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Bund stellt Förderung ein ‒ Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) im Blindeninstitut in München vor dem Aus

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Karin Stecher-Stepp (re.) und Petra Rösl hoffen, dass das Sehmobil weiterhin zu Menschen mit Beratungsbedarf ausrücken kann. Auch das war in den vergangenen Jahren Teil des EUTB-Angebots.
Karin Stecher-Stepp (re.) und Petra Rösl hoffen, dass das Sehmobil weiterhin zu Menschen mit Beratungsbedarf ausrücken kann. Auch das war in den vergangenen Jahren Teil des EUTB-Angebots. © Ursula Löschau

Das Angebot für Menschen mit Mehrfach-Behinderung, Blinde und Sehbehinderte im Blindeninstitut in Neuhausen endet, da der Bund die Förderung einstellt.

Hilfe beim Beantragen eines Schwerbehindertenausweises oder von Blindengeld, Beratung zu Rehamaßnahmen oder Grundsicherung, Fragen zu Hilfsmitteln oder der Bewältigung von Arbeits- und Lebenssituationen: Das sind einige der häufigsten Anliegen, mit denen sich Menschen mit mehrfachen Behinderungen, vor allem auch Blinde und Sehbehinderte sowie deren Angehörige an die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) im Blindeninstitut an der Romanstraße 12 wenden.

Sie bekommen dort kostenlos Rat und Hilfe von einem erfahrenen Team. Und wer nicht selbst nach Neuhausen kommen kann, wird zuhause beraten. Doch damit ist ab 2023 voraussichtlich Schluss. Das Bundessozialministerium lehnt eine weitere EUTB-Förderung fürs Blindeninstitut ab.

Bund stellt Förderung für unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) im Blindeninstitut in Neuhausen ein

Gestartet wurde das Angebot nach Auskunft von Institutsleiterin Karin Stecher-Stepp 2018. „Ziel war es, Schluss mit dem Buchbinder-Wanninger-Prinzip zu machen und eine neue Lotsenfunktion für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Das ist auch zu 100 Prozent aufgegangen“, sagt sie.

„Immerhin haben wir schon Jahre zuvor damit angefangen, Menschen mit Behinderungen jeder Art zu helfen“, ergänzt der Blindenlehrer Christian Biber. Umso größer ist jetzt die Enttäuschung, dass der Bund nach fünf Jahren keine Fördermittel für die Teilhabeberatung im Blindeninstitut mehr bereitstellen will. Konkret geht es um 200 000 Euro im Jahr für drei Personalstellen.

Petra Rösl und Christian Biber präsentieren einige Hilfsmittel für Menschen mit Sehbehinderung.
Petra Rösl und Christian Biber präsentieren einige Hilfsmittel für Menschen mit Sehbehinderung. © privat

Hilfe für Menschen mit Behinderungen jeder Art in München

„Die Projektphase ist beendet. Ab 2023 sollen nur noch Selbsthilfeeinrichtungen regelfinanziert werden. Mit diesem Argument sind wir rausgefallen“, bedauert Petra Rösl, Psychologin und Leiterin des Bereichs Sehen und Orthoptik. Dies benachteilige jedoch genau das Haupt­klientel des Blindeninstituts.

Rösl weiß: Gerade Menschen mit komplexen Beeinträchtigungen oder mit Kommunikationsproblemen, die sich selbst nicht sicher artikulieren könnten, würden sich kaum in der Selbsthilfe engagieren. „Das Niederschwellige und Wohnortnahe ist bei uns das ganz Besondere, vor allem die aufsuchende Beratung für Menschen mit Mehrfachbehinderung. Das bietet bisher sonst niemand in München“, fasst Rösl zusammen. Allein 2021 gab es rund 900 EUTB-Einzelberatungen, davon 220 bei den Betroffenen daheim.

Sorge um das in Neuhausen aufgebaute Netzwerk

Darüber hinaus wurde im Stadtteil ein Netzwerk aufgebaut, das Institutsleiterin Stecher-Stepp gerne erhalten würde.

Aktuelle Beispiele: eine Inklusionswoche mit Veranstaltungen bei vielen Kooperationspartnern oder die regelmäßige Sprechstunde „Leben mit Beeinträchtigung“ in der Stadtbibliothek in Neuhausen. „Solche Aktionen zusammen mit dem Bezirksausschuss, dem Seniorenbeirat, dem ASZ, dem Seniorentreff oder der Bibliothek sind ab 2023 wohl beendet“, fürchtet sie.

Zudem sei für mehrere Mitarbeiter derzeit noch nicht geklärt, wie es für sie weitergehe. „Wir können leider keine drei Stellen aus anderen Quellen wie Spenden oder Stiftungen finanzieren.“

Erstmal hat Stecher-Stepp gegen den ablehnenden Bescheid Widerspruch eingelegt. „Wir haben wenig Hoffnung. Aber wir nutzen jede Chance, um das Förderprogramm doch noch fortsetzen zu können.“

Rückendeckung bekommt das Blindeninstitut vom Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg. Der sprach sich in seiner jüngsten Sitzung für den Erhalt der Teilhabeberatungsstelle im Viertel aus und verweist auf deren außergewöhnliche Kompetenz und langjährige Erfahrung bei der Unterstützung von Menschen mit komplexen Behinderungen.

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