Krieg erreicht Münchens Schulen: Wie vermeintlich russische Schüler aktuell drangsaliert werden

Unter Gewalt durch Mitschüler wegen Putins Angriffskrieg leiden auch hier russische und vermeintlich russische Schüler. Was die Gründerin der russischen Schule dazu sagt:
MÜNCHEN Sie stammen aus Russland, der Ukraine, der Mongolei oder Kasachstan: die rund 60 Kinder zwischen sechs und 16 Jahren, die einmal pro Woche nachmittags zusätzlich die russische Schule an der Bayerstraße besuchen. „Sie respektieren sich und mögen sich. Viele kennen sich von klein auf“, berichtet Lehrerin Viktoria Kopaleva. „Putins Krieg verwirrt sie, macht ihnen Angst. Ihnen ist es doch egal, woher ihre Freunde kommen.“

Was die Wahl-Münchnerin fassungslos macht, sind die Erlebnisse, die ihre Schüler schildern: „Sie werden seit Beginn des Krieges auf Grund der Sprache angefeindet, diskriminiert, in den deutschen Schulen beschimpft. Als Faschist. Als Nazi.“ Allein die russische Sprache mache sie angreifbar, als wären sie Putin selbst: „Aber die Sprache ist wie die Kinder unschuldig!“ Eine Grundschülerin sei auf dem Pausenhof sogar verprügelt worden, weil sie Russin ist. Die Schulleiterin ist fassungslos: „Ein Kind, in Deutschland aufgewachsen! Was hat sie mit Putin zu tun? Nichts!“
Schüler leiden unter Putins Krieg: Immer mehr Fälle von Gewalt an russischen und vermeintlich russischen Schülern
Seit 37 Jahren ist Kopaleva Russisch-Lehrerin. In Odessa geboren, unterrichtet sie seit über 20 Jahren in Deutschland. Die russischsprachige Schule in München hat die Ukrainerin selbst gegründet, nicht aus politischen Gründen, sondern weil sie die russische Sprache liebt: „Ich unterrichte in Literatur, Grammatik, schreibe mit ihnen Aufsätze und Übersetzungen. Es ist eine so schöne Sprache, etwa die Texte von Puschkin.“
Putins Politik verachtet sie, kann seit dem Angriffskrieg auf ihre Heimat kaum noch schlafen: „Ich habe Angst um das Land, die Menschen dort, meine Verwandten, die alt und krank sind und nicht fliehen können.“ Im Eltern-Chat ihrer Schüler gab es Streit und Aufforderungen, den Krieg im Unterricht nicht zu erwähnen, nicht zu kommentieren: „Halten Sie die Kinder davon fern!“
„Traurig, dass mich meine Muttersprache in Gefahr bringen kann.“
Kopaleva aber möchte sich ihre Meinung nicht verbieten lassen, antwortet auf die Fragen der Kinder zu den Bomben in der Ukraine, den Flüchtlingen, die München jeden Tag erreichen: „Ich hetze nicht, ich schildere die Lage, wenn sie etwas nicht verstehen – das ist meine Aufgabe als Lehrerin!“

Kopaleva bat ältere Schüler, aufzuschreiben, was ihnen die russische Sprache bedeutet. „Viele fragen, ob es mir nicht peinlich ist, diese Sprache zu sprechen oder ob ich mich nicht dafür schäme“, schreibt eine Schülerin. Ein Junge: „Traurig, dass mich meine Muttersprache in Gefahr bringen kann, wenn ich sie verwende.“
Schüler leiden unter Putins Krieg: Viktoria Kopaleva traut sich nicht laut zu sprechen auf der Straße
Mit ihrer Tochter Veronika, die in Bayern aufgewachsen ist und aktuell in München Flüchtlingskinder betreut, redet die Schulleiterin auf offener Straße nun leiser als sonst: „Wir sprechen zwar Ukrainisch – aber das können die meisten nicht von Russisch unterscheiden.“ Es gibt Kommentare. „Manche murmeln: Es sind schon so viele Flüchtlinge da!“
Mutter und Tochter wünschen sich nichts mehr, als das Ende des Krieges – sofort. „Unsere Großväter würden nicht glauben, was gerade passiert: Dass Putin sein Nachbarland angreift, unschuldige Menschen sterben.“
Vor jeder Schulstunde hat Viktoria Kopaleva ein festes Ritual. Sie sagt laut: „Lasst uns gegenseitig mit Liebe anschauen, bevor wir beginnen.“ Diese Worte sind ihr heute wichtiger denn je: „Ich möchte, dass Kinder eine glückliche Kindheit haben, voller Liebe – ohne Krieg. Das haben alle Kinder auf dieser Welt verdient.“
Quelle: www.hallo-muenchen.de