Vielleicht klingelt es auch bei Ihnen: Blutproben für große Corona-Studie gesucht
Ab Sonntag werden Mediziner bei Münchnern klingeln und sie um eine Blutprobe bitten - denn München wird Zentrum einer großen Corona-Studie.
- Ab Sonntag (4.4.) wird München zum Testgebiet für die Forschung an Corona*.
- An 3000 zufällig ausgewählten Münchnern untersucht man, wie sich das Coronavirus verbreitet.
- Alles, was dafür nötig ist, sind Blutproben.
München – Es ist die große Unbekannte: Viele Infizierte spüren trotz einer Infektion keine Symptome, sagt Professor Michael Hoelscher, Leiter der Abteilung Infektions- und Tropenmedizin am Klinikum der Universität München. Daher sei davon auszugehen, dass es inzwischen eine erhebliche Dunkelziffer an Corona-Infektionen gebe – Schätzungen gingen von zwischen eins und zehn Prozent der Bevölkerung aus. Deshalb wollen Hoelscher und seine Kollegen in München nun das Geheimnis des Virus im großen Stil erforschen.
„Es ist nicht klar, wie weit sich das Virus schon verbreitet hat“, sagt Hoelscher. Die Test-Personen werden in den nächsten vier Wochen stichprobenartig ausgewählt. Sie müssen drei Milliliter Blut abgeben – „das entspricht einem Teelöfel“, so Hoelscher.
Corona-Test in München: Stichprobenartige Auswahl
Die Test-Teams sind in nach statistischen Kriterien ausgewählten Stadtteilen unterwegs und werden in einem ersten Schritt klingeln, um Infomaterial zu übergeben. Wer dann am eigentlichen Test teilnehmen will, soll sich selbst telefonisch melden – dann kommen Teams in Schutzkleidung, die Blut abnehmen und Interviews führen. Das Blut werde dann auf Antikörper getestet.
Da derzeit viele Scharlatane die Corona-Angst für ihre Zwecke nutzen, werden Polizeibeamte die Teams begleiten. Das soll erkennbar machen, dass die Forscher keine Betrüger sind.
Laut Markus Söder wird das Projekt in wenigen Tagen erste Ergebnisse liefern, es sei insgesamt auf ein Jahr angelegt. Die Test-Personen werden in regelmäßigen Abständen wiederholt untersucht.
Coronavirus München: Verdopplungsdauer muss auf 14 Tage steigen, wenn ...
Wie berichtet zeigen die harten bayerischen Maßnahmen inzwischen Wirkung: Söder ist klar, dass es gerade es an den Osterfeiertagen „menschlich eine große Herausforderung ist, wenn man seine Familie nicht treffen darf“. Aber: „Durchhalten lohnt sich. Die Kurve flacht leicht ab“, wiederholt der Ministerpräsident. Derzeit verdopple sich die Zahl der Infizierten in Bayern nur noch in mehr als sechs Tagen. Vor den Schulschließungen habe sich die Zahl alle 2,5 Tage verdoppelt, vor den Ausgangsbeschränkungen alle 3,8 Tage. Experten gehen davon aus, dass die Verdopplungsdauer mindestens in Richtung 14 Tage gehen muss, damit ein Kollaps des Gesundheitssystems langfristig verhindert werden kann.
„Ohne etwas zu tun, hätte das in Deutschland eine Million Menschenleben gekostet“, sagt die Münchner Virologin Prof. Ulrike Protzer. Mit den nun getroffenen Maßnahmen könne man aber davon ausgehen, dass „man diese Zahl auf deutlichst unter 100.000, hoffentlich unter 20.000 senken kann.“ Dabei sei Bayern nur neun Tage hinter der Situation in Italien.
Trotz aller Fortschritte warnt Protzer, die Direktorin des Instituts für Virologie an der TU München ist, dass „wir immer noch nicht aus einer exponentiellen Wachstumskurve heraus sind“. Deshalb müsse man Zeit gewinnen – zum einen, um die Krankenhäuser nicht zu überfordern: „Wir sehen ja in Italien, cdass dort Menschen auch an vielen anderen Erkrankungen sterben, die es ja weiterhin gibt, weil sie nicht mehr entsprechend behandelt werden können.“ Zum anderen, um Medikamente und einen Impfstoff zu entwickeln. Die Virologin wird Teil eines neuen Expertenrats aus Wissenschaftlern und praktischen Medizinern, der die Staatsregierung berät. „Letztlich geht es darum, dass wir das Virus verstehen müssen, um es besiegen zu können“, so Wissenschaftsminister Bernd Sibler.
In der Corona-Krise sollen immer mehr Menschen getestet werden. Doch es häufen sich Berichte zum Chaos wegen der Corona-Tests - zumindest in München.
Klaus Rimpel
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