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Impfung, Boostern und Intensivbettenbelegung - Münchner Experten klären auf

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Von: Marco Litzlbauer

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Machen Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte Sinn? Wie gut sind die Impfstoffe wirklich? In Hallo München klären Experten auf.
Machen Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte Sinn? Wie gut sind die Impfstoffe wirklich? In Hallo München klären Experten auf. © Peter Kneffel

Über die aktuelle Infektionslage kursieren viele Aussagen und es herrscht Unsicherheit. Was stimmt, was stimmt nicht? Das sagen Münchner Experten dazu...

Machen Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte Sinn? Wie gut sind die Impfstoffe wirklich? Und kann man den Ungeimpften die Schuld an der aktuellen Infektionslage geben? Über diese und ähnliche Fragen wird heftig diskutiert. Wir prüfen diese und in den kommenden Wochen einige dieser Thesen mit Münchner Experten auf ihren Wahrheitsgehalt.

*HalloMuenchen.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.
*HalloMuenchen.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA. © Hallo München

These 1: Ungeimpfte sind die Pandemietreiber.

Dr. med. Franz Brettner: Es stimmt, dass praktisch alle derzeitigen Corona-Intensivpatienten ungeimpft sind. Ob das dann automatisch die Treiber der Pandemie sind, weiß ich nicht – denken Sie an die hohe Inzidenz bei den Kindern. Aber in jedem Fall sind es die Treiber der Intensivbelegung.

Die aktuellen Corona-Zahlen für München finden Sie in unserem gesonderten Artikel.

Prof. Dr. Ulrich Mansmann: Die Infektiösität Geimpfter ist nachweislich geringer als die Ungeimpfter. Es wird von einem Faktor vier bis fünf gesprochen. Nun gibt es etwa 70 Prozent Geimpfte und 30 Prozent Ungeimpfte. Damit gehen etwa 68 Prozent der Infektionen von Ungeimpften aus und 32 Prozent von Geimpften. Somit haben Geimpfte für mich auch einen wesentlichen Beitrag an Infektionen. Die Aufteilung der Welt in die guten Geimpften und die bösen Ungeimpften ist nicht gerechtfertigt.

Eine Übersicht über Impfmöglichkeiten in München und deren Öffnungszeiten gibt es in einem gesonderten Artikel.

These 2: Kreuzimpfungen mit zum Beispiel Moderna werden nur empfohlen, weil Impfstoffe wie Biontech rar sind.

Experten über Corona: Kreuzimpfungen haben Vorteile

Prof. Dr. Ulrich Mansmann: Kreuzimpfungen – zwei Mal Biontech und ein Mal Moderna – haben für Erwachsene Vorteile für die Entwicklung einer stärkeren Immunität. Personen unter 30 Jahren sollte man eher drei Mal Biontech geben, da für diese Altersgruppe bei Moderna Nebenwirkungen auftreten können. Man kann davon ausgehen, dass auch eine Kreuzimpfung AstraZeneca + Biontech + Moderna für ältere Geimpften keine Nachteile bringt im Vergleich zu AstraZeneca + zwei Mal Biontech. Moderna ist ein sehr guter Impfstoff und sollte aufgrund der schlechten Kommunikation aus dem Bundesministerium für Gesundheit nicht falsch eingeschätzt werden.

These 3: Es sind noch fünf Prozent der Intensivbetten frei, wieso wird dann überdramatisiert?

Experten über Corona: Andere Patienten müssen zu früh aus Intensivbett entlassen werden

Dr. med. Franz Brettner: Grundsätzlich heißt das, dass aber 95 Prozent der Betten belegt sind, was bedeutet, dass man wenig Reaktionsmöglichkeiten für unvorhergesehene Aufnahmen hat. Das Personal muss bei Neuaufnahmen eventuell andere Patienten rasch entlassen, die noch Überwachungsbedarf hätten.

Prof. Dr. Ulrich Mansmann: Die Sache mit den Intensivbetten ist etwas komplexer. Aufgrund der hohen Kosten solcher Betten ist jede Klinik bemüht, diese voll zu belegen. Betten werden frei, wenn man Patienten wieder auf Normalstationen verlegen kann. Hier hat jedes Krankenhaus unter Normalbetrieb ein Gleichgewicht gefunden, um für neu auf der Intensivstation eintreffende Patienten entsprechende Betten frei zu haben. Kommt es im Normalbetrieb dennoch zu Engpässen, finden Verlegungen in andere Häuser statt. Mit Corona-Patienten kommt in zweifacher Weise dieses Gleichgewicht in Unordnung: Der Zufluss zur Intensivstation nimmt zu und die Liegedauer der Patienten verlängert sich deutlich. Weiterhin muss der Betrieb eines Intensivbettes mit entsprechenden Personal-Kapazitäten verbunden sein. Diese sind ebenfalls im Laufe des Jahres 2021 gesunken. Daraus ergibt sich die angesprochene dramatische Situation. Neue Betten kann man nicht einfach mal dazukaufen. Um jedes Bett muss eine komplexe Infrastruktur geschaffen werden.

Der LMU-Experte

Prof. Dr. Ulrich Mansmann ist seit 2005 Direktor des Instituts für Medizinische Informationsverarbeitung, Biometrie und Epidemiologie an der Medizinischen Fakultät der LMU München. Zu seinen Arbeitsbereichen gehört unter anderem die Anwendung statistischer Modelle in Epidemiologie und Public Health.

Prof. Dr. Ulrich Mansmann
Prof. Dr. Ulrich Mansmann © privat

Der Chef-Arzt

Dr. med. Franz Brettner ist bei den Barmherzgen Brüdern in Nymphenburg Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin und Facharzt für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin. Seine Klinik ist akademisches Lehrkrankenhaus der TU München und eines der Schwerpunkt-Krankenhäuser der Stadt für Covid-19-Patienten.

Dr. med. Franz Brettner
Dr. med. Franz Brettner © Rehm

In Teil 2 unseres Thesen-Checks haben sich die Experten den Aussagen über die Booster- und Kinder-Impfung gewidmet. In Teil 3 werden Thesen zur Impflicht, Long-Covid und Schnelltests geprüft.

Quelle: www.hallo-muenchen.de

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