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Der große Aufstand der Bauern im Münchner Norden

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Von: Katrin Hildebrand

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Wollen die Pläne der Stadt stoppen: (v.li.) Florian Obersojer (25), Landwirt in Feldmoching, Stefan Hausler (28), Gärtnermeister aus Feldmoching und Andreas Grünwald (25), Landwirt mit Milchviehbetrieb in Ludwigsfeld. © Klaus Haag

Bauern im Münchner Norden machen gegen die Pläne der Stadt München mobil. Die Initiative „Heimatboden“ will geplante Entwicklungsmaßnahmen in Feldmoching verhindern. Sie monieren, dass die Stadt sie letztlich zum Zwecke des Wohnungsbaus enteignen könnte.

München - Druck erzeugt Gegendruck. Dieses Gesetz gilt nicht nur in der Physik. Es ist auch ein psychologisches Phänomen. Ein Phänomen, das im Münchner Norden derzeit deutlich zu spüren ist. Seitdem die Stadt München eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) für Flächen rund um, vor allem aber westlich von Feldmoching angekündigt hat, kocht bei vielen Landeigentümern die Wut hoch. Andere verspüren einfach nur Angst. Etwa 220 Menschen haben sich nun zu einer Initiative zusammengeschlossen. Sie wollen sich gegen die SEM zur Wehr setzen.

Viele fürchten um ihre Existenz

Noch im Mai will das Planungsreferat dem Stadtrat einen sogenannten Einleitungsbeschluss vorlegen. Wird dieser bestätigt, könnte das Rathaus mit den notwendigen, vorbereitenden Untersuchungen beginnen. Die SEM selbst wäre damit aber noch nicht durchgesetzt. Bauern, Gärtner und viele andere Bürger im Münchner Norden sind dennoch empört und fürchten um ihre Zukunft. „Über die SEM wird uns letztlich mit Enteignung gedroht“, sagt Martin Zech vom Feldmochinger Zehentmeier-Hof. Das Anwesen und die Ländereien sind nun fast 200 Jahre in Familienbesitz. Es gibt einen Hofladen, der unter anderem Kartoffeln, Eier, Kürbisse, Kraut und Zwiebeln verkauft. „Wir haben das Gebot ,Eigentum verpflichtet‘ immer berücksichtigt“, sagt Zech.

Die Initiative nennt sich „Heimatboden“

Dieser Ansicht sind zahlreiche Mitglieder der Initiative Heimatboden. Unter diesem Namen haben sich die betroffenen Landbesitzer im Münchner Norden nun zusammengetan, um gegen die Pläne der Stadt zu kämpfen. Viele von ihnen sind Gärtner und Bauern. Sie versorgen die Münchner mit Nahrungsmitteln aus der Region.

Mit im Boot sitzt unter anderem auch Benno Ziegler. Er arbeitet als Rechtsanwalt und berät die Initiative juristisch. „Ein Landwirt in Ludwigsfeld zum Beispiel kann nicht mehr schlafen, seitdem das Rathaus die Pläne bekannt gegeben hat. Sein Hof, sein Grundstück – das liegt alles im SEM-Bereich. Und das Ziel einer SEM ist es, dass das Eigentum an den betroffenen Arealen an die Stadt übergeht.“

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Noch nie eine SEM abgeschlossen

Ganz so leicht ist die Sache mit der Enteignung natürlich nicht. Ziegler räumt ein, dass die Anforderungen an eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme sehr hoch sind. Dennoch hält er sie für das falsche Mittel. Er erinnert daran, dass 1992 bereits eine SEM für ein 40 Hektar großes Gebiet rund um die Feldmochinger Bergwachtstraße eingeleitet wurde. Nach langen Untersuchungen jedoch kam das Rathaus zum Schluss, dass die SEM und ihre infrastrukturellen Folgen die Stadtkasse sprengen würden. 2002, also 20 Jahre nach dem Start, hob der Stadtrat den Einleitungsbeschluss wieder auf. Für Ziegler ist das symptomatisch: „In München wurde noch nie eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme abgeschlossen. Aber eine neue Juristengeneration, so scheint es, hat dieses Mittel jetzt wieder für sich entdeckt – und versucht es.“

Nicht grundsätzlich gegen Neubaugebiete

Die Initiative Heimatboden hat eine Informationskampagne gegen die geplante SEM im Münchner Norden ins Leben gerufen. Doch betonen Rechtsanwalt Ziegler und die Betroffenen, dass sie sich nicht grundsätzlich gegen Neubaugebiete sperren. „Die Eigentümer haben verstanden, dass München neuen Wohnraum braucht“, erklärt Ziegler. „Aber bitte mit einem realistischen Konzept.“

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Der Favorit der Betroffenen ist die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN). Für diese gilt: Mindestens ein Drittel der durch die Überplanung erzielten Bodenwertsteigerung bleibt beim Eigentümer. „Im Fall der SEM aber bliebe der gesamte Planungsgewinn bei der Kommune“, sagt Ziegler. „Ich verstehe nicht, warum die Stadt nicht versucht, die Probleme in Kooperation zu lösen. Warum sucht man nicht den Dialog mit den Eigentümern?“

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Das Planungsgebiet von oben.

Das Planungsreferat wird diesen Dialog nach eigenen Angaben erst aufnehmen, sobald der Beschlussvorschlag vom Stadtrat angenommen wurde und somit offiziell der Auftrag erteilt ist, mit den Betroffenen in Verbindung zu treten. Außerdem sollten durch die bisher zurückhaltende Informationspolitik Bodenspekulationen unterbunden werden. 

Dass die Stadt nun eine groß angelegte SEM starten möchte und nicht etwa peu à peu das SoBoN-Modell anwendet, hat der Behörde zufolge mit den hohen Ausgaben für die neue Infrastruktur zu tun. Straßen, Schulen und Kitas müssten lange vor dem Baustart der Wohnungen geplant und errichtet werden. „Diese Kosten fallen entsprechend sehr früh an, während die Refinanzierung erst viele Jahre mit dem Verkauf der Wohnungen möglich ist. Dies bedeutet für die Eigentümer ein hohes wirtschaftliches Risiko“, erklärt ein Sprecher. Bei einer SEM wiederum würde die Stadt diese Kosten zunächst übernehmen und alleine das wirtschaftliche Risiko tragen.

Dass bisher keine SEM in München zu Ende gebracht wurde, will das Planungsreferat so nicht gelten lassen. Die Behörde führt an, dass es mehrere Als-ob-Maßnahmen gegeben habe. In diesen Fällen würden die Grundstücke einvernehmlich mit den Eigentümern durch Vertragsabschluss entwickelt und erworben. Zur Enteignung kommt es nicht. Diese Verfahrensart der SEM sei immer zu bevorzugen. „Sie setzt aber die konstruktive Mitwirkungsbereitschaft der Eigentümer voraus.“

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