Die Höhle der Hacker: Der Chaos Computer Club München ist erfinderisch und politisch aktiv

Von wegen trockene Technik. Wer die Räume des Chaos Computer Clubs München betritt, hat eher das Gefühl, eine kunterbunte Kommune zu besuchen statt ein Rechenzentrum.
In den Schaufenstern zur Schleißheimer Straße hin hängt ein Leuchtsystem aus Ikea-Eimern, mehrere Flipdot-Tafeln und Girlanden zeigen politische Botschaften („Grünes Licht für Aufnahme“), Sofas und Tische stehen unter Leuchtspielereien, an der Wand hängen Platinen. In einer Ecke steht auch eine mannshohe Figur mit Guy-Fawkes-Maske, Symbol der Hacker-Gruppe Anonymous. „Mag sein, dass es da personelle Überschneidungen gibt“, sagt Robert Helling, der im Club für die Presse zuständig ist „aber die machen doch einige destruktivere Aktionen, die wir nicht mitmachen würden.“
Im Chaos Computer Club, kurz CCC, wird klassisch gehackt. Was nicht bedeutet, dass die Mitglieder illegal in irgendwelche Netzwerke eindringen, sondern dass sie basteln und programmieren. Helling (50), im Berufsleben Teilchenphysiker an der Ludwig-Maximilians-Universität, gibt ein Beispiel: „Ich will, dass mein Lastenfahrrad für Fußgänger besser hörbar wird. Deshalb programmiere ich gerade die Hersteller-App so um, dass sie im Zusammenspiel mit einem Lausprecher Motorradgeräusche verursacht. Umso lautere, je schneller ich fahre. Hacken, das ist kreativer Umgang mit Technik.“

Überall in den Räumen des früheren Ladengeschäfts stehen Zeugnisse solcher Hacks, die die mittlerweile 221 Mitglieder vollbracht haben. Ein Getränkeautomat, der eine moderne digitale Steuerung bekommen hat (und der auch Zahnbürsten und Zahnpasta ausspuckt, sollte das Netzwerk-Treffen mal länger dauern). Selbstgemachte Smart-Watches, die mehr können als ihre Geschwister aus dem Apfelgeschäft. Oder Mitglieder-Abzeichen für bundesweite CCC-Treffen, die nicht nur am T-Shirt klemmen, sondern die auch funken, telefonieren und auf einem Display Nachrichten anzeigen.
Natürlich tauschen sich die Computerfans bei ihren wöchentlichen Treffen auch über Software aus. Zum Beispiel über Verschlüsselungstechniken. „Wer sich für Kryptographie interessiert, seine Daten nicht sammeln lassen oder sicher surfen will, kann gerne zu unserer öffentlichen Crypto-Party kommen“, lädt Helling ein, „sie findet immer am letzten Dienstag in ungeraden Monaten statt.“ (Schleißheimerstraße 39, d. Red.) Das nächste Treffen für alle ist dagegen am 10. Oktober um 20 Uhr.

Tendenziell kommen mehr Männer als Frauen zum CCC, letztere bilden rund 20 Prozent. Allerdings sei der Anteil an queeren Leuten unter Computerkennern höher, sagt Helling. „Männlich aussehende Wesen in Röcken sind hier nichts Ungewöhnliches. Wir haben deshalb auch einmal im Monat einen ‚FuCK‘-Abend, das heißt ‚Frauen und Computer-Kram‘, an dem Hetero-Männer unerwünscht sind.“
Ein paar ernste Worte zu Passwörtern kann sich der Experte in Sachen Verschlüsselung anschließend nicht verkneifen. „Es haben immer noch zu viele Leute ein einziges Passwort für alle Internetseiten“, mahnt er, „da braucht es nur ein Leck bei einem nicht professionell aufgestellten Portal, schon sind alle Zugänge eines Users gehackt.“ Er empfiehlt einen Passwortmanager auf dem Handy, der Passwörter jener Sorte generiert, die man sich auf keinen Fall merken kann, und die alle unter einem Generalpasswort verwaltet werden.

Eine Küche gibt es, eine Bibliothek, einen Partyraum und zwei Werkstätten. In der einen türmen sich Boxen mit Kabeln, Platinen, Displays, Folien, Gehäusen und allen erdenklichen Schraubwerkzeugen. Auch ein 3D-Drucker, ein Laser-Schneidegerät, eine Strickmaschine und ein Mikroskop sind hier zu finden. In der anderen stehen eine Drehbank und eine CNC-Fräse. Notfalls könnte man hier wohl doch so einiges Interessantes bauen. „Mit professionellen Wirtschafts- und Industrie-Hacks beschäftigen wir uns aber trotzdem nicht“, sagt Helling. „Das machen einige unserer Mitglieder vielleicht gut bezahlt an ihrem Arbeitsplatz, aber nicht in der Freizeit.“ Daneben verzweigt sich das Keller-Labyrinth noch in einen Raum mit einer professionellen Funkstation sowie einer Musik- und Videoproduktion zur Herstellung von Streams (Internetsendungen). In zwei Schränken stehen Herz und Lunge des Clubs: zwei Server, die immer angeschaltet bleiben. Über sie laufen die Internetseiten des Vereins. Die Antennen auf dem Dach wiederum senden das W-Lan des Vereins Freifunk München in den nahe gelegenen Maßmann-Park – die Hacker fingieren hier freundlicherweise als Zwischenstation.
Zuletzt wollen wir noch herausbekommen, wie man ins Darknet gelangt. Robert Helling lacht. „Einfach den Tor-Browser installieren und anonym lossurfen. Vielleicht sollte man noch eine Onion-Suchmaschine wählen statt Google. Das ist alles kein Problem. Und übrigens auch legal. Also nur zu.“ So ist das. Alles ganz einfach.