1. tz
  2. München
  3. Stadt
  4. Hallo München

Nach Antisemitismus-Kritik: Metropoltheater München nimmt Stück „Vögel“ endgültig aus dem Programm

Kommentare

Besucher im Kino.
Man wolle die Beteiligten schützen, heißt es in der Begründung zur Absetzung des Stücks „Vögel“. Das Metropoltheater München reagiert damit auf die Antisemitismus-Vorwürfe gegen das Stück von Wajdi Mouawad. © Nicolas Armer/dpa

Zeichen gegen Antisemitismus: Das Metropoltheater München will das Stück „Vögel“ nicht mehr aufführen und zeigt sich für Aufarbeitung der Ereignisse bereit.

Update: 21. November

In einer Stellungnahme erklärt das Metropoltheater aus München, dass es das Stück „Vögel“ nicht mehr spielen wolle. Insbesondere die jüdische Studierendenunion Deutschland und der Verband jüdischer Studenten in Bayern hatten im Vorfeld die antisemitischen Inhalte des Stücks beanstandet.

Jochen Schölch, Intendant des Metropoltheaters, erklärt: „Das Stück in der erarbeiteten Form werden und wollen wir vorerst so nicht mehr aufführen.“

Nach den Vorwürfen zum antisemitischen Inhalt von „Vögel“ will das Metropoltheater in München das Theaterstück nun doch aufführen - mit Begleitprogramm.

Wegen Antisemitismus-Vorwürfen setzt das Münchner Metropoltheater das Stück „Vögel“ ab und stellt sich Kritik

Das Theater stellte sich seinen Kritikern, indem es „viele Gespräche vor allem mit jüdischen Mitbürger*innen und Vertreter*innen der jüdischen Gemeinde“ führte.

Jochen Schölch, Intendant des Metropoltheaters, schreibt in seiner Stellungnahme: „Die Gespräche verliefen alle in einer sachlichen und zugewandten Form und haben dazu geführt, dass wir verstehen konnten, warum die kritisierten Textstellen bei manchen Menschen so starke negative Reaktionen hervorrufen können. Wir bedauern diese entstandenen Verletzungen und die empfundene Herabsetzung, die uns sehr leidtun.“

Sondervorstellung mit Kritikern und Interessierten gestrichen

Am gestrigen Sonntag hätte eine Sondervorstellung für Vertreter*innen der israelitischen Kultusgemeinde München, des Münchner Stadtrats, die Studierendenverbände VJSB und JSUD und die Medien stattfinden sollen, „damit sich alle in dieser Sache Eingebundenen ein eigenes Bild von dem Stück „Vögel“ machen können“.

Schölch und das Metropoltheater haben sich nun dagegen entschieden: „Somit macht es auch keinen Sinn, sich ein eigenes Bild von etwas zu machen, das es in dieser Form nicht mehr geben wird. Ein im Anschluss an die Vorstellung geplantes Gespräch erscheint uns in der derzeit erhitzten Atmosphäre nicht möglich und nicht konstruktiv.“

Ein weiterer Grund für die Absage der Zusatzvorstellung ist „Schutz unseres Ensembles und unserer Mitarbeiter*innen, für die diese Sondervorstellung und weitere Vorstellungen eine erhebliche emotionale Belastung dargestellt hätten“.

Hintergründe des Stücks: Entwicklung mit jüdischen und arabischen Ensemble-Mitgliedern in Paris

Wie aus der Stellungnahme hervorgeht, soll die Entscheidung für die Aufnahme des Stücks wohlüberlegt gewesen sein. Die Begründung wird auch damit untermauert, dass bei der Entwicklung des Stücks im Jahr 2007 arabische und jüdische Mitglieder des Ensembles mitgewirkt hätten.

Zudem wurde laut Metropoltheater Wajdi Mouawad, libanesisch-kanadischer Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur, von der international anerkannten jüdischen Historikerin Natalie Zemon Davis beraten. 

Schölch schreibt weiter, dass die Produktion 2018 mehrfach im renommierten Cameri-Theater in Tel Aviv gezeigt wurde. Auch im deutschsprachigen Raum gab es eine Vielzahl von Inszenierungen.

Theater will Ereignisse aufarbeiten

Die Aufführungsrechte hat das Metropoltheater für München im Jahr 2019 erworben, „da sich der Text mit Fragen zur Identität, Toleranz und Versöhnung auseinandersetzt“. Nach mehrmaligen coronabedingten Verschiebungen feierte das Stück am 6. Oktober in München Premiere.

Das Theater plant eine Aufarbeitung der Geschehnisse und will in Zusammenarbeit „mit dem Kulturreferat Gespräche mit Expert*innen in moderierter Form und mit dem nötigen Abstand initiieren, da wir es für geboten halten, die Aufarbeitung des Geschehenen zu professionalisieren.“

Für die Beteiligten sei „unabdingbar wichtig, dass diese Aufarbeitung in konstruktiver Weise und in einem allseitig respektvollen Umgang stattfindet“.

Zensur am Metropoltheater?

Den Vorwurf der Zensur beziehungsweise der Einschränkung von Meinungs- und Kunstfreiheit weist das Metropoltheater von sich: „Und in der Tat befinden wir uns hier in einem Dilemma. Aber dieser Diskurs muss in einem größeren Zusammenhang in einer sachlichen Weise geführt werden. Die Entscheidung über die einstweilige Absetzung des Stücks wurde getroffen, um weitere Gräben in der Gesellschaft zu verhindern und um ein klares Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen.“

----------------------------------------------

In der Kunst gibt es einen weiteren Fall von Antisemitismus-Vorwürfen. Im Zentrum der Debatte steht das Stück „Vögel“ am Metropoltheater München.

Erstmeldung: 21. November

Das Stück „Vögel“ von Wajdi Mouawad wird wegen Vorwürfen antisemitischer Inhalte weiterhin kontrovers diskutiert. Das Metropoltheater in München hat reagiert und die Inszenierung vorerst vom Spielplan genommen.

In einer Stellungnahme heißt es vonseiten des Theaters, es habe am Sonntag um 12 Uhr eine „Sondervorstellung von ,Vögel’ angesetzt und Vertreter*innen der israelitischen Kultusgemeinde München, des Münchner Stadtrats, der Studierendenverbände VJSB und JSUD und der Medien eingeladen, damit sie sich selber ein Bild machen können und im Anschluss ein offenes Gespräch stattfinden kann“.

Antisemitismus-Vorwürfe an Metropoltheater München: Ludwig Spaenle fordert Sensibilität

Wie die dpa berichtet, haben die Jüdische Studierendenunion Deutschland und der Verband jüdischer Studenten in Bayern mitgeteilt, dass sie die Münchner Aufführung des Stücks von Wajdi Mouawad als antisemitisch betrachten. Es mache „Holocaust-Relativierung sowie israelbezogenen Antisemitismus salonfähig“, schrieben sie in einem Offenen Brief.

Unterstützung bekamen sie in ihrer Kritik von Bayerns Antisemitismus-Beauftragtem Ludwig Spaenle, der die Vorwürfe für gravierend hielt und sagte: „Ein renommiertes Theater muss bei einer solchen Inszenierung die nötige Sensibilität walten lassen.“

Intendant: Zitate sind aus dem Zusammenhang gerissen

Intendant und Regisseur Schölch hatte die Angriffe zunächst zurückgewiesen und erklärt, bei „Vögel“ handele es sich um eines der meistgespielten zeitgenössischen Stücke. „Das Stück, das unter Mitwirkung jüdischer Schauspieler*innen in Paris entstanden ist, hat seit 2017 eine Vielzahl von Aufführungen in Frankreich und Deutschland erfahren und ist auch in Israel gespielt worden. Es ist bisher nirgendwo zu solchen Vorwürfen gekommen“, ist der Mitteilung des Metropoltheaters zu entnehmen.

Die von den Studierendenverbänden angeführten Zitate seien aus dem Zusammenhang gerissen. Auch der ehemalige Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hatte die Inszenierung verteidigt. Er ist Vorsitzender des Freundeskreises des Theaters.

Die dpa führt weiterhin aus, das Theater habe sich nach Angaben des Kulturreferates nun auf einen nicht-öffentlichen Austausch mit den Studierenden geeinigt, die die Kritik erhoben hatten.

„Sie nahmen die Kritik von Anfang an auf, suchten den Austausch und wollen sich inhaltlich damit auseinandersetzen“, teilte das Referat über das Theaterteam mit. „Da sich die Vorwürfe vor allem auf die Originaltexte von Wajdi Mouawad beziehen, wurde auch umgehend der Verlag eingebunden.“

Institutionelle Förderung des Theaters erst mal nicht in Gefahr

Das Metropoltheater bekommt nach Angaben des Kulturreferates „eine institutionelle Theaterförderung, die vom Stadtrat beschlossen wurde“.

Daran solle sich erstmal auch nichts ändern: „Die Forderung nach einer Einstellung der Förderung wurde gestellt, bevor die notwendige inhaltliche Auseinandersetzung stattgefunden hat. Für das Kulturreferat kommt die Analyse vor der Bewertung.“

Grüne kritisieren Alt-OB Ude

Weitere kritische Stimmen kommen von den Grünen im Stadtrat. Sie richten sich unter anderem an den ehemaligen Oberbürgermeister Christian Ude.

Fraktionsvorsitzender Dominik Krause: „Allerdings ist es sehr befremdlich, wie damit umgegangen wird. Besonders Alt-OB Ude verfehlt mit seinem Vorwurf, es gehe den Studierenden darum‚ ein Reizthema zum 9. November zu veröffentlichen und nicht darum, sich ernsthaft mit einem Kunstwerk auseinanderzusetzen‘ vollkommen den Ton.“

Weiter heißt es in seiner Kritik: „Antisemitismus darf auch in Kunst und Kultur keinen Platz haben – es ist zu begrüßen, dass das Kulturreferat dies mittlerweile klargestellt hat.“ Allerdings: Wie Stadtrat Krause betont hat er selbst die Inszenierung bisher nicht gesehen.

Mit dem Hallo München-Newsletter täglich zum Feierabend über die wichtigsten Geschichten aus der Isar-Metropole informiert.

Auch interessant

Kommentare