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Kampagne zu Hodenkrebs-Erkrankungen ‒ Psychologische Hilfe nach der Diagnose für Patienten in Bayern

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Von: Sabina Kläsener

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Vier Fußballspieler von Borussia Mönchengladbach schützen bei einem Freist0ß ihre Geschlechtsteile mit den Händen.
Zugreifen erwünscht: Die Krebsgesellschaft rät Männern, ihre Hoden zur Vorsorge einmal im Monat selbst zu untersuchen. © Bernd Thissen/dpa

Ein Schlüssel im Umgang mit schweren Erkrankungen wie Hodenkrebs ist die Seele. Psychologen und Onkolotsen sollen Patienten nach der Diagnose mental beistehen.

München ‒ „Check your balls“: So heißt die neue Kampagne der Bayerischen Krebsgesellschaft (BKG) zu Hodenkrebs. „Damit wollen wir junge Männer abholen“, erklärt Markus Besseler, Geschäftsführer und Beratungsstellenleiter der BKG, die ihren Sitz an der Nymphenburger Straße 21a hat. Die Erkrankung betreffe vor allem Männer zwischen 18 und Ende 40.

Für die Kampagne kooperiert die BKG mit Sportvereinen, um Männer zu sensibilisieren, Veränderungen an sich selbst zu beobachten und abchecken zu lassen. Denn es gilt: „Hodenkrebs kann man gut therapieren – je früher er erkannt wird, desto größer sind die Heilungschancen.“

Weitere Infos gibt es auf www.checkdichselbst.de.

Menschliche Psyche und Krebserkrankungen: Psychoonkologen helfen Patienten bei Sorgen und Ängsten

Ein Faktor bei Krebserkrankungen ist die Gefühlswelt. Besseler stellt klar: „Die Psyche ist nicht ursächlich für die Erkrankung, allerdings kann sie zur Verbesserung der Lebensqualität im Umgang mit dieser entscheidend beitragen.“ In diesem Bereich agieren Psychoonkologen. Diese gibt es im stationären Bereich sowie in der Reha.

„Gleiches trifft für den ambulanten Bereich zu. Dort gibt es in den Krebsberatungsstellen Psychoonkologen, die sozialpädagogisch und psychologisch qualifiziert sind.“ Sie helfen bei Sorgen und Ängsten, aber auch bei Fragen – etwa wie man wieder in den Beruf eingegliedert werden kann.

Konzept der Onkolotsen: In München sollen Pflegekräfte Patienten nach der Krebs-Diagnose unterstützen

Ein anderes Konzept sind sogenannte Onkolotsen. Dabei handelt es sich meist um Pflegekräfte, oftmals mit onkologischer Erfahrung. „Ich treffe die Personen, nachdem sie die Diagnose Krebs bekommen haben“, erklärt Elke Putzek-Holzapfel, die als Lotsin im Universitätsklinikum Erlangen arbeitet.

Die sächsische Krebsgesellschaft ist bei dem Thema Vorreiter und bietet eine Weiterbildung zum Onkolotsen an – in München ist das Konzept kaum vertreten. Vor zwei Jahren gab es beim CCC-Krebszentrum der LMU ein Pilotprojekt, doch der Zugang von Patienten zu Lotsen lief noch nicht ideal. „Das Thema muss nochmal neu gedacht werden, wie Patienten profitieren können“, erklärt Zentrumskoordinatorin Dr. Theres Fey.

Mitte des Jahres wird für ein neues Projekt ausgebildetes Pflegepersonal freigestellt. Geplant ist eine Zusammenarbeit mit weiteren unterstützenden Angeboten. Ziel sei, für jedes Zentrum eine Teilzeitstelle zu schaffen. „Es ist auch eine Chance, Pflegekräfte zu halten, die auf dem Absprung sind – zum Beispiel wegen des Schichtdienstes.“

„Ich verändere keine Diagnose, gebe aber Halt“ ‒ Elke Putzek-Holzapfel arbeitet seit 2020 als Onkolotsin

Seit August 2020 arbeitet Elke Putzek-Holzapfel als Onkolotsin im Uniklinikum Erlangen. Lotsen besuchen die Patienten nach der OP, und wenn gewünscht auch bei Diagnostik- und Therapiegesprächen. „Ich bin seit vielen Jahren Krankenschwester – lange davon auf der Palliativstation.“ Dann gab es die Ausschreibung für das Projekt des Patientenlotsen. „Die Chance habe ich ergriffen, weil ich das Konzept mit aufbauen wollte.“

Elke Putzek-Holzapfel ist Onkolotsin im Uniklinikum in Erlangen.
Als Onkolotsin unterstützt Elke Putzek-Holzapfel seit August 2020 Patienten im Uniklinikum Erlangen. © Kerstin Bönisch/Uniklinikum Erlangen

Putzek-Holzapfel (60) trifft die Menschen in einem schwierigen Moment: der Diagnose. „Der Boden wird ihnen unter den Füßen weggezogen.“ Denn in den meisten Köpfen sei immer noch tief verankert, dass Krebs Sterben und Tod bedeute. „Ich verändere keine Diagnose, kann aber Halt und Sicherheit geben.“

Zeit für unangenehme Fragen: Onkolotsen sind für Patienten mit akutem Gesprächsbedarf da

Die Patienten können anrufen, wenn sie akut Gesprächsbedarf haben. „Wenn man sich dann zu ihnen setzt, Zeit hat und zuhört, können Barrieren überwunden und Fragen gestellt werden, die zunächst unangenehm erscheinen.“ Dabei gehe es auch darum, was neben der Therapie sonst noch getan werden kann. Oft geht es um Ernährung, aber auch um Kosmetik oder Haarersatz.

Es sei ein wichtiges Angebot. „Die Behandlung von Krebs ist komplexer geworden. Viele Menschen sind alleinstehend, die Familienbande ist nicht mehr so eng. Manche Patienten wollen ihre Angehörigen auch nicht belasten, sondern schützen.“

Im Gespräch mit ihr würden auch mal Tränen rollen. Ihre Arbeit sei ergänzend: „Die Aufklärungsgespräche der Ärzte sind sehr gut, allerdings ist deren Zeit begrenzt. Falls nötig, erkläre ich medizinische Fachbegriffe im Anschluss in einfacher Sprache.“

„Krank zu sein, ist ein 24-Stunden-Job“ ‒ Onkolotsen können für Krebskranke eine wichtige Konstante sein

Sie ist aber auch eine Konstante, eine Begleiterin, denn die Abläufe sind schnell. „Krank zu sein, ist ein 24-Stunden-Job.“ Da sei es schön, ein vertrautes Gesicht zu haben. Sie besuche die Patienten zudem auf den verschiedenen Stationen. „Manche fragen, ob ich beim Nachsorgetermin dabei sein kann, um sie zu unterstützen.“ Viele erzählen ihr, wie wichtig es für sie sei, dass sie sich die Zeit nehme.

„Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell sich mir die Menschen in kurzer Zeit anvertrauen.“ Selbstfürsorge sei aber auch für Lotsen wichtig: „Ich hatte auch eine junge Patientin, die über ihre Beerdigung sprechen wollte. Es war ihr ein Bedürfnis. So ein Gespräch ist auch für einen Lotsen belastend.“

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