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Dieser Dieb hat eine 91-Jährige beklaut

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Dieser Mann hat einer alten Frau die EC-Karte geklaut.
Dieser Mann hat einer alten Frau die EC-Karte geklaut. © Polizei

München - Ganz schön gemein: Zuerst tat ein Dieb so, als wollte er helfen, dann klaute er einer 91 Jahre alten Frau die EC-Karte. Jetzt zeigt die Polizei Bilder vom ihm.

Hilflos, im Stich gelassen, wertlos. So hat sich die 91-jährige Münchner Rentnerin Maria V. (Name geändert) ein Jahr und drei Monate lang gefühlt. Obwohl Fahndungsfotos der mutmaßlichen Diebe ihrer Rente vorlagen, hatten die Behörden sie nicht veröffentlichen wollen. „Warum schützt der Staat die Diebe meiner Rente?“, hatte sie verzweifelt im November gefragt.

So tief ihre Verzweiflung war, so groß war am Donnerstag dann die Freude: Nun werden die Fotos doch freigegeben!

Es ist der 7. Oktober 2009, an dem die alte kniekranke Dame am Mangfallplatz Geld abhebt. Am Tag danach entdeckt sie, dass der vermeintlich nette Herr, der ihren Rollator die Treppe hinunter getragen hat, kurz danach die Handtasche mitsamt Geldbeutel und zwei EC-Karten gestohlen hat. Zu spät: Ihm und vermutlich mehreren Komplizen gelingt es in kürzester Zeit, an mehreren Automaten in der Stadt Geld abzuheben. 5200 Euro!

Die Demütigung für Maria V. geht weiter, als die gestochen scharfen Überwachungskamera-Bilder unter Verschluss bleiben. Es liege keine „Straftat von erheblicher Bedeutung“ vor, so die knappe Begründung der Staatsanwaltschaft.

„Für mich ist ein Verlust von so viel Geld schon von erheblicher

Maria V. (91) am Bankautomaten: Vermutlich haben die Täter sie im Oktober 2010 beim Abheben ausgespäht und ihr danach die EC-Karten gestohlen – um dann 5200 Euro von zwei Konten abzuräumen.
Maria V. (91) am Bankautomaten: Vermutlich haben die Täter sie im Oktober 2010 beim Abheben ausgespäht und ihr danach die EC-Karten gestohlen – um dann 5200 Euro von zwei Konten abzuräumen. © O. Bodmer

Bedeutung“, sagte die Rentnerin. „Noch schlimmer ist der Gedanke, dass die Verbrecher geschützt werden und seelenruhig andere Bürger abzocken können.“ Nach weiteren erfolglosen Versuchen akzeptiert die Familie notgedrungen die Haltung der Behörden. Aber es geschehen noch Zeichen und Wunder: Die Staatsanwaltschaft ändert ihre Meinung. „Ich muss mich erst mal setzen, das kann ich nicht glauben“, sagt Maria V., als wir ihr die Nachricht überbringen. Kurz darauf knallen die Sektkorken. „Hoffentlich geht es den Tätern jetzt endlich an den Kragen!“

Als die erste Begeisterung sich gelegt hat, kommen bei der Rentnerin aber auch gewisse Zweifel auf. „Es ist schon komisch, dass erst die Zeitung über meinen Fall berichten muss, dass da was passiert … “

Nina Bautz

So begründet die Staatsanwaltschaft den Sinneswandel

Auf einmal darf die Polizei doch die Fotos der mutmaßlichen Renten-Diebe von Maria V. (91, Name geändert) herzeigen. Noch im November hatte sich die zuständige Staatsanwaltschaft strikt geweigert, das bei einem Richter zu beantragen. Jetzt ging das Anliegen bei Amtsgericht durch. Woher kommt der Sinneswandel?

Im November hatten die Ermittler die Entscheidung auf tz-Anfrage noch verteidigt: Für eine so genannte Öffentlichkeitsfahndung verlange die Rechtsprechung eine Tat von „erheblicher Bedeutung“. Bei dem Delikt handle es sich aber weder um eine Banden- noch um eine Serientat. Außerdem liege der Schaden der Rentnerin bei 5180 Euro. In der Rechtsprechung habe sich ein Minimum von 50 000 Euro etabliert. Darum hatte die zuständige Staatsanwältin den Fall schon im April 2010 zu den Akten gelegt – und die gestochen scharfen Fotos der mutmaßlichen Täter unter Verschluss gehalten.

Diese Meinung hat sich bei der Staatsanwaltschaft München I geändert. „Aufgrund der öffentlichen Reaktion haben wir uns den Fall nochmal angeschaut“, erklärt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Barbara Stockinger. Bislang seien die Anforderungen für die Veröffentlichung von Täterfotos sehr hoch gewesen. Jetzt hätten die Ermittler die Grenzen der Öffentlichkeitsfahndung neu ausloten lassen wollen, um eine ermittlerfreundlichere Rechtsprechung zu erreichen. Sie legten den Fall dem Amtsgericht vor – und siehe da: Der Richter gab seinen Segen! Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft ist froh: „Rechtsprechung ist eben wandelbar.“ Künftig werden es Täter in der Stadt also noch schwerer haben.

Dac

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