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50 Jahre Mittlerer Ring in München: Deutschlands-Staufalle Nummer 1 damals und heute

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Von: Kassandra Fischer, Marie-Julie Hlawica

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Rückblick auf 1969: das für damalige Zeiten gigantische Bauvorhaben in Deutschlands größtem Dorf. Mit dem Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München entstanden das kleine und das große Olympia-Stadion, samt Ringanschluss.
Rückblick auf 1969: das für damalige Zeiten gigantische Bauvorhaben in Deutschlands größtem Dorf. Mit dem Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München entstanden das Olympiastadion (oben) und die Olympiahalle (rechts), samt Ringanschluss. © Heinz Gebhardt

Vor 50 Jahren wurden die Arbeiten am Mittleren Ring pünktlich für die Olympischen Sommerspiele beendet. Ursprünglich als Heilsbringer gedacht, ist er heute die staureichste Strecke Deutschlands. Hier erhalten die Hallo-Leser einen Einblick in die Entstehung der Ringstraße...

München - Wer mit dem Auto quer durch München fahren will, kommt kaum an ihm vorbei: dem Mittleren Ring. 1952 beschlossen, feiert die Teertrasse im Mai ihren 50. Geburtstag. Täglich nutzen heute fast 150 000 Autos die knapp 30 Kilometer lange Asphaltbahn vom Münchner Westen in den Osten, einmal um die Stadtmitte herum. Ebenso viele Autos stehen dort oft stundenlang im Stau: Aus dem geplanten Heilsbringer ist heute ein Nadelöhr geworden. Immer wieder taucht der Mittlere Ring in Statistiken als verkehrsreichste Straße der Republik auf.

*HalloMuenchen.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
*HalloMuenchen.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA. © Hallo München

Vor 70 Jahren beschlossen, vor 50 Jahren fertig: Mittlerer Ring München feiert Geburtstag

Das bestätigt auch der Verkehrs- und umweltpolitische Sprecher des ADAC Südbayern, Alexander Kreipl, im Hallo-Gepräch: „Mit dem schnellen Wachstum der Landeshauptstadt und dem daraus resultierenden Verkehr kann der Ring nicht mithalten.“ Kein Wunder also, dass der Ring für viele nicht Segen, sondern Fluch bedeutet.

Schon vor fast hundert Jahren, 1927, überlegte man, wie man den Automobilverkehr aus der Münchner Altstadt halten könnte. Bremste der Zweite Weltkrieg diese Ideen aus, schlug Stadtbaurat Karl Meitinger noch im Jahr 1945 ein konkretes Ringstraßensystem zur Entlastung der Innenstadt vor. Er entwarf einen zusammenhängenden Verkehrs- und Parkring um die Altstadt, der vom Stadtrat angenommen wurde. Anfang der 1950er-Jahre wurde mit der Realisierung einzelner Teilabschnitte begonnen, 1952 im Süden mit dem Neubau der Brudermühlbrücke für eine Südtangente und 1953 im Osten mit der Richard-Strauss-Straße.

Zwischen Heute und diesem Bilder (nahe Olympiapark) liegt ein halbes Jahrhundert – Spazierengehen wäre heute lebensgefährlich.
Zwischen Heute und diesem Bilder (nahe Olympiapark) liegt ein halbes Jahrhundert – Spazierengehen wäre heute lebensgefährlich. © Heinz Gebhardt

50 Jahre Mittlerer Ring München: Olympia 1972 als Beschleuniger

Mit dem Titel Millionenstadt im Dezember 1957 wurde im Folgejahr der Generalverkehrs­plan beschlossen. Nachdem 1961 der zu Hilfe gerufene Kieler Architekt Professor Herbert Jensen die Leitung der Arbeitsgemeinschaft Stadtentwicklungsplan übernahm, wurde 1963 der Ringschluss festgeschrieben. Mit dem Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele 1972 nach München beschloss der Stadtrat 1966, dass die Baumaßnahmen für den Mittleren Ring bis dahin abgeschlossen sein sollen. Mit der Freigabe der dann gedoppelten Donnersbergerbrücke im Mai 1972 war der Mittlere Ring offiziell fertiggestellt.

Nicht erst jetzt, ein halbes Jahrhundert später, hat sich längst gezeigt, dass alle Verkehrsprognosen weit übertroffen wurden. Kreipl, auch Leiter für Verkehr, Technik und Umwelt beim ADAC, warnt: „Die Stadt muss Alternativen für die Fahrt mit dem Auto suchen, sonst droht München der Autokollaps. Allein in den vergangenen zehn Jahren gab es einen Zuzug in der Größenordnung einer Stadt wie Augsburg. Etwa 25000 bis 30 000 Menschen kamen jedes Jahr dazu – und mit ihnen mehr Individualverkehr. Das kann der Mittlere Ring nicht auffangen.“

Verkehrs-Experte: In München sind Alternativen gefragt

Kreipl plädiert für Alternativen: „München braucht sinnvolle Standorte, um Park&Ride zu installieren. Knoten- und Sammelpunkte für Mobility Hubs, um Autonutzern den Umstieg auf andere Verkehrsmittel leicht zu machen.“ Außerdem brauche es Sharing-Modelle – man könne nicht nur auf die ohnehin proppevollen Öffentlichen umsteigen.“

ADAC-Fachmann Kreipl sieht die Stadtspitze in der Verantwortung. „Die Stadt muss Geld in die Hand nehmen, um diese Ideen umzusetzen.“ Auch Siedlungsbau und Verkehrsplanung sollten Hand in Hand gehen: „Münchens Problem ist: Die Stadtentwicklung überholt die Planungen. Beispiel A 99. Sie wurde vor 15 Jahren eröffnet, die Verkehrsprognosen lagen falsch. Die maximal erwartete Nutzungskapazität wurde schon fünf Jahre nach Inbetriebnahme erreicht.

Auch Freiham, wo einmal 40 000 Menschen leben werden, ist schon jetzt ein verkehrsplanerisches Drama. Da wären Ingenieure gefragt, um den U-Bahnbau zum Bezug fertigzustellen.“ Jetzt, zum 50. Geburtstag des Mittleren Rings „wäre ein Ausbau zum fünfspurigen Autobahnring natürlich gut.“ Doch der Verkehrsexperte bedauert: „Die Pläne dazu wurden vor etwa zehn Jahren ad acta gelegt. Leider hatte der ADAC da kein Mitspracherecht.“

Interview mit Fotograf Heinz Gebhardt: „Der Ring war unvorstellbar“

Der Münchner Fotograf Heinz Gebhardt war schon als junger Mann in München mit seiner Kamera unterwegs. In vielen Bildern hat er so die Entwicklung der Stadt dokumentiert – auch den Bau des Mittleren Rings, wie die Fotos beweisen. Im Hallo-Interview verrät er, wie er den Bau damals erlebt hat.

Der München-Chronist Heinz Gebhardt.
Der Münchner Fotograf Heinz Gebhardt. © Heinz Gebhardt

Herr Gebhardt, Sie haben den Bau des Mittleren Rings als Fotograf begleitet. Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Es war damals ein großes Thema, ob es ihn überhaupt braucht. Einige Fachleute haben nicht geglaubt, dass es mal so viel Verkehr in München gibt. Sie lagen mit ihren Prognosen total daneben.

Was war deren Annahme?

Stadtplaner Professor Kurt Leibbrand glaubte allen Ernstes, „dass auf dem Gelände des heutigen Mittleren Rings zwischen Ramersdorf und Effnerplatz in Zukunft Weideland mit großen Schafherden entstehen würde“, wie sich der „Vater der Münchner U-Bahn“, Dr. Klaus Zimniok, in seinem Buch „Eine Stadt geht in den Untergrund“ erinnerte.

Und dennoch kam der Mittlere Ring…

Es gab damals auch die Idee einer direkten Verbindung quer durch München. Dass die Stadt heute so ist, wie sie ist, haben wir Oberbürgermeister Hans Jochen Vogel zu verdanken. Die wenigen Realisten sammelte sich um ihn, allen voran Professor Herbert Jensen, der den Albtraum einer „autogerechten Innenstadt“ beendete und die Fußgängerzone erfand.

Wie reagierte die Bevölkerung auf die Pläne zum Ring?

In meiner Erinnerung haben sich die Leute gar nicht richtig vorstellen können, wie das mal wird.

Auf einem Foto halten sich Anwohner die Ohren zu. Also freuten sich nicht alle über die Baustelle...

Während des Baus des Brudermühltunnels wurde eine Brücke über die Straße gebaut. Da sind dann Autos vor den Fenstern des ersten und zweiten Stocks vorbeigefahren.

Anwohner halten sich vom Lärm der Baustelle die Ohren zu.
Anwohner halten sich vom Lärm der Baustelle die Ohren zu. © Heinz Gebhardt

Nun gibt es den Mittleren Ring heuer bereits 50 Jahre. Was ist Ihr Fazit?

Heute könnte man daran zweifeln, ob es den Mittleren Ring wirklich gebraucht hat, denn man steht heute in München genauso lange im Stau wie früher ohne Mittleren Ring…

Zum 50. Geburtstag des Mittleren Rings: Infos rund um Deutschlands staureichste Straße

Offiziell heißt das geteerte Geburtstagskind B2R. Die Asphalt­trasse verläuft als Ring­straße vollständig innerhalb des Münchner Stadtgebiets.

Sie ist auf insgesamt 29,17 Kilometern Länge mindestens vierspurig ausgebaut. Es existieren heute insgesamt zwölf Tunnel, die allesamt dem Lärmschutz und der Verbesserung des Verkehrsflusses dienen sollen: etwa an der Brudermühlstraße zwischen Schlachthofviertel und Thalkirchen, der Petueltunnel, über dem nach Eröffnung 2002 ein neuer Park entstanden ist, und der neueste, der im Juli 2015 am Luise-Kiesselbach-Platz freigegeben wurde. So ist der Mittlere Ring fast kreuzungsfrei. Mit durchschnittlich 142 000 Fahrzeugen täglich ist er aber auch die am stärksten befahrene Hauptverkehrsstraße in München. Zugleich ist er ein Negativ-Rekordhalter: als staureichste Strecke Deutschlands.

Die B2R trägt abschnittsweise einzelne Straßennamen: Isarring, Richard-Strauss-Straße, Leuchtenbergring, Innsbrucker Ring, Chiemgaustraße, Tegernseer Landstraße, Candidstraße, Brudermühlstraße, Heckenstallerstraße, Garmischer Straße, Trappentreustraße, Donnersbergerbrücke, Landshuter Allee, Georg-Brauchle-Ring, Petuelring und Schenkendorfstraße.

Auf dem Weg rund um die Innenstadt durchkreuzt der Mittlere Ring neun Münchner Stadtviertel: Schwabing, Bogenhausen, Berg am Laim, Ramersdorf, Untergiesing, Sendling, Schwanthalerhöhe, Nymphenburg, Milbertshofen.

Der Olympiapark in München wird 50 Jahre alt und zählt mit seinem ikonischen Zeltdach längst zu den Wahrzeichen der Stadt. Doch es stehen Sanierungen an...

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