UKW in Bayern vor dem Aus? Streit ums Ende des klassischen Radio-Empfangs ‒ Koalition schaltet sich ein

Steht das klassische UKW-Radio in Bayern vor dem Ende? Andere Empfangsarten wie DAB+ oder Web-Radio legen zu. Das sagt die neue Regierungskoalition...
Update: 26. Oktober
München ‒ Das geplante Aus für den klassischen UKW-Radio-Empfang in Bayern sorgt für Streit. Viele Sender laufen Sturm.
Die künftige bayerische Regierungskoalition will vielen Privatsendern jetzt nun weit entgegenkommen. Die bestehenden UKW-Frequenzen sollen nach dem Plan von CSU und Freien Wählern bis mindestens 2035 verlängert werden. Das geht aus dem Koalitionsvertrag hervor, wie die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus Kreisen erfuhr.
Bayerns Koalition will kein Abschalten von UKW-Radio bis mindestens 2035
Ein Abschalten von UKW werde es erst geben, wenn die wirtschaftliche Tragfähigkeit der privaten Radiobranche dies zulasse, heißt es in dem Papier demnach.
Das hatte auch die Mehrzahl der rund 80 bayerischen Privatsender in einem Brandbrief an die Koalitionäre gefordert. Die künftige Regierung stellt sich damit gegen Pläne der für Privatradios zuständigen Aufsicht, der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM).
Grundsätzlich soll das analoge klassische UKW irgendwann bundesweit komplett durch modernes digitales Radio wie DAB+ abgelöst werden - wann und wie, ist ziemlich offen und je Bundesland anders. DAB+ gewinnt stetig an Hörern, alle neuen Autos haben es an Bord.
Die Sender haben aber Angst, bei einem zu frühen Zeitpunkt viel Publikum zu verlieren. Der UKW-Empfang sinkt zwar stetig. Aber noch hören gut 40 Prozent der Menschen in Bayern ab 14 Jahre Radio nur via UKW.
Digitales Radio DAB+ soll UKW in Zukunft ablösen
Die Sender waren darum gegen die Pläne der BLM Sturm gelaufen. BLM-Präsident Thorsten Schmiege will einen früheren Umstieg und hatte ein Stufenmodell vorgeschlagen: ein Aus für UKW ab 2030 oder 2032.
Bayern gehört zu den Vorreitern bei DAB+, das auch der Staat stets förderte. So entstanden auch Radiosender nur mit DAB-Übertragung, weil es auf UKW viel weniger Frequenzen und keinen Platz für neue Sender gibt. Sie sehen eine weitere Verlängerung von UKW wegen des Wettbewerbs kritisch. Die Koalition will ihrem Vertrag zufolge zum Ausgleich der UKW-Verlängerung digitale Anbieter besonders fördern.
Eine Entscheidung der BLM zu UKW sollte nach bisherigen Plänen in einer Sitzung am 7. Dezember fallen. Die Zeit drängt, denn die bestehenden Zuweisungen von UKW-Frequenzen laufen 2025 aus und die Sender brauchen rechtzeitig Planungssicherheit.
Der öffentlich-rechtliche Bayerische Rundfunk (BR) hat ebenfalls noch viele Hörer via UKW. Seine genehmigten Finanzmittel für diese Technik laufen aber in den nächsten Jahren aus - wie für alle ARD-Sender.
----------------------------------------------------
UKW in Bayern vor dem Aus? Streit ums Ende des klassischen Radio-Empfangs ‒ Sender schlagen Alarm
Erstmeldung: 17. Oktober
München ‒ In Bayern ist ein heftiger Streit um die Zukunft des UKW-Radios entbrannt. Laut Deutscher Presseagentur (dpa) will der Chefaufseher für die Privatsender im Freistaat ein Ende der UKW-Verbreitung in ein paar Jahren und setzt besonders auf das digitale DAB+. Das moderne Digitalradio bietet vor allem Platz für viel mehr Sender als die Ultrakurzwelle.
Größter Gegner eines fixen UKW-Abschaltdatums ist der einzige landesweite Privatsender Antenne Bayern ‒ aber bei weitem nicht allein. Die Sendergruppe hat mit rund 50 der etwa 80 regionalen und lokalen Radios einen Brandbrief an die Politik geschrieben. Sie fürchten, ohne UKW viele Hörer und hohe Einnahmen zu verlieren.
DAB+ bietet Platz für mehr Sender, aber gut 40% der Bayern hören Radio via Ultrakurzwelle
Der Trend ist klar: DAB+ (Digital Audio Broadcasting) legt in Bayern seit Jahren stetig zu. Ein Grund ist, dass Radio viel im Auto läuft, neue Modelle haben DAB+ an Bord. Auch Web-Radio nimmt zu, bringt den Sendern aber bisher viel weniger Werbeeinahmen. Der UKW-Empfang sinkt zwar stetig, doch noch hören gut 40 Prozent der Menschen in Bayern ab 14 Jahren Radio nur via UKW.
Beim Fernsehen gab es vor ein paar Jahren den Umstieg auf digital mit einem damals harten Abschied vom analogen Antennenempfang. Auch das UKW-Aus ist für den Chefaufseher der Privatradios, Thorsten Schmiege, klar: „Mittlerweile ist nicht mehr die Frage, ob DAB+ künftig UKW ersetzt, sondern nur wann“, sagt der Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) gegenüber der dpa. Im BLM-Aufsichtsgremium, dem Medienrat, steht das heikle Thema am Donnerstag auf der Tagesordnung.
BLM-Chef Schmiege setzt auf ein Stufenmodell: Bis 2030 soll demnach UKW verlängert werden. Je nach Nutzung wäre dann noch einmal ein Nachschlag bis maximal 2032 möglich, dann aber soll Schluss ein.
Lokalradios durch geplantes UKW-Aus in Bayern vor dem Ende?
Viele Sender laufen laut dpa dagegen Sturm: „Die Radiovielfalt steht auf dem Spiel!“. So lautet der Titel ihres Protestbriefs an die noch amtierende Staatsregierung und die Fraktionen im neuen Landtag. Das geplante UKW-Aus hätte „die Insolvenz einer größeren Zahl von Lokalradios“ zur Folge, hieße es demnach in dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Brief.
Ihre Rechnung: Ohne UKW drohten Hörerverluste bei der Reichweite von 20 bis 30 Prozent und ein Umsatzminus für Bayerns Privatradios von 20 bis 35 Millionen Euro jährlich. Die Kosten für UKW lägen dagegen klar niedriger bei bis zu sieben Millionen Euro.
Sie fordern, die UKW-Dauer per Gesetz in ihrem Sinne zu regeln ‒ ohne Enddatum oder mit Option bis 2045. Einen Gesetzentwurf haben sie auch mitgeschickt. Sie hätten das gern im Koalitionsvertrag, den CSU und Freie Wähler gerade aushandeln, schrieben sie den Parteichefs Markus Söder und Hubert Aiwanger. Offizielle Reaktion bisher Fehlanzeige.
Streit um Zukunft des UKW-Radios in Bayern spitzt sich zu
Was den Technikstreit noch brisanter macht: Die UKW-Zuweisungen für Bayerns Privatradios laufen 2025 aus, ohne die kann ein Sender kein UKW nutzen. Gehandelt werden muss also ‒ aber wie? Experten streiten sich, ob eine Verlängerung wie bisher erneut möglich ist. BLM und Antenne Bayern haben jeweils hochrangige Rechtsgutachten aufgefahren.
Antenne-Bayern-Geschäftsführer Felix Kovac sieht unter Verweis auf Ex-Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio die BLM gar nicht zuständig: „Eine so grundlegende Entscheidung darf ausschließlich der Gesetzgeber treffen“, sagt Kovac, auch Vorsitzender der Vereinigung bayerischer Rundfunkanbieter (VBRA). Schmiege kontert, Entscheidungen wie zu UKW seien „staatsfern zu treffen“, also von BLM und Medienrat.
Der Verband Bayerischer Lokalrundfunk (VBL) ist ebenfalls gegen ein fixes Aus für UKW. Eine Verlängerung über 2025 hinaus sei „dringend erforderlich“. Wer das aber wo und wie im Detail regeln soll, da legt sich der recht heterogene Verband nicht fest.
Die Kosten für mehrere Sendewege machen allerdings besonders kleinen Sendern in ländlichen Gegenden zu schaffen. Daher können sie sich mit dem BLM-Auslaufplan eher anfreunden. So warnt der Geschäftsführer von Radio 8 und Radio Galaxy in Ansbach, Torsten Mieke, eine fast unbegrenzte UKW-Nutzung könne finanziell „existenzgefährdend“ werden.
BR-Sprecher „Umstieg kann nur gemeinsam mit allen Marktbeteiligten im Dualen System gelingen“
Die BLM sieht das ebenso. Sie betreibt für alle Privaten über eine Tochter die Infrastruktur und warnt vor weiter steigenden UKW-Kosten. Von womöglich weniger lokalen Radios würden große Sender profitieren. Bayerns Medienpolitik setzt aber traditionell auf regionale Vielfalt.
Wichtig für die Privatradios: Der öffentlich-rechtliche Wettbewerber Bayrischer Rundfunk (BR) soll mit klarem Abstand vor den Privaten aus UKW aussteigen. Der BR strebt zwar wie die gesamte ARD den Wechsel auf DAB+ an. Die für die Finanzen der Öffentlich-Rechtlichen wichtige Kommission (KEF) gesteht ihnen nur noch befristet UKW-Mittel zu. Ein BR-Sprecher sagt aber mit Blick auf die Privaten: „Der Umstieg kann nur gemeinsam mit allen Marktbeteiligten im Dualen System gelingen.“
Deutschlandweit gleicht die UKW-Frage einem Flickenteppich. Rundfunk ist Ländersache. So mancher bayerische Sender blickt etwa zum Nachbarn im Südwesten: „Der Gesetzgeber in Baden-Württemberg hat für alle bestehenden DAB- und UKW-Frequenzzuweisungen eine Verlängerungsmöglichkeit bis Ende 2032 geregelt“, erklärt der dortige Chefaufseher Wolfgang Kreißig von der Landesanstalt für Kommunikation (LfK). „Ein Abschaltdatum für UKW gibt es nicht.“
Mit dem Hallo München-Newsletter täglich zum Feierabend über die wichtigsten Geschichten aus der Isar-Metropole informiert.