Präsident Erdogan gewinnt Stichwahl in Türkei: Warum er viele Stimmen aus Deutschland bekommt ‒ Die Gründe

Erdogan gewinnt die Stichwahl in der Türkei gegen Kilicdaroglu und wird auch in München gefeiert. Warum der Präsident so viele Stimmen aus Deutschland bekommt...
München ‒ Recep Tayyip Erdogan hat sich bei der Stichwahl um das türkische Präsidentenamt gegen seinen Herausforderer Kemal Kilicdaroglu durchgesetzt. Dabei konnte er auch von vielen Stimmen aus Deutschland profitieren.
Beim Stand von rund 95 Prozent der ausgezählten Wahlurnen aus Deutschland kam der Amtsinhaber bei dieser Gruppe auf 67,4 Prozent der Stimmen, wie aus Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Sonntagabend hervorging. Offizielle Zahlen der Wahlbehörde zum Ergebnis der Stichwahl in Deutschland lagen zunächst noch nicht vor.
Präsident Erdogan gewinnt Stichwahl in Türkei - Viele Menschen aus Deutschland geben ihm ihre Stimme
Zuvor hatte sich Erdogan laut dpa zum Wahlsieger erklärt - noch vor Ende der Stimmauszählung. Die Wahlbehörde teilte nach Auszählung von 99,43 Prozent der Stimmen schließlich mit, dass Erdogan 52,14 Prozent und Kilicdaroglu 47,86 Prozent der Stimmen erhalten habe.
Erdogan schnitt bei den Wählerinnen und Wählern in Deutschland somit erneut deutlich besser ab als insgesamt. Im ersten Wahlgang vor zwei Wochen hatte er bei den Deutsch-Türken 65,5 Prozent der Stimmen bekommen. Bei der Wahl 2018 waren es 64,8 Prozent gewesen.
Gökay Sofuoglu, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, sagte, es sei ein hoch emotionalisierter Wahlkampf von beiden Seiten gewesen. „Und man weiß: Wenn es um Emotionen geht, kann eigentlich niemand gegen Erdogan gewinnen.“
Erdogan kommt gut bei Deutsch-Türken an - Die Gründe
Dass Erdogan bei den Wahlberechtigten in Deutschland so gut ankommt, hat laut Yunus Ulusoy vom Zentrum für Türkeistudien in Essen vielfältige Gründe: Zum einen kommen viele Menschen, die im Zuge der Arbeitsmigration in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts nach Deutschland kamen, aus dem anatolischen Kernland. Dort herrschten konservativ-religiöse Lebensstile vor - die Wertvorstellungen seien an die nächsten Generationen weitergegeben worden, sagte Ulusoy.
Gerade bei der jüngeren Generation, die eigentlich komplett in Deutschland sozialisiert worden sei, gebe es zudem mitunter eine Trotzhaltung. Es seien teils verletzende Erfahrungen gemacht worden, dass Türke oder Moslem zu sein in Deutschland keine große Wertigkeit hätten, sagte Ulusoy. „Und dann kommt ein Präsident, der ihnen das Gefühl gibt, diese Wertigkeit anzuerkennen, ihre Zugehörigkeit zur Türkei zu betonen und nicht zuletzt auch ihre Emotionen, ihre Herzen anzusprechen. Und das gelingt Erdogan sehr, sehr gut.“
Zudem verfüge Erdogan über eine schlagkräftige Organisationsstruktur in Deutschland, sagte er. „Die konservativen Milieus sind in Deutschland gut organisiert.“ In vielen Haushalten dominieren zudem türkische Medien - von denen ein Großteil von der Regierung kontrolliert wird.
Keine Beobachtung über unfaire Türkei-Wahl in Deutschland
Bei den Wahlen in Deutschland habe er aber nichts mitbekommen, was bemerkbar unfair gewesen wäre, sagte Ulusoy. In den Wahllokalen sei die Oppositionspartei CHP überall vertreten gewesen. Es sei eine sehr friedliche Wahl gewesen, wenn man bedenke, wie politisch gespalten die türkische Gesellschaft sei.
Sofuoglu von der Türkischen Gemeinde in Deutschland sagte, was die Türkeipolitik angehe, gebe es eine gespaltene Situation in Deutschland. Jetzt freue er sich darauf, dass man sich wieder stärker auf Themen in Deutschland konzentrieren könne. „Wir haben hier sehr viele Themen, die wir gemeinsam angehen müssen, die uns alle betreffen“, sagte er. Er verwies etwa auf den 30. Jahrestag des rassistischen Brandanschlags von Solingen am Montag.
Außerdem gelte es zu analysieren, warum Türkeistämmige in Deutschland vermehrt Erdogan wählten, sagte Sofuoglu. Hier sei aber auch die deutsche Politik gefragt: „Wenn die Menschen so politikinteressiert sind - warum kann man sie dann nicht gewinnen für die politische Auseinandersetzung in Deutschland?“, sagte er.
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