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Münchner berichtet aus Erdbebengebiet: „Immer wieder Menschen, die Tragödie zu ihrem Vorteil nutzen“

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Von: Lukas Schierlinger

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„Es ist wirklich heftig da draußen“: Yasar Yilmaz aus München erlebt die Folgen des verheerenden Erdbebens in der Türkei hautnah mit. Schilderungen aus dem Krisengebiet.

Update 14. Februar, 11.15 Uhr: „In Hatay gibt es keinen Strom, kein Benzin“, berichtet Yasar Yilmaz. „Immer wieder kommt es zu Plünderungen.“ Der Münchner Streetworker ist weiterhin vor Ort, um die vom verheerenden Erdbeben betroffenen Menschen zu unterstützen. Lebensmittel kauft Yilmaz in weit entfernten Orten, um sie dann mit einem Auto zurück in die Provinz zu bringen.

Münchner berichtet aus dem Erdbebengebiet: „Mittlerweile echt hart und gefährlich geworden“

Gemeinsam mit anderen Helfern hat er ein Lager errichtet, in dem Überlebende und Zivilisten versorgt werden. Yilmaz schickt ein Video, das erschöpfte Soldaten zeigt, in gespendete Decken gewickelt. „Mittlerweile ist es echt hart und gefährlich geworden. Es gibt immer wieder Menschen, die solch eine Tragödie zu ihrem Vorteil nutzen“, erklärt er. Bewaffnete Räuber seien draußen unterwegs, immer wieder würden Wertgegenstände aus verlassenen Wohnungen verschwinden.

Bald muss Yilmaz wieder nach München, „die Arbeit ruft“. Es seien aber weiterhin viele ehrenamtliche Helfer vor Ort, um die Versorgungs- und Aufbauarbeiten zu koordinieren. Der Streetworker will in die Krisenregion zurückkehren, „sobald ich wieder reisen kann“.

Update 10. Februar, 8.16 Uhr: Bei all den bedrückenden Erfahrungen gibt es auch Momente, die Yasar Yilmaz Hoffnung spenden. „Er hat so viele Leben gerettet, Wahnsinn“, schreibt er zum Foto eines Hundes, das er aus dem Erdbebengebiet sendet. Vor Ort wird der Vierbeiner eingesetzt, um unter den Trümmern nach Überlebenden zu suchen – immer wieder mit Erfolg. Häufig wird der Münchner Streetworker allerdings auch Augenzeuge, wenn Leichen geborgen werden.

Hund im Erdbebengebiet
Ein Hund, der ein wenig Hoffnung spendet: Immer wieder hilft er, im Erdbebengebiet Verschüttete zu lokalisieren. © Yilmaz

Yilmaz hat seine „Just Love“-Organisation gegründet, um in Krisengebieten effektive Unterstützung zu leisten, wie er sagt: „Leider gibt es viele Organisationen, die nicht seriös auftreten. Mir ist es wichtig, dass das Geld direkt vor Ort ankommt und nicht für Marketing, Unterkünfte und ähnliche Zwecke draufgeht.“ In München sammelt er jedes Jahr zur Weihnachtszeit feste Kleidung und verteilt sie an Obdachlose.

Dieser Tage begegnet Yilmaz in der Provinz Hatay sehr vielen Menschen, die ihr Zuhause verloren haben. Ihm ist es ein Anliegen zu betonen, dass man die vom Erdbeben Betroffenen außerhalb der Türkei nicht vergessen dürfe: „Auch die Menschen in Syrien, Irak, Palästina und dem Libanon brauchen jetzt unsere Unterstützung.“

Plünderungen nach Erdbeben in der Türkei: „Im Umkreis von 200 Kilometern gibt‘s quasi nichts mehr“

Update 9. Februar, 8.22 Uhr: Die freiwilligen Helfer in der Provinz Hatay stoßen an ihre Grenzen. „Uns sind die Hände gebunden, hier herrscht Ausnahmezustand“, berichtet Yasar Yilmaz. Alle Lebensmittelläden vor Ort seien geplündert worden, der Münchner Streetworker schickt Bilder von eingeschlagenen Scheiben. „Die Leute gehen da rein und picken sich Sachen raus. Im Umkreis von 200 Kilometern gibt‘s quasi nichts mehr.“

Das Militär ist auf den Straßen unterwegs, die Tankstellen sind geschlossen. Es gibt kein Öl mehr, um Generatoren zu betreiben. „Ich habe schon vieles gesehen in meinem Leben“, sagt Yilmaz, „aber so etwas noch nicht: Es ist wirklich heftig da draußen“. Videos, die uns der Münchner zukommen lässt, zeigen verzweifelte Menschen auf den Straßen, um Feuerstellen gedrängt. Es fehlt an allem. Hilfslaster aus Istanbul kommen nur schwer vorwärts, weil in Teilen der Türkei Schneefall eingesetzt hat.

Münchner verteilt Hilfsgüter an Erdbebenopfer: „Alles, was in dieser Katastrophe helfen kann“

Update 8. Februar, 7.19 Uhr: Yasar Yilmaz hat es geschafft. Inzwischen ist der Münchner Streetworker gemeinsam mit anderen Freiwilligen unterwegs, um die Erdbebenopfer in der Provinz Hatay zu versorgen – in einem zum Hilfsmobil umfunktionierten Schulbus. „Wir fahren etwa 300 Kilometer die Küste entlang, geben den Leuten, was sie brauchen und kaufen dann wieder ein“, berichtet Yilmaz.

An Bord haben die Helfer Werkzeug, Konserven, Windeln und Babynahrung, „alles, was in dieser Katastrophe helfen kann“. Für ihren Einsatz nehmen die Freiwilligen einiges auf sich. „An der syrischen Grenze ist es sehr gefährlich“, gesteht der Münchner, gibt sich aber sofort wieder kämpferisch: „Diesen Schulbus zu ergattern, war die beste Idee, um von Ort zu Ort zu kommen.“ Yilmaz‘ Mitfahrer sind unter anderem Kinderärzte, Krankenschwestern und Sanitäter.

Erdbeben in der Türkei und Syrien: Streetworker aus München will vor Ort unterstützen

Ursprungsmeldung:

München/Hatay - „Die Straßen sind gesperrt, keiner kommt mehr durch“, berichtet Yasar Yilmaz. „Wir haben die letzten zwei Tage nicht geschlafen, alle sind fix und fertig.“ Gerade sitzt der gebürtige Münchner in einem Bus, der Kurs auf die Provinz Hatay an der türkisch-syrischen Grenze nimmt, als unsere Redaktion ihn erreicht. Nach der verheerenden Erdbebenkatastrophe ist inzwischen von über 5000 Todesopfern die Rede, zahlreiche Menschen werden noch vermisst. Wetterkapriolen erschweren die Rettungsarbeiten, viele Häuser sind einsturzgefährdet.

In einer mit Sanitätern, Ärzten und Feuerwehrleuten besetzten Militärmaschine ist der Streetworker aus Ramersdorf am Montag spontan in die Türkei geflogen, um zu helfen. Nun geht es weiter in die direkt betroffenen Gebiete. „Wir haben viele Sachen dabei“, sagt Yilmaz in einem Video, das er aus dem Bus aufgenommen hat. Gefragt sind unter anderem Hämmer und Schaufeln. „Damit wir direkt eingreifen können, nachdem wir angekommen sind“, erklärt der Münchner. Hilfsgüter wie Windeln, Decken oder Konserven wurden bereits mit Lastwagen in die Krisenregionen geliefert.

Erdbeben in Türkei und Syrien
Einsatzkräfte suchen weiter nach Verschütteten, Yasar Yilmaz (li.) will vor Ort unterstützen. © Screenshot/imago/ITAR-TASS

Die beschwerliche Reise macht Yilmaz und seinen Mitstreitern zu schaffen, doch Aufgeben ist keine Option: „Die Leute brauchen uns jetzt.“ Als Gründer der Hilfsorganisation „Just Love“ sei er bereits in Bangladesch, Ostafrika und Palästina gewesen, sagt Yilmaz. „Aber eine Naturkatastrophe von solchem Ausmaß habe ich noch nie erlebt.“ Über seinen Instagram-Kanal informiert der Münchner seine Follower über die beschwerliche Reise in die Grenzregion. Dort hat er auch einen Spendenlink hinterlegt. Weitere Optionen, Erdbebenopfer effektiv zu unterstützen, haben wir für Sie zusammengefasst.

Münchner bittet um Spenden für Erdbebenopfer: „Jede Hilfe ist willkommen“

Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat inzwischen den Notstand für Teile der Türkei ausgerufen. Wie die Tageszeitung Hürriyet berichtete, soll dieser in zehn Städten für drei Monate gelten. Schulen in den betroffenen Gebieten sollen bis zum 20. Februar geschlossen bleiben. „Wir stehen vor einer der größten Katastrophen in unserer Geschichte“, gab Erdogan zu Protokoll.

Yilmaz ruft aus dem Bus zu rascher Unterstützung auf: „Ich grüße alle Münchner; bitte betet für uns, spendet, teilt die Aufrufe, jede Hilfe ist willkommen.“

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