München sucht neue Jugendschöffen: Ein Laienrichter über seine Erfahrungen mit jungen Straftätern

Die Stadt München sucht dringend Jugendschöffen für den Zeitraum von 2024 bis 2028. Wer sich bewerben kann und wie der Schöffen-Alltag aussieht:
München ‒ 488 Stellen als Jugendschöffen werden in der Stadt München demnächst neu besetzt. Die ehrenamtlichen Richter bekleiden das Amt dann von 2024 bis 2028. Noch bis Freitag, 31. März, können sich Interessierte unter gewissen Voraussetzungen dafür bewerben. Die endgültige Auswahl trifft dann der Schöffenwahlausschuss beim Amtsgericht München in der zweiten Jahreshälfte 2023. Für den Landkreis München werden 116 Jugendschöffen gesucht.
Ein Planegger berichtet, wie die Tätigkeit als Schöffe abläuft.
Bewerbungsschluss ist hier Montag, 24. April. Heiko Tammena (53) aus Laim ist Mitglied im Schöffenverband und seit fünf Jahren selbst Jugendschöffe. In Hallo schildert er, was ihn an dem Amt fasziniert

Herr Tammena, warum sind Sie Jugendschöffe geworden?
Meine Frau war schon Jugendschöffin. Das war ein interessantes Ehrenamt für sie und ich habe das mitverfolgt. Jetzt arbeite ich in Teilzeit als Referent bei der Landesstelle der Katholischen Landjugend Bayern und habe Zeit für das Amt.
Wie viel Zeit muss man für das Schöffenamt einplanen?
Manchmal dauert eine Verhandlung mehrere Tage, aber das ist im Jugendstrafrecht eher selten. Da fällt mir höchstens der Starnberger Mordprozess ein, der auch vor dem Jugendgericht stattgefunden hat. Man bekommt aber nach so einem Prozess keine zusätzlichen weiteren Termine für den Rest des Jahres. Also hat man in der Regel nicht mehr als zwölf Schöffentage pro Jahr, die man im Herbst davor mitgeteilt bekommt und entsprechend planen kann.
Wie wird man Jugendschöffe?
Man sollte bereits ein paar pädagogische Vorerfahrungen mitbringen – das kann aber auch als Fußballtrainer sein. Entscheidungsstärke ist wichtig und ein wenig psychische Stabilität. Es sollten sich keine Menschen bewerben, die Gewaltdarstellungen nicht aushalten.
Was waren die Vergehen der Jugendlichen?
Das Übliche: Diebstahl, Körperverletzung oder Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Bei stärkeren Drogen ist das immer verbunden mit Beschaffungskriminalität. Computerbetrug ist auch gerade sehr im Kommen.
Welche Fälle waren Ihre spektakulärsten?
Da darf ich nicht drüber reden. Aber die schlimmsten Fälle hatten immer mit gefährlicher Körperverletzung zu tun. Und vor allem wenn es gegen Frauen oder Schwächere ging, hat mich das sehr mitgenommen.
Wie können Sie als Schöffe auf ein Urteil einwirken?
Ich bin selbstbewusst und aktiv dabei, auch in den internen Besprechungen mit den Richtern. Man wird erst 15 Minuten vor Verhandlungsbeginn in den Fall eingeführt und verschafft sich während der Verhandlung einen persönlichen Eindruck. Wichtig dabei ist auch immer die Vertretung der Jugendgerichtshilfe. Die hat den Jugendlichen im Vorfeld kennengelernt und macht Vorschläge zu möglichen Strafen, wie Sozialstunden oder Entzugsangebote. Gerade was das Strafmaß angeht, können wir Schöffen uns gut einbringen.
Hatten Sie auch Wiederholungstäter vor sich sitzen?
In den fünf Jahren Schöffentätigkeit hatte ich noch keinen Angeklagten zwei Mal. Das finde ich positiv. In der öffentlichen Wahrnehmung sind vor allem die Intensivstraftäter präsent und nicht solche, für die das Jugendsünden sind und die auch rauskommen aus der Kriminalität.
Wie können Sie als Schöffe dazu beitragen, dass sich die Strafe positiv auf die Jugendlichen auswirkt?
Das Strafmaß richtet sich ja auch danach, ob es schon einen großen Vorstrafenkatalog gibt. Wenn kein Lernen ersichtlich ist, dann ist wahrscheinlich die Jugendstrafanstalt das Richtige. Zu Beginn unserer Schöffentätigkeit sollten wir uns alle eine Justizvollzugsanstalt anschauen, damit man nachvollziehen kann, welch große Einschränkung es ist, hinter Gittern leben zu müssen. Allerdings war es für manche Straftäter genau das Richtige, weil sie dort eine Ausbildung machen konnten.
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Voraussetzungen:
• deutsche Staatsbürgerschaft und ein Alter zwischen 25 und 69 Jahren bei Amtsantritt
• erzieherische Befähigung der Jugendschöffen (pädagogische Vorerfahrung, zum Beispiel als Sportübungsleiter reicht)
• soziale Kompetenz, Vorurteilsfreiheit auch in extremen Situationen, Gerechtigkeitssinn
• Kommunikations- und Dialogfähigkeit, psychische Stabilität (wegen Gewaltdarstellungen)
• ein Tag Zeit pro Monat (Arbeitgeber sind zur Freistellung verpflichtet)
Ausschlussgründe:
• gerichtliche Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter
• Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten
• schwebendes Ermittlungsverfahren, das zum Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter führen kann
• mangelnde Verfassungstreue der Person (auch ehemalige Stasi-Mitglieder)
• bestimmte Berufe (Justizberufe, politische Beamte, Polizeibeamte)
• ein laufendes Insolvenzverfahren
Berwerbung:
Infos und Bewerbungsformular: shorturl.at/dgoqK sowie www.schoeffenwahl2023.de
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