1. tz
  2. München
  3. Stadt
  4. Hallo München

Chance für Wohnungslose in München: Verein als Zwischenmieter

Erstellt:

Von: Daria Gontscharowa

Kommentare

Das Haus an der Pistorinistraße bietet wohnungslosen Männern Platz, die nach einer Phase der Stabilisierung wieder ein selbstständiges Leben in einer eigenen Wohnung führen wollen.
Das Haus an der Pistorinistraße bietet wohnungslosen Männern Platz, die nach einer Phase der Stabilisierung wieder ein selbstständiges Leben in einer eigenen Wohnung führen wollen. © kmfv

Der Katholische Männerfürsorgeverein hilft Wohnungslosen bei der Suche nach einer permanenten Bleibe und bietet ihnen solange ein Zuhause. Betroffene berichten:

Sendling ‒ Möglichst vielen wohnungslosen Menschen die Chance geben, ein eigenes Heim zu bekommen: Dieses Ziel hat sich die Fachstelle Wohnraumakquise des Katholischen Männerfürsorgevereins (KMFV), Kapuzinerstraße 9d, gesetzt. Das Konzept bietet nicht nur den Suchenden im besten Fall ein neues Dach über dem Kopf, sondern auch Vermietern Sicherheit: Für die Menschen, die in Einrichtungen des KMFV leben, sucht die Stelle den Wohnraum auf dem privaten Markt, fungiert als eigentlicher Mieter und vermietet die Wohnungen dann quasi unter.

Das Projekt wurde im Januar 2021 ins Leben gerufen und ist vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales finanziert. Der Bedarf ist groß: „Wegen der Knappheit der geförderten Wohnungen müssen die Bedürftigen manchmal jahrelang warten, um eine Sozialwohnung in München zu bekommen“, erklärt Veronika Reichert, Immobilienwirtin der Fachstelle Wohnraumakquise.

Wohnraum für Wohnungslose: Schon 74 Wohnungen vermittelt

Das Projekt, das zunächst bis Ende 2022 dauern sollte, hat sich gut bewährt und läuft deswegen weiter. Die Stelle hat bereits 74 Menschen ein Leben in den eigenen vier Wänden ermöglicht. Aber: „In den Beherbergung- sowie Übergangseinrichtungen des Vereins leben derzeit mehr als 1200 Menschen: Frauen, Männer, Familien mit Kindern. Viele von ihnen benötigen bereits jetzt eine eigene Wohnung“, betont Reichert.

Das größte Thema, mit dem die Mitarbeiterinnen der Stelle konfrontiert sind, ist Vertrauen. Es müssten gesellschaftliche Klischees über wohnungslose Menschen abgebaut werden. Unterschiedliche situative Faktoren, wie beispielsweise eine körperliche Erkrankung oder der psychische Zustand, könnten dazu führen, dass der Betroffene seine Arbeit und darauffolgend die Wohnung verliert. Das bedeute aber nicht, dass diese Menschen unzuverlässig seien. „Wohnungslosigkeit kann jeden treffen“, unterstreicht die Immobilienwirtin. Und: „Nur wenn bei den Klienten eine positive Prognose hinsichtlich der Mietfähigkeit besteht, werden sie unsere Kunden“, sagt Reichert.

Der Abschluss des Mietvertrags direkt mit dem Verein ist nur eines von mehreren Vermietungsmodellen, die die Fachstelle anbietet. „Wir wünschen uns aber, dass mehr Verträge direkt mit dem Wohnsuchenden abgeschlossen werden. Für unsere Klienten ist es eine wichtige Erkenntnis, dass sie wieder eigenständig geworden und in die Gesellschaft integriert sind“, sagt die Immobilienfachwirtin.

Unabhängig von der Vertragsart wird der Mieter vom Sozialpädagogen-Team sowie den Spezialisten der Fachstelle Wohnraumakquise nach wie vor aktiv betreut. „Wir stehen immer Mietern und Vermietenden zur Seite“, betont Reichert.

Wohnraum für Wohnungslose: Wohnungslos trotz Job

Deise Luz, die ihre Wohnung an den KMFV vermietet hat, bestätigt das: „Ich habe einen sicheren Vertragspartner und brauche mich um nichts zu kümmern. Die Dame, die eingezogen ist, scheint sehr nett und hat sich extrem gefreut, dass sie jetzt eine eigene Wohnung hat.“

Silvio L. wiederum ist einer von denen, die dringend ein eigenes Heim brauchen. Seit September wohnt der 50-Jährige in einer der Einrichtungen des KMFV und ist berufstätig aber wohnungslos. In Halle an der Saale geboren, wurde er Ende der 80er-Jahre inhaftiert, weil er vor dem Mauerfall versucht hatte, zu seinem Vater nach Bayern zu fliehen. Seit 1997 lebt er in München, arbeitet seit mehr als 20 Jahren im Sicherheitsdienst und bekommt eine stundenweise Bezahlung.

Seine Arbeitsstunden wurden in der Corona-Zeit stark reduziert – an vielen Orten, beispielsweise Museen, bestand kein Bedarf mehr an Sicherheitsmitarbeitern. Bereits vor Pandemieausbruch hatte Silvio finanzielle Probleme, die sich im Lockdown weiter verschärft haben. „Irgendwann musste ich auf die Straße gehen, um Flaschen zu sammeln. Ich hatte kein Geld, um mir Essen zu kaufen“, erinnert sich der 50-Jährige.

Mithilfe der verschiedenen Sozialeinrichtungen hat er nun seinen Weg aus den Schulden gefunden. Sein größter Wunsch, wieder in eine eigene Wohnung einzuziehen, ging bisher aber nicht in Erfüllung. Bereits im Dezember 2021 hat er einen Antrag auf Sozialwohnung bei der Stadt gestellt. Nun ist dieser abgelaufen und muss wieder geprüft werden. „Ich bin ein optimistischer Mensch. Es ist aber jedem bekannt, dass der geförderte Wohnraum in München knapp ist. Die Warteliste von Interessierten ist hingegen lang“, sagt Silvio und hofft trotzdem auf ein Leben in den eigenen vier Wänden.

Wohnungslose

Die Stadt München hat den Angaben des Sozialreferates zufolge einen Bestand von circa 89 000 Wohnungen, die über das Amt für Wohnen und Migration vergeben werden. Von diesen Wohnungen werden jährlich ungefähr 3000 neu vermietet. Demgegenüber stehen pro Jahr rund 30 000 Anträge von wohnungssuchenden Haushalten. Im Dezember 2022 waren insgesamt 9148 Menschen in München wohnungslos.

Mit dem Hallo München-Newsletter täglich zum Feierabend über die wichtigsten Geschichten aus der Isar-Metropole informiert.

Auch interessant

Kommentare