Stammstrecken-Bau: Lange Liste an Problemstellen, die „so nicht einkalkuliert“ waren
Sechs Jahre nach dem Spatenstich für die zweite Stammstrecke häufen sich die bautechnischen Herausforderungen. Im Landtag standen die DB-Verantwortlichen Rede und Antwort. Es gebe Probleme, „die wir so nicht einkalkuliert hatten“, räumte der Projektchef ein.
München – Unterausschuss Zukunft Stammstrecke – so nennt sich ein Extra-Gremium des Landtags. Möglichst engmaschig wollen sich die Abgeordneten ein Bild vom Baufortschritt bei der Megaröhre machen. Am Dienstag dröselte ein Team um den DB-Projektleiter Kai Kruschinski die einzelnen Planungsabschnitte auf.

■ Oberirdisch West : Bei Laim sind die Bauarbeiten am weitesten fortgeschritten und auch unproblematisch. Im Herbst soll endlich das neue Gleis 1 am Bahnhof in Betrieb genommen werden. Mitte 2026 soll der Bau von Überwerfungsbauwerken unweit des Bahnhofs Laim fertiggestellt sein.
■ Hauptbahnhof und Tunnel West : Obwohl die Startbaugrube schon fast fertig ausgeschachtet ist (wir berichteten), ist der Start des Tunnelvortriebs erst für Mitte 2026 eingeplant. Warum so spät? „Wir können den Tunnelvortrieb nicht starten, bevor die Tiefstation am Hauptbahnhof fertig ist“, berichtete Jörg-Rainer Müller, Technik-Leiter beim Stammstrecken-Projekt. Der reine Vortrieb der Tunnelbaumaschinen dauert eineinhalb Jahren, gearbeitet wird dann 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche. Vor allem am Hauptbahnhof türmen sich aber die Probleme. So hat sich herausgestellt, dass die Tunnelröhren der U1/U2 eine „relativ schwache Bauweise“ mit „Minimalst-Bewehrung“ haben, wie Kuschinski sagte. Daran vorbei in die Tiefe zu graben, geht nur stückchenweise. Immer wieder gibt es unvorhergesehene weitere Widrigkeiten. Als zum Beispiel vergangenes Jahr die Straßenbahn vor dem Hauptbahnhof saniert wurde, war die Stammstrecken-Baustelle wochenlang für Baufahrzeuge nur schwer erreichbar.

Am Marienhof macht der Aushub Probleme
■ Marienhof : Derzeit ist die Baugrube 18 Meter tief, 40 Meter müssen erreicht waren. Die Baustelle läuft nach Plan, aber wegen enger Bauflächen dauert es lange. Es gibt immer nur eine 24-Stunden-Kapazität für die Zwischenlagerung des Aushubs, danach muss er mit Lkw abtransportiert werden. 2031 soll der Rohbau fertig sein.
■ Ostbahnhof, Tunnel Ost und Oberirdisch Ost: Die Pläne sind zur Genehmigung eingereicht, im Dezember 2023 könnte die Genehmigung vorliegen. Dann dauert es nach Darstellung der Bahn aber noch über ein Jahr bis zum Baubeginn im Februar 2025. Probleme macht der Rettungsschacht 7, der unweit des Landtags entstehen soll. Er wird 40 Meter tief und umfasst neun Stockwerke – quasi ein Hochhaus unter der Erde, und das direkt an der Isar. „Sehr komplex“ sei dieser Bau, sagte Technik-Chef Müller. Ebenfalls haarig: Die Verbindung der beiden getrennten S-Bahnen-Röhren mit Querschlägen. Vor dem Bau muss der Untergrund vereist werden – „hier geht Sicherheit vor Termin“, wie Kruschinski sagte. Die Tunnel-Röhren sollen erst 2033 fertig sein. Danach gibt es eine weitere Herausforderung: Die Bahntechnik kann nur von den beiden Tunnelenden eingeführt werden – nicht aber etwa vom Marienhof aus. Ein Grund: Die 120-Meter-Schienen passen nicht durch den Tiefbahnhof.
Vor den Abgeordneten rechtfertigte die kaufmännische Leiterin des Stammstrecken-Management, Kristin Raczinski, auch die gestiegenen Kosten. Neben Umplanungen etwa am Hauptbahnhof durch das Vorhaltebauwerk für die U9 ist eine Ursache die mühsame Suche nach Firmen, die so hoch komplexe Arbeiten ausführen können. Es gebe „sehr, sehr wenige Bieter“, manchmal nur einen oder gar keinen.
Auffällig ist aber auch, dass die einkalkulierten Planungskosten durch die Decke geschossen sind: von 503 Millionen Euro, die 2016 eingeplant waren, auf nunmehr 1,3 Milliarden. Raczinski rechtfertigte das mit der verlängerten Bauzeit und der Inflation.
Trotz allem bleibt die DB derzeit bei einer Kostenschätzung von 7,05 Milliarden Euro für das Gesamtprojekt. Die Zahl stammt von 2021. Die SPD-Abgeordnete Inge Aures nannte das „Augenwischerei“, der FDP-Abgeordnete Sebastian Körber forderte (vergebens) eine Aktualisierung. Immerhin: Nebenbei bestätigte die DB-Finanzexpertin Raczinski eine Einschätzung des Freistaats, dass die zweite Stammstrecke nicht 2035 sondern 2037 fertig wird.
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