Obdachlosenhilfe der Pfarrei St. Bonifaz ist für viele ein Ort der Zuflucht - und das schon seit 30 Jahren

In der Pfarrei St. Bonifaz der Maxvorstadt leitet Emmanuel Rotter seit 30 Jahren mit großem Erfolg die Obdachlosenhilfe – auch dort wird aktuell geimpft.
Maxvorstadt - „Ich sage immer, ich wäre gerne arbeitslos“, seufzt Frater Emmanuel Rotter. Das würde nämlich bedeuten, dass es in München kaum noch Obdachlose geben würde. Denn um die kümmert er sich seit 30 Jahren in St. Bonifaz (s. Kasten). Diese Anlaufstelle hat eine immense Bedeutung für die Stadt. „Wir sind die einzige Stelle, die in der Früh alles kompakt anbietet: Essen und Trinken, ärztliche Versorgung, Sozialarbeit, Duschen und Kleiderkammer.“

Pfarrei St. Bonifaz: Obdachlosenhilfe schafft Zufluchtsort seit 30 Jahren
Außerdem: Eine Postadresse für etwa 800 Menschen, die derzeit auf der Straße leben. „Wir leisten niederschwellige Arbeit. Bei uns braucht man keine Nachweise, das macht uns aus.“ An fünf Tagen pro Woche ist von 7 bis 13 Uhr geöffnet, bloß am Wochenende ist zu.
Zwölf Hauptamtliche – davon acht ehemals wohnungslos – sowie 20 Ehrenamtliche beschäftigt St. Bonifaz inzwischen. Aussagen wie „Suppenküchen ziehen Obdachlose an“, ärgern Rotter besonders. „Wenn es all die Suppenküchen oder Tafeln nicht gäbe, wären die Obdachlosen und Hilfsbedürftigen ja trotzdem da. Hier wird nichts herangezogen, weil es diese Menschen ja real vor Ort gibt“, entgegnet er dann.

Obdachlosenhilfe St. Bonifaz: Corona ist eine große Schwierigkeit aber kein Hindernis für die Arbeit
Die größte Schwierigkeit aktuell: die notwendigen Abstände im Speisesaal. Normalerweise passen 75 Personen rein. Zurzeit dürfen sich dort wegen der Pandemie bloß etwa 13 gleichzeitig aufhalten. Spätestens alle 50 Minuten erfolgt ein Wechsel. Dennoch: Werktags können weiterhin knapp 200 Personen pro Tag versorgt werden.
Neben warmem Essen und Trinken gibt es an der Karlstraße 34 Duschgelegenheiten, eine Kleiderkammer und Beratung von Sozialarbeitern. Auch gesellschaftlich macht sich Corona in St. Bonifaz bemerkbar: „Vermehrt kommen Rentner oder Studenten, die normalerweise Minijobs hatten, jetzt zum Duschen, Essen oder Kleider holen zu uns.“ Zwar noch nicht in Massen, „aber sie sind sichtbar da“.
Obdachlosenhilfe am Haneberghaus: Corona-Impfung auch für Wohnungslose
Geimpft wird ebenfalls in St. Bonifaz – bereits über 300 Leute in der Arztpraxis des Haneberghauses, überwiegend Obdachlose. Die nächste Aktion der Stadt, Caritas und Inneren Mission findet am Donnerstag, 16. Dezember, von 10 bis 16 Uhr im Pfarrsaal statt.
Die Impfquote unter den Obdachlosen sieht Rotter ähnlich wie beim Rest der Gesellschaft. „Hier gibt es ebenso Leute, die an Verschwörungstheorien glauben, wie solche, die ganz erpicht darauf sind, ihre Impfung zu bekommen.“ Was er ebenfalls beobachtet: „In Massenunterkünften wie der Bayernkaserne haben viele Angst, sich anzustecken“. Die Alternative: alleine, im Kalten, draußen auf der Straße.
Emmanuel Rotter - seit 1991 Pionier der Obdachlosenarbeit
1990 trat Emmanuel Rotter dem Orden von St. Bonifaz bei. Vom Landleben geprägt habe er viele Vorurteile mitgebracht. „Obdachlose sind Penner, Nichtstuer, die auf unsere Kosten leben. Das haben sie damals gesagt“, erinnert sich der heute 54-Jährige. Als Novize an der Pforte hatte er erstmals persönliche Berührungspunkte. „Täglich kamen etwa vier bis fünf Männer und haben sich etwas erbeten.“ Schnell kam die Erkenntnis – alle Vorurteile waren Unsinn. Für Rotter stand fest: „Da müssen wir mehr tun.“
Kurzerhand besuchte er Plätze wie den Hauptbahnhof und den Stachus, redete mit den Menschen, fragte, was sie sich wünschen. „Einen Ort, an dem sie sie selbst sein können, an dem sie nicht weggescheucht werden.“ Und genau das schuf Rotter ab 1991. Es begann mit ein paar Tischen und einem Topf Suppe vor der Pforte. Das Angebot sprach sich herum, immer mehr Leute kamen. 2001 wurde das Haneberghaus im Klostergarten gebaut. Dort sind heute Jugendarbeit und Obdachlosenhilfe zusammengefasst.
Pünktlich zur Adventszeit: Neuer Pfarrer für St. Bonifaz
Kurz vor Weihnachten hieß es für Pater Lukas Essendorfer Umzugskisten packen. Der 48-Jährige übernahm pünktlich zum 1. Dezember die Leitung der Pfarrei St. Bonifaz. „Volkssprachlich bin ich für viele jetzt der neue Pfarrer“, sagt er. Offiziell nennt sich seine Berufsbezeichnung Pfarradministrator. „Ich bin vor Ort der, auf den man zukommt“, erklärt Essendorfer seine neue Funktion.

Maxvorstadt: Vom Krankenpfleger zum Leiter der Pfarrei St. Bonifaz
Geboren und aufgewachsen ist er in Bad Tölz. Nach dem Abitur lies er sich zunächst zum Krankenpfleger ausbilden und arbeitete mehrere Jahre in der Pflege. Ein Jahr Auszeit in Israel und ein Master-Studium folgten. 2009 fand er dann seine heutige Berufung und trat dem Konvent Sankt Bonifaz bei. Dort lebte er einige Jahre – auch während er von 2015 bis 2017 für zwei Jahre in der Untergiesinger Gemeinde St. Franziskus tätig war.
In den letzten Jahren wohnte und arbeite er im Kloster Andechs. Dort war er als Kaplan im Klosterort Erling sowie in den umliegenden Dörfern Machtlfing und Frieding tätig, besuchte Kranke und Senioren in Pflegeheimen oder war für die Firmungen zuständig. An der Zeit im Kloster habe er vor allem die Nähe zur Natur geschätzt. „Ich bin aber auch gerne in der Stadt“, sagt er mit Blick auf seine Aufgabe in München. „Ich freue mich auf vielfältige Begegnungen – auch mit Menschen, die ganz anders leben.“
Pfarrei St. Bonifaz: in der Maxvorstadt sollen auch junge Leute erreicht werden
Kontakte zur benachbarten Obdachlosenhilfe im Haneberghaus inklusive. Als Herausforderung sieht er in der Maxvorstadt zudem vor allem die Frage, wie er die vielen jungen Menschen erreichen kann. „Es ist wichtig, dass man ihre Lebenswelt, ihre Fragen, aber auch ihre Kritik ernst nimmt.“ Da die Pfarrei im Kunstareal angesiedelt ist, kann er sich zudem vorstellen, in dieser Hinsicht künftig mehr zu kooperieren.
Quelle: www.hallo-muenchen.de