„Essen wird zum Luxusgut“: Giesinger Wirt hat jetzt zwei Preise auf der Karte – Gäste reagieren empört
Auf der Speisekarte im Giesinger Bräustüberl gibt’s seit neustem zwei Preise. Einmal mit 7 Prozent Mehrwertsteuer und einmal mit 19 Prozent. Doch die Aktion kommt nicht bei jedem gut an.
München – Ab Januar 2024 sollen Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen wohl wieder mit 19 Prozent besteuert werden. Steffen Marx, Gründer und Geschäftsführer vom Giesinger Bräustüberl befürchtet ein Wirtshaussterben. „Das darf aber nicht sein, denn wir verstehen uns als öffentliches Wohnzimmer, in denen Menschen zusammen kommen.“

Doppelte Speisekarte zeigt doppelte Preise
Der Wirt reagiert auf die drohende Anhebung, indem er auf seiner Speisekarte zwei Preise auszeichnet. „Viele Gäste haben das noch nicht realisiert. In wenigen Wochen könnte es zu einem Preisschock in der Gastronomie kommen.“ Konkret sieht das auf der Karte so aus: Schweinsbraten 18,80 Euro anstatt 16,90 Euro oder Käsespätzle für 17,70 Euro anstatt 15,90 Euro.
Auch der bayerische Hotel- und Gaststättenverband spricht gegenüber unserer Redaktion von einer Preissteigerung von bis zu 18 Prozent. „Essen gehen“, so Marx, „wird zunehmend zum Luxusgut.“

Aktion ist Ausdruck für Widerstand gegen die Bundespolitik
Marx‘ Speisekarte kommt auf den ersten Blick vielleicht wie ein Marketing-Gag daher, doch die Steuererhebung ist für Wirt Ausdruck seines Widerstands gegen die Politik. „In 23 von 27 Ländern in der EU gibt es einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie.“ Marx rechnet damit, dass die Anhebung dem Staat mehr Geld kosten als bringen wird, weil durch die höheren Preise die Wirtschaften immer leerer werden würden.

Wütende Kunden: „Die Preise sind eine Frechheit“
Die Protest-Aktion kommt aber nicht überall gut an. In den Rezensionen vom Bräustüberl heißt es da unter anderem: „Die Preise sind eine Frechheit. Es werden die „höheren“ Preise ab Januar aufgrund der zurückkommenden MwSt. Senkung abgedruckt. Solche Betriebe sollten nicht unterstützt werden.“ Ein anderer Kommentar bezeichnet den Betrieb als Unverschämtheit. Ferner heißt es „Die Gastronomie sollte sich gut überlegen, ob sie ihre Gäste als Melkkuh betrachtet.“
Gaststättenverband empört, Präsidentin warnt vor Preissteigerungen
Auf die Gäste-Kritik reagiert Angela Inselkammer, Präsidentin des Hotel- und Gaststättenverbands, verärgert und verteidigt die Weitergabe der Mehrwertsteuer an die Kunden. „Den Wirten steht das Wasser bis zum Hals.“ Laut Inselkammer haben die Wirte bislang alle Kostensteigerungen der letzten Jahre selbst aufgefangen. Auf Dauer ginge das nicht mehr, auch wegen der immer weiter steigenden Lebensmittelpreise.
Marx spricht vom Essen als Luxusgut
Bei Gerichten zum Mitnehmen soll weiterhin der ermäßigte Satz von 7% gelten. „Das ist doch ein Witz!“ schimpft Angela Inselkammer. Marx empfindet die Erhöhung in Restaurants ebenso als Bestrafung für die Wirte, denn diese bieten Service und Mitarbeiter an und müssten dafür nun mehr bezahlen.
Ländliche Region betroffen, München eher weniger
Der bayerische Hotel- und Gaststättenbetrieb schätzt, dass im Falle einer Erhöhung der Steuer in ganz Bayern 2.000 Betriebe schließen werden. München werde davon wohl nicht so stark betroffen sein, so Inselkammer. „Wenn dort was schließt, öffnet ja sofort wieder der Nächste.“ Dem Verband geht es aber vor allem um die kleineren Betriebe auf dem Land. Bayern lebt vom Tourismus, erklärt Angela Inselkammer. 20% aller touristischen Leistungen für Deutschland kommen aus Bayern, so Inselkammer. Dazu gehöre auch die flächendeckende gastronomische Versorung in der ländlichen Region.
Ampel-Koalition berät im November, Bayern stellt Antrag auf Senkung
Seit dem 1. Juli 2020 beträgt die Mehrwertsteuer für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen nur 7% statt 19. Die Reduzierung hatte die Bundesspolitik den Gastronomen zugestanden, um nach der Pandemie wieder auf die Beine zu kommen. Im November wird die Ampel-Koalition darüber beraten, wie es weitergehen soll mit der Mehrwertsteuer. Währenddessen fordert der Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband Gaststättenverband in einer aktuellen Protestaktion die dauerhafte Senkung. Präsidentin Angela Inselkammer macht sich aber unterrm Strich erst Mal keine großen Sorgen. „Im Wahlkampf hat sich jede Partei für den Erhalt der 7% ausgesprochen. Herr Habeck, Herr Scholz und Herr Lindner. Ich gehe davon aus, dass es zu keiner Erhöhung kommt.“ Auch der Freistaat Bayern möchte eine Erhöhung verhindern und hat im Bundesrat einen Antrag zur dauerhaften Senkung auf 7% gestellt hat.
Das Bräustüberl gibts nicht nur in Giesing. Im Sommer erröffnete Wirt Steffen Marx auch in Sendling und in der Maxvorstand ein Stehausschank für jedes Viertel.