Gesund durch Hypnose

München - Ein kleiner Behandlungsraum mitten in Schwabing. Gelbe Wand, grüner Teppich, eine Decke, eine Liege. Nur die eindringliche Stimme von Dr. Ralph Schicha (59) ist zu hören.
Er hält seine Hand über den Kopf seiner Patientin, führt zwei Fingerspitzen von schräg hinten bis zur Stirn. Wenig später schon fallen ihre Augen zu. Sie gleitet langsam in Trance, in eine Art Wachschlaf, in dem statt ihres Bewusstseins ihr Unterbewusstsein geschärft ist.
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Die Patientin ist mit einem ganzen Berg voller Sorgen zu ihm gekommen. Sie ist stark übergewichtig, krankhaft naschsüchtig, hat Schlafstörungen, wenig Selbstbewusstsein, ist kontaktscheu und unendlich einsam. In einem ersten langen Gespräch hat Dr. Schicha mehr über ihr Leben erfahren. Die Münchnerin erzählte, dass sie früher richtig sportlich gewesen sei und viele Freunde hatte. Was aber war dann passiert?
Das versucht der Diplom-Psychologe mit Doktortitel unter Hypnose zu erfahren. Behutsam führt er sie zurück in die Vergangenheit. In Bildern. „Weil wir unsere Gefühle und Erlebnisse in Bildern verarbeiten, in Trance wie auch in unseren Träumen“, wird der Therapeut später erklären. Die Folgen sind erstaunlich. Da beginnen 60-Jährige plötzlich wie Sechsjährige zu kritzeln, wenn sie über traumatische Kindheitserlebnisse sprechen. Da lernt ein Patient, schmerzhafte Verspannungen loszuwerden, indem er sich wie ein Küken aus einem Ei schält. Er strampelt, keucht – und, als er es geschafft hat, ist er unendlich erleichtert.
„Was war das für eine Situation, als Sie mit dem Naschen begannen? Wie sah es dort aus?“, fragt Dr. Schicha die Dame mit den vielen Kilos Kummerspeck. „Ein leichter Wind wehte, ich saß auf einer Terrasse“, schildert die Frau in Trance. 19 Jahre war sie damals alt. Sie wartete auf ihren Freund. In einer der nächsten Sitzungen verrät sie: „Er kam und hat Schluss gemacht. Dann habe mir ein Stück Sahnetorte bestellt.“ Und der Teufelskreis begann.
Den aber versucht der Psychologe mit aller Macht zu durchbrechen. Er erarbeitet mit den Patienten Techniken, wie sie mit ihren Problemen umzugehen lernen. Er zeigt ihnen Entspannungsmethoden, Alternativen oder auch Akupressur-Punkte. Etwa den Punkt exakt zwischen Nasenspitze und Oberlippe, wo man mit sanftem Fingerdruck das Hungergefühl unterdrücken kann. Unter Hypnose suggeriert er dann die vielen Vorteile des neuen Lebens ohne Zwänge und Süchte.
Der Hintergrund: „Durch den Zugang zum Unterbewussten können wir in Trance Naschsucht, Alkoholsucht, aber auch andere Krankheiten behandeln. Denn vieles wird stark durch Gefühle und nicht durch den Verstand gesteuert.“ Der Therapeut kann so das Naschbedürfnis geradezu blockieren, auf andere Verhaltensweisen lenken und uns unbewusst sogar die Lust am Naschen, Trinken oder auch am Rauchen nehmen.
Apropos Nikotin: „In einer zweistündigen Sitzung kann ich meine Patienten durch Hypnose vom Rauchen befreien“, ist Dr. Schicha überzeugt. Einzige Bedingung: Man muss aufhören wollen. Die Erfolgsquote: Nach einem Jahr sind „70 Prozent der Behandelten immer noch Nichtraucher“.
Übrigens: Falls Dr. Schicha so manchem Patienten ungewöhnlich bekannt vorkommt, wäre das kein Wunder. Der Psychologe ist ein gefragter Schauspieler. Er spielte in der ZDF-Serie Unser Charly den Tierarzt Dr. Philipp Martin, war jahrelang als „Tobias Becker“ in der Telenovela Wege zum Glück zu sehen und wirkt demnächst im TV-Hit Um Himmels Willen mit.
Doch er trennt penibel zwischen Beruf und Berufung, behandelt in München und in einem Berliner Krankenhaus, widmet immer mehr Zeit seinen Patienten. Mit Erfolg. Kürzlich wurde sogar ein harter Manager bei ihm weich. Der Mann litt unter dem Burnout-Syndrom. In Trance gestand er, dass es schon als Bub sein Traum war, Dirigent zu werden. Der Einzelkämpfer und Wirtschaftsboss – er hätte ein vielstimmiges Orchester leiten wollen? Dr. Schicha riet ihm, wie in einem guten Orchester mehr auf die Stimmen seiner Mitarbeiter zu hören, mehr zu delegieren, sich Auszeiten zu nehmen, ein Instrument zu erlernen. Aus dem Egomanen wurde zur Verwunderung seiner Mitarbeiter ein Teamplayer. Weiterer Nebenaspekt: Mit seinem Leben war der Manager plötzlich wesentlich zufriedener als zuvor.
Und die Münchnerin mit dem schier übermächtigen Sorgen-Berg? Sie begann erst in ihrer Vorstellung, dann auch im richtigen Leben langsam wieder joggen zu gehen. Dabei lernte sie jemanden kennen, besuchte mit dem neuen Bekannten sogar einen Tanzkurs. Sie stellte ihre Ernährung auf Trennkost um, kochte mit ihm, lernte mit ihm wieder lachen. Aus der Bekanntschaft wurde Liebe. Die vielen Kilos, die Selbstzweifel, die Einsamkeit - das alles liegt heute hinter ihr. Wie ein böser Traum ...
Claudia Detsch
Die wichtigsten Fragen zum Thema Hypnose
Heilen durch die Kraft der Stimme – das klingt zu schön, um wahr zu sein. Doch warum und wie wirkt Hypnose? Was müssen Hilfesuchende wissen? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wie seriös ist die Hypnosetherapie?
Hypnose ist längst eine wissenschaftlich anerkannte Form der Psychotherapie. Die Erfolgsquote etwa bei Schlafstörungen beträgt 90 Prozent. Prüfungsangst kann man so um 25 Prozent, Flugangst um 40 Prozent und Neurodermitis ebenfalls um 40 Prozent vermindern. Das zeigt eine Studie des Instituts für Klinische Psychologie der Universität Tübingen.
Bei welchen Krankheiten hilft Hypnose?
Bei Migräne, Ängsten, Stress, chronischen Schmerzen, bei Nikotin-, Nasch- und Alkoholsucht. Aber auch bei Kinderlosigkeit kann Hypnose helfen. Zudem wird Hypnose immer öfter in Kliniken oder Zahnarzt-Praxen eingesetzt, um Patienten mit Narkosemittel-Allergien behandeln und operieren zu können.
Ist jeder hypnotisierbar?
Wenn der Therapeut erfahren genug ist und flexibel vorgeht, sprechen die meisten gut auf Hypnosetechniken an.
Was passiert beim Patienten, wenn er in Trance ist?
Trance ist eine besondere Form der Tiefenentspannung. Der Patient erlebt das wie ein Traum, in Bildern. Statt des Bewusstseins ist jetzt unser Unterbewusstsein geschärft. Das heißt: Es werden tatsächlich andere Hirnregionen als im Wachzustand aktiviert. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Auch Herzfrequenz und Blutdruck ändern sich.
Was ist der Unterschied zwischen Trance und Narkose?
Während der Trance ist der Patient in ständigem Kontakt mit dem Therapeuten und danach ist er sofort hellwach.
Was kostet die Behandlung? Wie viel übernimmt die Kasse?
Laut der Deutschen Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie (DGH) kosten 50 Minuten Behandlung im Schnitt 80 bis 120 Euro. Bei Dr. Ralph Schicha kostet eine zweistündige Hypnose-Sitzung 250 Euro. Allerdings genügt in der Regel eine Sitzung, um dank Hypnose Nichtraucher zu werden. Generell gilt: Hypnosetherapie wird von den gesetzlichen Kassen nur in Ausnahmefällen auf Antrag übernommen.
Wie findet man gute Hypnosetherapeuten?
Über die Deutsche Gesellschaft für Hypnose und Hypnotherapie (www.dgh-hypnose.de) sowie die Milton-Erickson-Gesellschaft für Klinische Hypnose (www.meg-hypnose.de).
Kontakt zu Dr. Ralph Schicha ist über mail@dr-schicha-coaching.de sowie Tel.: 01 72-32 64 19 9 möglich.