Corona-Thesen im Check (2): Das sagen Münchner Experten zur Booster- und Kinderimpfung

Durch die Omikron-Variante gewinnt das Thema „Impfung“ wieder deutlich an Relevanz. Welche aktuell verbreiteten Thesen stimmen erklären zwei Mediziner hier:
Soll ich mein Kind jetzt wirklich impfen lassen? Was bringt das aktuelle Boostern angesichts der Omikron-Welle? Über diese und ähnliche Fragen wird heftig diskutiert. In einer kurzen Serie prüfen wir aktuell zusammen mit Münchner Experten einige gängige Corona-Thesen und -Streitpunkte und geben einen Überblick über die aktuelle Faktenlage.

In Teil 1 des Thesen Checks haben uns die Experten ihr Wissen zum Thema Impfstoffe und Intensivbettenbelegung weitergegeben, Teil 3 widmet sich den Thesen zur Impflicht, Long-Covid und Schnelltests.
Corona-Thesen im Check: Prof. Dr. Ulrich Mansmann und Prof. Dr. Clemens Wendtner zu den Kinder- und Booster-Impfungen
These 1: Sich jetzt boostern zu lassen bringt gar nichts, da die aktuellen Impfstoffe gegen Omikron ohnehin nicht wirken.
Prof. Dr. Ulrich Mansmann: Nein, so stimmt es nicht: Es gibt erste Anzeichen für einen Effekt der bisherigen mRNA-Impfstoffe auch gegen die Omikron-Variante. Dieser Effekt wird vermutlich nicht so stark sein wie der gegen die Delta-Variante. Es wird von einer 70-prozentigen Effektivität bei schweren Verläufen ausgegangen.
Dieser Effekt ist schwächer als bei der Delta-Variante, aber auch relevant. Reduziert sich die Anzahl der schweren Verläufe mindestens auf die Hälfte, so ist das hilfreich für den Einzelnen aber vielleicht nicht genug zur Entlastung des Gesundheitssystems. Dies muss sich aber in weiteren Studien erhärten und präzisieren.
Prof. Dr. Clemens Wendtner: Allgemein gesprochen: In großen Booster-Studien mit über einer Million Beteiligten zeigte sich bereits sieben Tage nach der Auffrischungsimpfung ein um den Faktor 20 erhöhter Schutz gegen eine schwere Covid-Erkrankung. Bezogen auf Omikron ist zwar die Datenlage noch dünn. Aber die Grundimmunisierung aus zwei Impfungen schützt nicht sehr gut gegen Omikron. Der Booster ist hier entscheidend!

Das heißt, wer bereits seine Drittimpfung erhalten hat, um sich sehr gut gegen Delta zu schützen, genießt auch einen signifikanten Schutz gegen Omikron. Wir sind uns zwar sicher: Es wird einen angepassten Impfstoff gegen Omikron geben. Das kann aber bis April dauern. Doch das Risiko besteht jetzt. Das heißt: Jeder sollte sich jetzt impfen beziehungsweise boostern lassen. Das ist das Gebot der Stunde.
These 2: Kinder zwischen fünf und elf Jahren ohne Vorerkrankung impfen zu lassen, ist unnötig, da ihr Risiko, schwer zu erkranken, minimal ist.
Prof. Dr. Ulrich Mansmann: Es stimmt, dass das Risiko-Nutzenverhältnis bei den Kindern – mehr gesundheitliche Risiken unter der Impfung als Vorteile – gegen die Impfung spricht. Dennoch entscheiden sich viele Eltern für die Impfung ihrer Kinder. Bei der sich nun entwickelnden Omikron-Variante wird die Impfung der Kinder zu einem beträchtlichen Teil der Herdenimmunität beitragen.
„Kinder kompensieren, was Impfgegner verweigern“
Das ist von Interesse, weil Omikron sehr infektiös ist, damit einen hohen Reproduktionswert – etwa 20, wie die Masern – impliziert und einen höheren Anteil Geimpfter – etwa 95 Prozent – verlangt, um die Herdenimmunität zu erreichen. Kinder kompensieren damit, was durch erwachsene Impfgegner als Beitrag zur Herdenimmunität verweigert wird. Als weitere Gründe für die Impfung der jungen Kinder wird die Aufrechterhaltung des Schulbetriebes genannt.
Der LMU-Experte
Prof. Dr. Ulrich Mansmann ist seit 2005 Direktor des Instituts für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie an der Medizinischen Fakultät der LMU München. Zu seinen Arbeitsbereichen gehört unter anderem die Anwendung statistischer Modelle in Epidemiologie und Public Health.
Der Chef-Arzt
Prof. Dr. Clemens Wendtner ist Chefarzt der Infektiologie in der München Klinik Schwabing und hat die ersten Covid-
Patienten Deutschlands betreut. Zum Redaktionsschluss wurden in der München Klinik 74 Personen mit bestätigter Covid19-Infektion (28 davon auf der Intensivstation) sowie zwei Verdachtsfälle betreut.
Quelle: www.hallo-muenchen.de