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„Fatal“: München droht Gastro-Beben – Ampel legt sich fest

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Das Ende der Sieben-Prozent-Mehrwertsteuer wird fatale Auswirkungen auf die Münchner Gastroszene haben, warnt Thomas Geppert. Im Interview spricht der Geschäftsführer des Dehoga Bayern von einem „Preisschock“ – der die breite Masse betrifft.

Update, 17. November, 7.59 Uhr: Die Rückkehr der Mehrwertsteuer zu 19 Prozent in der Gastronomie ist beschlossene Sache. Darauf hat sich die Ampelkoalition nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) geeinigt. Ab Anfang 2024 wird der Steuersatz auf Speisen in Restaurants und Cafés also wieder von den vorübergehenden sieben Prozent auf 19 Prozent erhöht. Die Regelung wurde ursprünglich während der Corona-Pandemie eingeführt, um die Gastronomie zu entlasten – und im Zuge der Energiekrise mehrfach verlängert, zuletzt bis Ende 2023.

Der Geschäftsführer des Dehoga Bayern, Thomas Geppert, hatte zuvor noch eindringlich vor einem solchen Szenario gewarnt. Seine Prognose: 300 Betriebe in München müssten schließen. Erst im kommenden Jahr wird sich zeigen, ob er Recht behält.

Erschreckende Prognose von Dehoga-Chef: „In München müssten 300 Betriebe schließen“

Erstmeldung, 16. November, 13.44 Uhr: München – Essen gehen ist teuer geworden: 15 Euro für einen Teller Pasta und mindestens 20 Euro für ein Schnitzel sind in München keine Seltenheit mehr. „Letztendlich sind die Kosten immens gestiegen“, bestätigt auch Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands. Inflation bei Lebensmitteln, hohe Energie- und Personalkosten – das alles habe die Preise der Restaurants in die Höhe getrieben. Doch Geppert fürchtet einen Schritt, der den Lokalen seiner Ansicht nach endgültig den Garaus macht: Das Ende der ermäßigten Mehrwertsteuer von sieben Prozent.

„Das wäre auch fatal für München“, warnt der Dehoga Bayern-Chef im Interview mit unserer Redaktion. „Selbst hier müssten etwa 300 Betriebe schließen. Das ist nicht übertrieben, sondern ein realistisches Szenario.“ Die ermäßigte Mehrwertsteuer wurde 2020 im Rahmen der Corona-Pandemie beschlossen und seitdem mehrfach verlängert, um die Gastrobranche zu schützen und günstige Preise für Gäste zu gewährleisten. Ende 2023 läuft der aktuelle Steuersatz von sieben Prozent allerdings endgültig aus. Ab 2024 soll wieder der reguläre Steuersatz von 19 Prozent auf Speisen, die im Restaurant verzehrt werden, gelten. Sofern die Politik sich nicht kurzfristig umentscheidet.

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Dehoga Bayern-Chef warnt vor Ende der ermäßigten Mehrwertsteuer in München

Bei der Zahl an Gaststätten, die in München bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer schließen müssten, bezieht sich Geppert auf eine Umfrage der Dehoga von Juli 2023. Das damalige Fazit des Dehoga Bayern-Chefs: „Die sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen müssen bleiben, um massive Betriebsschließungen, steigende Preise, sinkende Umsätze und einen Verlust an Arbeitsplätzen und Lebensqualität, gerade auch in den ländlichen Regionen Bayerns, zu verhindern“. Zwischen dem 3. und 5. Juli befragte der Bundesverband etwa 9.600 Gastronomiebetriebe in Deutschland, darunter auch 2.156 aus Bayern.

Collage Thomas Geppert Dehoga Mehrwertsteuer Gastro München
Der Landesgeschäftsführer der Dehoga Bayern, Thomas Geppert, warnt vor dem Ende der Sieben-Prozent-Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Das hätte „fatale Folgen“ für München. © tz.de Collage: IMAGO / Lindenthaler (links) und IMAGO / Sven Simon

Das wäre auch fatal für München. Hier müssten etwa 300 Betriebe schließen.

Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer Dehoga Bayern

Mit dem Ergebnis: Bundesweit gaben 7,2 Prozent der Betriebe an, sie müssten bei einer Mehrwertsteuererhöhung schließen. 46,3 Prozent antworteten, sie wüssten es noch nicht. Auf die Stadt München heruntergerechnet wären das 266 Restaurants, mit dem Landkreis München zusätzliche 57. „Es ist davon auszugehen, dass viele weitere Betriebsschließungen mit zeitlichem Verzug folgen werden“, schloss Geppert im Juli aus der Umfrage, „das zeigt der hohe Anteil der „Weiß ich noch nicht“-Angaben.“

Politik für Reiche: Wissenschaftler kritisieren Sieben-Prozent-Mehrwertsteuer

Gegner der Sieben-Prozent-Mehrwertsteuer argumentieren jedoch, dass Restaurants bereits jetzt schon vor allem von den Gut- und Besserverdienern aufgesucht werden. So würden von dem begünstigten Steuersatz vor allem „wohlhabendere und kinderlose Haushalte begünstigt“, sagte Friedrich Heinemann, Professor beim Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), gegenüber wiwo.de. Gemeinsam mit Kolleginnen hat er die ermäßigte Mehrwertsteuer in einer Studie analysiert und folgendes Fazit gezogen: Seit Ende der Pandemie sei die Steuersubvention nicht mehr notwendig.

Vielmehr befinde sich die Gastro- und Eventbranche seitdem in enormem Aufschwung – gerade in Großstädten und trotz Inflation, erläuterte der Wissenschaftler gegenüber der Wirtschaftswoche. Das Aussterben von Dorfkneipen sei eine andere Entwicklung, die sich ohnehin nicht verhindern lasse. Deshalb zeichne die Gastrobranche „ein falsches Bild“, wenn sie behaupte, es gehe ihr grundsätzlich schlecht.

„Preisschock für die Gäste“: Restaurantbesuch soll laut Dehoga-Chef bezahlbar bleiben

Das Argument, von der ermäßigten Steuer würden nur Besserverdiener profitieren, will Geppert jedoch nicht gelten lassen. Auch der Dehoga Bayern falle auf: Bereits jetzt verzichten immer mehr Menschen auf einen Besuch von Restaurants, weil sie es sich schlichtweg nicht leisten können. Ein Gaststättenbesuch dürfe jedoch nicht zum Luxusgut verkommen, so Geppert. Auch Familien und Menschen mit weniger Geld müssten ihn sich ab und an leisten können. Wenn der Mehrwertsteuersatz ab Anfang 2024 wieder auf 19 Prozent steige, müssten die Preise zwangsläufig noch weiter angezogen werden. „Das wäre ein Preisschock für die Gäste. Und es würde vor allem die Breite treffen.“

Zudem betreffe die Steuererhöhung auch Mensen und Kantinen von Kitas und Schulen. Eine eigene Familie zu gründen und gleichzeitig ein gutes Leben zu führen, werde damit vielen Eltern besonders schwer gemacht. Was der Dehoga-Chef ebenfalls kritisiert: Für Essen to Go und Lieferdienste gilt der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent ohnehin langfristig. Geppert appelliert deshalb an die Fairness – letztendlich gehe es bloß um die Gleichstellung von Gaststätten und Lieferdiensten.

Seit Monaten setzen sich Gastwirte in München gegen das Ende der Sieben-Prozent-Mehrwertsteuer ein. So wandte sich ein Metzger mit der Ansage an seine Gäste: „Ihr zahlt künftig mehr für nichts“. Der Wirt im Giesinger Bräustüberl hat auf seiner Karte bereits zwei Preise ausgeschrieben – einmal ohne, einmal mit erhöhtem Steuersatz.

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