Das größte Thema, mit dem die Mitarbeiterinnen der Stelle konfrontiert sind, ist Vertrauen. Es müssten gesellschaftliche Klischees über wohnungslose Menschen abgebaut werden. Unterschiedliche situative Faktoren, wie beispielsweise eine körperliche Erkrankung oder der psychische Zustand, könnten dazu führen, dass der Betroffene seine Arbeit und darauffolgend die Wohnung verliert. Das bedeute aber nicht, dass diese Menschen unzuverlässig seien. „Wohnungslosigkeit kann jeden treffen“, unterstreicht die Immobilienwirtin. Und: „Nur wenn bei den Klienten eine positive Prognose hinsichtlich der Mietfähigkeit besteht, werden sie unsere Kunden“, sagt Reichert.
Der Abschluss des Mietvertrags direkt mit dem Verein ist nur eines von mehreren Vermietungsmodellen, die die Fachstelle anbietet. „Wir wünschen uns aber, dass mehr Verträge direkt mit dem Wohnsuchenden abgeschlossen werden. Für unsere Klienten ist es eine wichtige Erkenntnis, dass sie wieder eigenständig geworden und in die Gesellschaft integriert sind“, sagt die Immobilienfachwirtin.
Unabhängig von der Vertragsart wird der Mieter vom Sozialpädagogen-Team sowie den Spezialisten der Fachstelle Wohnraumakquise nach wie vor aktiv betreut. „Wir stehen immer Mietern und Vermietenden zur Seite“, betont Reichert.
Deise Luz, die ihre Wohnung an den KMFV vermietet hat, bestätigt das: „Ich habe einen sicheren Vertragspartner und brauche mich um nichts zu kümmern. Die Dame, die eingezogen ist, scheint sehr nett und hat sich extrem gefreut, dass sie jetzt eine eigene Wohnung hat.“
Silvio L. wiederum ist einer von denen, die dringend ein eigenes Heim brauchen. Seit September wohnt der 50-Jährige in einer der Einrichtungen des KMFV und ist berufstätig aber wohnungslos. In Halle an der Saale geboren, wurde er Ende der 80er-Jahre inhaftiert, weil er vor dem Mauerfall versucht hatte, zu seinem Vater nach Bayern zu fliehen. Seit 1997 lebt er in München, arbeitet seit mehr als 20 Jahren im Sicherheitsdienst und bekommt eine stundenweise Bezahlung.
Seine Arbeitsstunden wurden in der Corona-Zeit stark reduziert – an vielen Orten, beispielsweise Museen, bestand kein Bedarf mehr an Sicherheitsmitarbeitern. Bereits vor Pandemieausbruch hatte Silvio finanzielle Probleme, die sich im Lockdown weiter verschärft haben. „Irgendwann musste ich auf die Straße gehen, um Flaschen zu sammeln. Ich hatte kein Geld, um mir Essen zu kaufen“, erinnert sich der 50-Jährige.
Mithilfe der verschiedenen Sozialeinrichtungen hat er nun seinen Weg aus den Schulden gefunden. Sein größter Wunsch, wieder in eine eigene Wohnung einzuziehen, ging bisher aber nicht in Erfüllung. Bereits im Dezember 2021 hat er einen Antrag auf Sozialwohnung bei der Stadt gestellt. Nun ist dieser abgelaufen und muss wieder geprüft werden. „Ich bin ein optimistischer Mensch. Es ist aber jedem bekannt, dass der geförderte Wohnraum in München knapp ist. Die Warteliste von Interessierten ist hingegen lang“, sagt Silvio und hofft trotzdem auf ein Leben in den eigenen vier Wänden.
Die Stadt München hat den Angaben des Sozialreferates zufolge einen Bestand von circa 89 000 Wohnungen, die über das Amt für Wohnen und Migration vergeben werden. Von diesen Wohnungen werden jährlich ungefähr 3000 neu vermietet. Demgegenüber stehen pro Jahr rund 30 000 Anträge von wohnungssuchenden Haushalten. Im Dezember 2022 waren insgesamt 9148 Menschen in München wohnungslos.
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