Geschichtswerkstatt Neuhausen: Alte Gerüchte übers Viertel aufgedeckt

Über das Münchner Stadtviertel Nymphenburg-Neuhausen gibt es viele alte Gerüchte und falsche Geschichten. Stadtteilhistoriker spüren diese auf und stellen sie richtig.
Neuhausen - Falschmeldungen, Gerüchte, frei Erfundenes: Stadtteilhistoriker wie Franz Schröther, die mit Leidenschaft und Sorgfalt die Geschichte ihres Viertels erforschen, haben damit für gewöhnlich nichts am Hut.

Ganz im Gegenteil: „Es ärgert mich maßlos, wenn man zu faul ist, zu recherchieren, und sich einfach einen Schmarrn ausdenkt“, sagt der Vorsitzende der Geschichtswerkstatt Neuhausen.
Obwohl: Etwas Gutes kann Schröther den falschen Geschichten über Neuhausen-Nymphenburg nun doch abgewinnen. Sie liefern jede Menge Stoff für mehrere spannende Projekte.
Das erste – ein für Anfang Dezember geplanter Vortrag – wurde Corona-bedingt zwar kurzfristig abgesagt, soll aber baldmöglich nachgeholt werden. Und für Herbst 2022 ist bereits eine Ausstellung samt Buch rund um historische „Fake-News“ geplant.
Schröther teilt die Märchen und Geschichten, die teils über Jahrhunderte überliefert worden sind, in drei Kategorien ein. Die ältesten sind die Legenden. „Die reichen bis zu 800 Jahre zurück wie die Legende vom Heiligen oder Seligen Winthir.
Der wurde allerdings nie offiziell heilig- oder seliggesprochen“, betont der Viertelhistoriker. Dennoch hält sich die Verehrung von Neuhausens Dorfpatron ungemindert. „Er ist eben ein Volksheiliger.“

Gerüchte sind die zweite, meist mündlich weitergegebene Sorte an Unwahrheiten über Neuhausen-Nymphenburgs Vergangenheit. „Beim Schlosskanal zum Beispiel hält sich hartnäckig das Gerücht, dass er von türkischen Kriegsgefangenen gegraben worden sei.
Das habe ich in den 50er-Jahren im Heimatkundeunterricht noch so gelernt“, erzählt Schröther. Mit ein paar belegten Fakten kann er diese Mär jedoch ganz schnell widerlegen: Tatsächlich hatte Kurfürst Max Emanuel 1688 in den sogenannten Türkenkriegen Gefangene nach München gebracht.
Der Schlosskanal wurde aber erst 1728 bis 1730 gebaut. „Da waren die Gefangenen mindestens 60 Jahre alt – so alt wurde damals kaum jemand. Außerdem gab es bereits im März 1700 einen Kriegsgefangenenaustausch und die Türken wurden wieder heimgeschickt.“

Die größte Sparte machen die Falschmeldungen aus Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und dem Internet aus. Rund 45 Beispiele hat die Geschichtswerkstatt davon angesammelt.
„Wir suchen nicht danach. Das fällt einem einfach beim Lesen auf.“ Schröthers Lieblingsbeispiel ist die Geschichte über den Ursprung des Prinzregenten-Denkmals. Dazu heißt es in dem 1990 erschienenen Buch „Neuhausen – Geschichte und Gegenwart“, die Büste sei zum Dank dafür errichtet worden, dass der Prinzregent einen Unfall zwischen seiner Kutsche und der Dampftrambahn unbeschadet überstanden habe.
„Das ist frei erfunden. Es gab zwar einen Unfall, aber erst am 29. Juli 1890. Die Büste wurde 1888, zwei Jahre vorher, von der damaligen Gemeinde Neuhausen am Rotkreuzplatz aufgestellt“, weiß Schröther. Im selben Jahr hatte nämlich der Prinzregent das Grundstück gestiftet, auf dem das frühere Neuhauser Kriegerdenkmal aufgestellt wurde.

Fakt am Rande: Die Prinzregentenbüste stand auf dem Rotkreuzplatz dem Fortschritt im Weg und wurde zweimal versetzt – 1913 erst in die Mitte des Platzes und nach dem Bau des Trambahnhäuschens 1930 an den Schäringerplatz, wo es bis heute ist.
„Mit solchen Fake-News müssen wir uns immer wieder herumschlagen“, moniert der Viertelhistoriker. Andere Autoren würden sie nicht selten „mehrfach abschreiben und so verfestigt sich solcher Unsinn dann“. Höchste Zeit also, die falschen Geschichten „geradezurücken“ – und allen zu erzählen, wie es wirklich war.
Quelle: www.hallo-muenchen.de