Aus für Fahrdienste? Wie hart es das Würmtal schon trifft, wie es in München aussieht

Nach einer Gesetzesänderung stehen Fahrdienste für Senioren unter Druck. Ein Angebot im Würmtal liegt bereits auf Eis. Wie es in München aussieht.
München / Würmtal ‒ Um einige seiner Fahrgäste macht sich Michael Pache schon Sorgen. Zum Beispiel um die Dame, die seit einem Schlaganfall nicht mehr sprechen kann. „Spontan ein Taxi rufen geht so nicht“, sagt der Stockdorfer.
Oder um den Ende-80-Jährigen, den er jede Woche zum Kartenspielen ins Interims-Bürgerhaus in Gräfelfing gebracht hat ‒ manchmal auch die Treppe in den ersten Stock hoch. „Das Bridge war sein Highlight der Woche. Selbst wenn er sich dafür ein Taxi leistet und eins bekommt: Der Fahrer würde ihn einfach am Bordstein absetzen und fertig“, meint Pache.

Nach Gesetzesänderung: Ein Fahrdienst im Würmtal bereits auf Eis gelegt
Fünf Jahre lang ist der 72-Jährige ehrenamtlich für den gemeinsamen Fahrdienst des Planegger Pfarrverbands St. Elisabeth und der „Charlotte und HermannmSchober Stiftung“ unterwegs gewesen. Seit Mitte Oktober ist dieser aber auf Eis gelegt. „Für unsere Senioren ist das eine enorme Einschränkung der Lebensqualität“, sagt Pache. Insgesamt sei der Fahrdienst pro Jahr über 400 Einsätze in Planegg, Krailling und Stockdorf gefahren.
Der Grund für das Aus: So, wie das Angebot bisher organisiert war, ist es seit einer Präzisierung des Personenbeförderungsgesetzes (siehe Kasten) nicht mehr legal. „Wir wussten erst nicht, dass uns das auch betrifft“, erklärt Ute Richter vom Stiftungsrat. Über das Landratsamt und die Würmtal-Insel sei jüngst darauf hingewiesen worden, dass viele Dienste nun genehmigungspflichtig sind ‒ mit massiven Folgen für die Organisatoren und Fahrer.
Konkret: Zahlen Nutzer für die Beförderung mehr als 30 Cent pro Kilometer, brauchen die Fahrer einen Personenbeförderungsschein. Damit soll die Sicherheit der Passagiere besser gewährleistet werden. „Für Fahrer über 60 Jahren sind zusätzliche Gesundheitsprüfungen notwendig“, erklärt Richter. „Der Großteil unserer Helfer ist in dem Alter.“
Fahrdienste im Würmtal und in München nach Gesetzesänderung unter Druck
Dazu kommt: Um den Dienst zu betreiben, muss ein Mitarbeiter eine spezielle IHK-Prüfung ablegen. „Der Staat ist sich gar nicht im Klaren darüber, was er sich aufbürdet, wenn er dem Ehrenamt solche Knüppel in den Weg schmeißt.“
Den Ehrenamtlichen weniger zu zahlen ‒ bisher erhalten sie unabhängig von der Fahrstrecke fünf Euro je Einsatz ‒ komme für die Stiftung nicht infrage. Da diese mit ihrem Privatauto unterwegs sind, würden die 30 Cent je Kilometer die Ausgaben für Benzin und Unterhalt keineswegs decken. „Völlig unberücksichtigt bleiben der zeitliche Einsatz sowie die Hilfeleistungen der Fahrer, indem sie die Kunden zum Beispiel in die Arztpraxis begleiten.“
Vor demselben Problem steht Britte Acquistapace vom Verein „Seniorenhilfe Würmtal“. Der organisiert unter anderem Begleitungen für Ältere. „In dem Rahmen kommt es immer mal wieder dazu, dass ein Betreuer Senioren fährt“, sagt die Leiterin. Die Ehrenamtlichen würden bisher pauschal für ihre Hilfe entschädigt ‒ nicht für die Fahrt an sich.
Gesetzesänderung: Viele Fahrdienste in München fallen nicht unter Genehmigungspflicht
Darum lässt Acquistapace jetzt prüfen, ob auch ihr Angebot unter die Genehmigungspflicht fällt ‒ zumal die Anfragen bei ihr steigen, seit der Planegger Fahrdienst auf Eis liegt. „Das Problem ist: Auch wenn wir die IHK-Prüfung machen, denke ich nicht, dass man den Ehrenamtlichen noch mehr zumuten kann.“
In München fallen viele Fahrdienste, etwa der Alten- und Servicezentren, nicht unter die Genehmigungspflicht, da die Nutzer nicht mehr als 30 Cent je Kilometer zahlen. Dafür werden die Angebote von der Stadt entsprechend gefördert.
Das hat sich beim Gesetz verändert
Um die zunehmende Anzahl privater Fahrdienste ‒ wie etwa Uber ‒ zu regulieren, ist zum 1. August 2021 eine Novellierung des Personenbeförderungsgesetzes in Kraft getreten. Bisher galt, dass Beförderungen nicht genehmigungspflichtig sind, „wenn diese unentgeltlich sind oder das Gesamtentgelt die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigt“, erklärt Franziska Herr vom Landratsamt München. Nun wurde das Gesamtentgelt auf 30 Cent je Kilometer festgesetzt.
Einem Bundesrat-Antrag, eine Entlastung für soziale Fahrdienste zu prüfen, wurde im Frühjahr 2023 eine Absage erteilt. Jetzt versucht der Landkreis einzuspringen: „Das Sachgebiet Sozialplanung Senioren und Inklusion prüft derzeit vorbehaltlich der Zustimmung der politischen Gremien die Anpassung einer Förderrichtlinie, um die Institutionen der Fahrgastbeförderung besser unterstützen zu können“, teilt Herr mit.
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