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Stirbt Bayerns Dialekt? - Diese Sorge haben gleich zwei Münchner Experten – neue Hallo-Serie startet

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Von: Marie-Julie Hlawica, Claudia Theurer

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Dialektale Ausdrücke und Redewendungen werden immer seltener.   Zwei Experten sehen das Bairische in Gefahr.
Dialektale Ausdrücke und Redewendungen werden immer seltener. Zwei Experten sehen das Bairische in Gefahr. © Angelika Balk

Der Förderverein Bairische Sprache und Dialekte bangt um das Münchnerische – seit der Corona-Krise umso mehr. Warum die Pandemie den Trend beschleunigt. Das sagen die Dialekt-Experten.

München - Johannes Eichhorn (76) vom Förderverein Bairische Sprache und Dialekte schlägt Alarm. Seine Angst ist groß: „Unser Dialekt stirbt aus!“

Vor Corona war der Verein „in Schulen, auf der Oidn Wiesn, Stadtteilfesten oder dem Stadtgründungsfest präsent, habe viele Interessierte erreicht. Jetzt mit den Beschränkungen konnten wir keine Kontakte knüpfen, die Sprache weiterreichen.“

Dabei wären die gerade so wichtig. So kommt es, dass man heute in Bayern statt Servus Tschüss und Brötchen statt Semmeln sagt. Das macht Eichhorn wütend. „Keiner weiß mehr, was ein brakl Mannsbild, eine Heigeign oder eine Molla ist.“ Ausdrücke wie Blädl, Sauhund oder Redewendungen wie ‚A Hund is er scho’ sind selbst an Stammtischen rar geworden.

Dabei zählt der Münchner Landschaftsverband des Vereins 1300 Mitglieder – von rund 3300 bayernweit. Ihr Stand auf der Oidn Wiesn im Museumszelt zog die Besucher an: „Wir hatten 5000 bis 6000 am Tag.“

„Münchnerisch ist ein vornehmes Bairisch“

Dialekt fasziniert die Menschen und Eichhorn weiß: Bairisch ist nicht ein Dialekt, sondern viele. „Jede Region hat ihre ganz eigene Sprache, Ausdrücke und Besonderheiten.“ Schon in Schleißheim, Freising oder Rosenheim unterscheiden sich die Ausdrücke sehr.

Eichhorn wie der Förderverein legen auf die regionalen Unterschiede Wert: „Ich bin als Kind aus Niederbayern 1950 nach München gekommen.

Da konnte ich umlernen, in ehemaligen Kaiserstädten spricht man anders, als auf dem Land.“ Münchnerisch hat mit Bairisch nicht viel zu tun, sagt der Pasinger, „es ist ein vornehmes Bairisch“.

Johannes Eichhorn (76) vom Förderverein Bairische Sprache und Dialekte setzt sich für den Erhalt des bairischen Dialekts ein.
Johannes Eichhorn (76) vom Förderverein Bairische Sprache und Dialekte setzt sich für den Erhalt des Bairischen Dialekts ein. © mjh

Wenn ihm im Alltag sprachliche Veränderungen auffallen, spricht er es direkt an – auch beim Bäcker. Weil ihm die bairische Sprache so am Herzen liegt, kämpft der Münchner seit 2004 im Verein aktiv für den Erhalt des Dialekts: „Unsere Sprache ist Kulturgut und Identität.“

Dass selbst seine eigenen, heute erwachsenen Kinder selten Bairisch sprechen, bedauert er: „Wenn das Umfeld, etwa im Beruf, nicht Dialekt spricht, verliert sich das.“

Eichhorn setzt jetzt in Corona-Zeiten darauf, dass der Verein bei der diesjährigen Sommerstraßen-Aktion angefragt wird. „Jeder Bezirksausschuss kann sich gerne an uns wenden!“

Serie: „Münchnerisch gred“

Fast vergessene Münchner Mundart wieder lebendig werden lassen, das wollen wir ab sofort immer mittwochs in einer kleinen Serie tun. Johannes Eichhorn vom Förderverein Bairische Sprache und Dialekte erklärt exklusiv für Hallo einige seiner – und vielleicht auch Ihrer – liebsten Begriffe.

Erinnern auch Sie sich an Münchner Ausdrücke, die sie früher oft gehört haben, die mittlerweile aber kaum noch verwendet werden? Schreiben Sie uns an redaktion@hallo-muenchen.de.

„Dialekt ist kein Bildungsdefizit“

Der Münchner Günther Grewendorf (Foto: auf dem Hörnle), Jahrgang 1946, ist in Bad Reichenhall aufgewachsen und Professor für Linguistik. Soeben hat er sein Buch „Warum Bairisch genial ist“ (Kunstmann Verlag) ­veröffentlicht. Auch er bricht eine Lanze für den Dialekt.

Günther Grewendorf ist in Bad Reichenhall aufgewachsen und Professor für Linguistik.
Günther Grewendorf ist in Bad Reichenhall aufgewachsen und Professor für Linguistik. © privat

Herr Grewendorf, warum ist Bairisch genial?

Die strukturellen Eigenschaften, die ich betrachte, sind abstrakte Eigenschaften von Sätzen, die man diesen aber nicht ansieht, obwohl sie jeder Bayer mühelos beherrscht.

Sie schreiben, Bairisch ist einer Weltsprache ebenbürtig. Wie kommen Sie denn da drauf?

Weil sich viele der einzigartigen Eigenschaften des Bairischen zwar nicht im Standarddeutschen, dafür aber in einer Reihe anderer Sprachen wiederfinden.

Viele, die echtes Bairisch reden, werden belächelt. Ist das nicht eine Geringschätzung?

Das Buch soll dem Vorurteil entgegenwirken, dass Dialekt ein Bildungsdefizit verrät und mit sozialer Geringschätzung einhergeht. Mein Vater zum Beispiel kam aus Pommern, ich bin in Bad Reichenhall aufgewachsen. Zuhause war es nicht erlaubt, Bairisch zu reden. Er sagte immer: Red ned so gschert. Dabei ist doch Bairisch eine Sprache wie Italienisch oder Russisch.

Ist die Mundart noch zu retten?

Ich denke, man muss sie pflegen. In Norditalien beispielsweise gibt es einige deutsche Sprachinseln, in denen zimbrisch gesprochen wird. Im Ort Lusern hat man Projekte zu ihrer Wiederbelebung entwickelt, so dass Kinder hier bilingual aufwachsen, das heißt Italienisch und Zimbrisch.

Teilweise ist Bairisch an Schulen verboten. Können Sie das nachvollziehen?

Nein, überhaupt nicht. Wenn man einmal verstanden hat, dass Dialekte eigenständige Sprachen sind, dann gibt es jeden Grund, das Bairische an bayerischen Schulen zu fördern, wie es vom Kultusministerium auch gemacht wird. Das Bewusstsein ist also erfreulicherweise vorhanden.

Bairisch steht seit 2009 auf der Liste der bedrohten Sprachen. Wie konnte es so weit kommen?

Bairisch erleidet hier das Schicksal von vielen anderen Minderheitensprachen. Sprachen, die keine große Verbreitung haben, werden immer weniger verwendet, weil man mit diesen Sprachen geringere Kommunikationsmöglichkeiten in öffentlichen und internationalen Bereichen hat.

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