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Therapie-Centrum für Essstörungen (TCE) startet Pilotversuch: Trialoge für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte

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Von: Ursula Löschau

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Gruppengespräche gehören seit jeher zum Therapieprogramm bei Essstörungen. Mit der Trialog-Reihe testet das TCE ein in München neues Format in diesem Bereich.
Gruppengespräche gehören seit jeher zum Therapieprogramm bei Essstörungen. Mit der Trialog-Reihe testet das TCE ein in München neues Format in diesem Bereich. © Symbolfoto: Carolin Jacklin

Im Therapie-Centrum für Essstörungen soll mit einem neuen Angebot auf die Gedanken und Gefühle der Betroffenen aufmerksam machen. An wen sich der „Trialog“ richtet:

Neuhausen ‒ Früher oder später fällt Angehörigen auf, wenn sich das Essverhalten ihres Kindes verändert. „Das stellt für die Eltern ein großes Problem dar, weil sie Angst um ihr Kind haben. Die Diskussion ums Essen birgt dann auch Konflikte“, weiß Karin Lachenmeir. Sie leitet seit 2008 das Therapie-Centrum für Essstörungen (TCE) an der Lachnerstraße 41. Betroffene wie die 24-jährige Sophie haben eine andere Per­spektive. „Essen ist nicht das Problem. Ich kann essen“, sagt sie und erklärt: „Der Punkt ist, dass man mit seinem Verhalten zeigt, dass es einem nicht gut geht. Man versucht, so die Gedanken und Gefühle zu regulieren, die einen belasten.“ Um diese verschiedenen Blickwinkel und Nöte geht es ab Mittwoch, 15. März, in einer neuen Gesprächsreihe im TCE.

Karin Lachenmeir leitet das TCE seit vielen Jahren.
Karin Lachenmeir leitet das TCE seit vielen Jahren. © Ursula Löschau

Die sogenannten Trialoge richten sich an Personen mit allen Arten von Essstörungen, an Angehörige von Betroffenen und an Fachkräfte. Wichtig ist dabei, dass die Teilnehmer weder persönlich noch therapeutisch miteinander in Verbindung stehen. Sophie erwartet für alle Beteiligten mehr Offenheit im Umgang miteinander. „Ohne eine emotionale Bindung wird die Hemmschwelle kleiner, Fragen zu stellen, die man sonst für sich behalten würde, um den anderen nicht zu verletzen“, nimmt sie an. Angehörige könnten dabei auch gute Ansätze zum Gespräch mit Betroffenen in der eigenen Familie bekommen. Und für Therapeuten könne es laut Lachenmeir sehr aufschlussreich sein, „einfach mal zuhören zu können“. Zudem könnten sich auch die Fachkräfte offener austauschen, wenn es nicht um eigene konkrete Fälle gehe.

Neues Angebot im Therapie-Centrum für Essstörungen: Krankheit oft bis in die Kindheit verfolgbar

Über 20 Teilnehmende haben sich bereits gemeldet. „Angehörige sind bisher in der Überzahl. Für sie gibt es bislang auch am wenigsten Angebote zum Austausch untereinander“, erläutert die TCE-Leiterin. Sophie kann durchaus nachvollziehen, dass Eltern vor vielen offenen Fragen stehen. „Essen oder nicht essen ist ein Symptom, nicht die Ursache. Aber Angehörige können einem ja nicht in den Kopf schauen.“ Als weitere wichtige Erfahrung weist sie darauf hin, „dass noch lange nicht alles in Ordnung ist, auch wenn sich das Essverhalten wieder normalisiert“. Angehörige würden das häufig falsch interpretieren. „Aber die quälenden Gedanken gehen vom Essen nicht weg.“

Bei der 24-Jährigen zum Beispiel reicht die Vorgeschichte bis in die Kindheit. Mit sechs Jahren fing sie mit Geräteturnen an. „Schon mit sieben oder acht Jahren habe ich mich im Verein und dann auch in der Schule wegen meines Körpers und auf Leistungsebene mit anderen verglichen“, erzählt sie. Seitdem sei sie unsicher, was ihren Körper und ihr Essverhalten angehe. Lange versuchte sie, diese Gedanken zu „betäuben“, indem sie extrem viel Sport trieb und sich in Arbeit stürzte. Doch das leistete der Essstörung noch mehr Vorschub. Mehrfach war Sophie schon in stationärer und ambulanter Behandlung. Seit neun Wochen ist sie nun in der Neuhauser Klinik mit zusammen 32 Plätzen für Zwölf- bis 25-Jährige. Sie hat erkannt: „Für eine Therapie darf man sich Zeit nehmen. Wenn man an sich arbeiten will, ist das ein Vollzeitjob.“

Trialog: „Essen ist nicht das Problem“

Zwischen Mitte März und Anfang Mai bietet das TCE erstmals vier trialogische Gesprächsabende für Betroffene, Angehörige und Fachkräfte an, die mit dem Thema Essstörungen zu tun haben. Termin ist jeweils mittwochs ab 18.30 Uhr. Der erste am 15. März widmet sich dem Thema „Essen ist nicht das Problem?! – Merkmale und Hintergründe: Welche Erfahrungen machen betroffene Menschen, Angehörige und Fachkräfte?“

Am 29. März lautet das Thema: „Ich, du, wir – Essstörungen im Zusammenhang von Familie, Partnerschaft und Freundeskreis“. Die Fragestellung „Ich will ja, aber ... – Was hilft auf dem Weg durch die Essstörung und wie können sich betroffene Menschen, Angehörige und Fachkräfte gegenseitig gut unterstützen?“ ist Gegenstand des dritten Trialogs am 19. April. Am 3. Mai endet die Reihe. Der Gesprächsabend steht dann unter dem Titel „Essstörungen als Chance?! – Welche Ressourcen und Wachstumsmöglichkeiten sehen Betroffene, Angehörige und Fachkräfte?“

Die Teilnahme ist kostenlos. Um Anmeldung über die Internetseite www.tce-dritter-orden.de wird gebeten. Das neue Gesprächsformat wurde in der Sozialpsychiatrie eingeführt und soll nun im Bereich Essstörungen erprobt werden.

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