Damit sind wiederum die tiefer liegenden Herausforderungen, die im öffentlichen Raum sichtbar werden, angesprochen: Klimawandel, Wohnungsknappheit, Mobilitätswende.
„Der anspruchsvollste öffentliche Raum, den wir in den nächsten zehn Jahren diskutieren und gestalten müssen, ist für mich der Bahnhofsvorplatz“, sagt Merk. Dort gebe es besondere Anforderungen: Wie viele Trambahnen können einen Fußgängerbereich queren, wie schafft man Platz für Busse. „Gleichzeitig ist der Bahnhofsvorplatz das Entrée in die Altstadt und muss eine ganz andere Qualität an der Oberfläche kriegen.“
Fragen und Kritik der Bürger stellt sich die Stadtbaurätin im Rahmenprogramm der Ausstellung in Dialogveranstaltungen. „Ich erwarte mir eine große Bereitschaft zu diskutieren, wie man den Bestand verbessern kann. Gerade in Sanierungsgebieten stellen wir fest: Die Menschen wünschen sich nichts Spektakuläres. Sitzgelegenheiten, einen Brunnen mit Trinkwasser, Bäume, Freiflächen, neue Bodenbeläge.“
Es könnte also ganz einfach sein – würden nicht so viele Interessen aufeinandertreffen: Wenn für grüne Parklets Parkplätze weichen müssen – freut das vielleicht Bürger ohne Balkon, ärgert aber den Pendler mit Auto. Wenn sich ein Platz zum Hotspot entwickelt, wo auch lautere Veranstaltungen stattfinden, fühlen sich Anwohner gestört, die Feiernden freut es hingegen. „Ich denke, wir müssen Prioritäten setzen“, erklärt Merk. „Die Konflikte sind größer, als dass man es allen recht machen könnte.“ Differenzierte Orte sind ihre Lösung: solche, „wo es laut hergehen darf, aber auch welche, wo man Ruhe finden kann.“
Das Wohlfühlen im öffentlichen Raum müsse also allen möglich sein. So nimmt sie auch die Schattenseiten der Stadt in den Blick: „Es ist wichtig und richtig, dass wir darüber nachdenken, welchen Raum wir etwa wohnungslosen Menschen geben“, sagt Merk – und stellt sich damit gegen sogenannte „defensive Architektur“.
Aktivisten haben die Armlehnen auf 23 Bänken in der S-Bahn-Station „Marienplatz“ entfernt, um auf die Verdrängung von obdachlosen Menschen aufmerksam zu machen. „Die Armlehnen verhinderten bisher, dass Menschen auf den Bänken übernachten können“, erklären die Aktivisten in einem Statement. „Statt darauf zu warten, dass Parteien unsere Probleme lösen, nehmen wir die Dinge selbst in die Hand.“ Gegen solche „defensive Architektur“ stellt sich auch die Stadtratsfraktion von Die Linke/Die Partei. Sie fordert jetzt in einem Stadtratsantrag ein Verbot und die Entfernung menschenfeindlicher Architektur.
Die heurige Jahresausstellung des Planungsreferats „In aller Öffentlichkeit. Stadtgestalt und öffentlicher Raum in München“ beschäftigt sich mit den Potenzialen und Herausforderungen in der Innenstadt und den Stadtquartieren. Zu sehen ist sie in der Rathausgalerie, Marienplatz 8, von Freitag, 27. Januar, bis Sonntag, 26. März, täglich von 13 bis 19 Uhr. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen: www.muenchen.de/publicspace
Wie stellen sich Bürger und bürgerschaftliche Organisationen eine lebenswerte Stadt und zukunftsfähige Mobilität vor?
Bis Donnertag, 9. Februar können sie Projektideen für die Neugestaltung des öffentlichen Raums einreichen. Diese sollen zum „2. Münchner Mobilitätskongress“ umgesetzt werden. Weitere Infos und das Antragsformular finden sich im Internet unter www.muenchenunterwegs.de.
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