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Die Hinrichtung der Autohändler

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Einer der ermordeten Autohändler wird am Mittag des 4. Dezember 1990 in Milbertshofen im Sarg herausgetragen.
Einer der ermordeten Autohändler wird am Mittag des 4. Dezember 1990 in Milbertshofen im Sarg herausgetragen. © Weißfuß

München - Der alte Ford Granada pfiff aus dem letzten Loch. Darum beschlossen die türkischen Brüder, das gute Stück schnellstens zu verkaufen.

Um 11 Uhr fuhren die beiden an jenem verschneiten 4. Dezember 1990 auf das Verkaufsgelände von Auto Vito an der Moosacher Straße 33 c. Sie klopften an die Tür des Blockhauses und gingen hinein. Die Autohändler Viktor Vidovic (43) und Gerhard Marx (47) saßen an ihren Schreibtischen. Im Aschenbecher qualmte Vidovic’ Zigarette, neben Marx lag noch das angebissene Butterbrot. Doch die Augen der beiden blickten gebrochen ins Leere. Und überall war Blut. Sehr viel Blut. Viktor Vidovic und Gerhard Marx waren noch keine fünf Minuten tot. Sie wurden aus nächster Nähe erschossen. Eine Hinrichtung wie aus dem Drehbuch der Mafia – bis heute ungeklärt.

Erst gut ein Jahr zuvor hatten die Geschäftspartner ihren gemeinsamen Autohandel aufgezogen. Mit Erfolg. Denn beide waren in der Branche alte Hasen. Marx hatte bei einer Tuning-Firma jahrelang Autos aufgemotzt, Vidovic war bereits seit zehn Jahren im Münchner Gebrauchtwagenhandel aktiv gewesen; Beide allerdings hatten einen Ruf wie Donnerhall. Sie galten als „harte Hunde“ – zwei schillernde Figuren, die mehrfach Bekanntschaft mit der Justiz gemacht hatten. Marx war schon zweimal verurteilt worden wegen Versicherungsbetrugs sowie wegen gewerbsmäßig organisierten Autodiebstahls und Urkundenfälschung von Kfz-Papieren.

Auch Firmenchef Viktor Vidovic war kein unbeschriebenes Blatt mehr. Die Liste seiner Delikte reichte vom Autodiebstahl bis zum Betrug. Er lebte mit seiner schönen Frau, seinem Töchterchen (6) und seinem Sohn (1) in einem schmucken Einfamilienhaus in der Klagenfurter Straße (Ramersdorf). Seine großzügigen Einladungen waren im Freundeskreis legendär. Vidovic ging es in jeder Hinsicht gut – und das zeigte er: Stets trug er mindestens 100 000 Mark als dickes Bündel in der Hosentasche mit sich herum. An seinem Handgelenk blitzte eine mit Brillanten besetzte, goldene Rolex-Uhr, deren Wert er gegenüber Freunden mit 150 000 Euro angab. Und auf dem Hof stand sein Traumauto: ein Mercedes 500 SL.

An all den Wartburgs und Trabis, die ein Jahr nach der Wende angeboten wurden, hatten die beiden Händler wenig Interesse. Und auch die Brüder mit ihrem klapprigen Granada wären wahrscheinlich abgeblitzt. Auf dem Gelände von Auto Vito nämlich standen überwiegend teure Fahrzeuge: Prestige-Marken wie BMW oder Mercedes ab 10 000 Mark aufwärts.

Was in der Zeit von 10.50 bis 10.55 Uhr in dem Blockhaus geschah, rekonstruierte die Polizei anhand von Spuren: Die Autohändler hatten vormittags noch ein Kundengespräch geführt. Das warteten der oder die Täter offensichtlich ab. Vidovic und Marx wurden von dem Überfall total überrascht. Beide haben keinen Fluchtversuch mehr unternommen. Und auch Marx gelang es nicht mehr, nach dem Kampfmesser zu greifen, das er immer bei sich trug. Zwei Schüsse trafen ihn oberhalb der Nasenwurzel. Er war auf der Stelle tot – ebenso wie Viktor Vidovic, der von zwei Projektilen in die Schläfe und ins Schädeldach getroffen wurde. Das Werk von Auftragskillern?

Die Patronenhülsen blieben achtlos auf dem Boden liegen. Viktor Vidovic’ Geld jedoch wurde aus der Hosentasche genommen und auch die teure Rolex zog ein skrupelloser Mörder dem sterbenden Familienvater vom Handgelenk.

Die Mordkommission tippte zunächst auf Raubmord. Aufgrund des illustren Vorlebens der beiden Opfer kam jedoch auch eine tödliche Abrechnung im Autoschieber-Milieu in Frage. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, die beiden Ermordeten hätten gestohlene Luxus-Fahrzeuge nach Osteuropa verschoben. Die Mordkommission gab den Fall schließlich an ihre Kollegen für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität ab. Dort wird der ungeklärte Doppelmord auch heute noch bearbeitet.

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Bevor Viktor Vidovic in seine jugoslawische Heimat überführt wurde, nahmen über 100 Freunde am Nikolaustag auf dem Neuen Südfriedhof Abschied. Die Witwe legte einen Kranz aus dunkelroten Rosen nieder. Minutenlang streichelte und umarmte sie den schlichten Sarg und weinte so verzweifelt, dass selbst die Bestatter schluckten.

Auch um Gerhard Marx flossen viele Tränen. Er hatte bald heiraten wollen. Stattdessen musste seine Lebensgefährtin ihn nun beerdigen. Sie hat lange Zeit gebraucht, um diesen Verlust zu bewältigen. Dann erkrankte sie schwer an Krebs. Inzwischen ist auch sie gestorben.

Quelle: tz

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