ist knapp, aber das Ziel sind brauchbare Daten vor dem Herbst.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach spricht sich für eine neue Impfkampagne aus. Halten Sie eine vierte Impfung für eine breite Bevölkerungsgruppe für sinnvoll?
Streeck: Ich bin da auf der Seite der Ständigen Impfkommission. Die machen sich sehr genau und gewissenhaft Gedanken und können auch Daten einsehen, die noch nicht öffentlich vorliegen. Persönlich halte ich mit den derzeitigen Daten eine vierte Impfung vor allem für ältere Menschen und Risikogruppen für den Herbst und Winter für wichtig. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Stiko dann auch Menschen ab 60 Jahren – ähnlich wie bei der Grippe – zu einer Impfung rät.
Welche Hoffnungen setzen Sie in die angekündigten angepassten Impfstoffe?
Streeck: Erste Daten deuten darauf hin, dass diese Impfstoffe die Erwartungen noch nicht ganz erfüllen könnten. Die Immunität verbreitert sich wohl nicht so stark wie erhofft – vor allem bei der derzeit dominanten Omikron-Variante BA.5. Klinische Studien fehlen aber noch, dann kann das auch wieder anders aussehen. So ist das in der Wissenschaft.
Halten Sie es für vertretbar, Großveranstaltungen wie das Oktoberfest durchzuführen?
Streeck: Natürlich bergen Großveranstaltungen wie das Oktoberfest oder Fußballspiele immer die Gefahr eines Superspreading-Events. Auch vor Corona kannte jeder, der auf das Oktoberfest gegangen ist, die Wiesn-Grippe. Jetzt könnte es Corona sein. Deswegen muss man sich als Besucher überlegen, ob man dieses Risiko eingehen will. Wenn ja, ist anzuraten, das mit einer Dreifachimpfung zu tun. Klar ist: Eine Überlastung des Gesundheitswesens muss vermieden werden.
Was raten Sie der Politik?
Streeck: Man kann darüber nachdenken, den Zugang nur mit tagesaktuellem Test zu erlauben, wenn es die Lage erfordert. Sie sehen: Ich drücke mich vor einer klaren Antwort. Weil sehr viel Abwägung nötig sein wird – auch in Absprache mit den lokalen Krankenhäusern. Und es geht darum, wie sehr wir als Gesellschaft die Eigenverantwortung an erster Stelle sehen oder wie sehr wir ein Eingreifen des Staates wollen, der diese Verantwortung übernimmt. Keine leichte Übung!
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