Auch auf Festivals seien weniger Frauen vertreten. „Es gibt zwar kleine, die sich um eine ungefähr gleich große Anzahl an Frauen und Männern bemühen“, sagt die 21-Jährige. „Aber auf den großen Festivals, wo fast nur Männer sind, fühlt man sich oft alleine und fragt sich, ob man eher nur die Quotenband ist.“
Zusätzlich machen es manche Männer den Künstlerinnen nicht einfacher, etwa Tontechniker. „Es wird oft davon ausgegangen, dass man etwas nicht weiß, nur weil man eine Frau ist.“ Im Publikum werde die 2021 gegründete Band außerdem häufig auf ihren Körper reduziert. „Es geht hier nicht um krassen Sexismus. Es ist eher ein leichter, den man dafür überall spürt.“ Wie sie damit umgehen soll, weiß Lipp selbst manchmal nicht. „Für sich selbst einzustehen, kann ganz schön schwer sein.“ Trotzdem wünscht sich die Sängerin mehr Frauen in der Branche. „Vielleicht muss unsere Generation da durch, damit kommende mehr Musikerinnen haben, die für sie Vorbilder sein können.“
Die Managerin, Promoterin und Veranstalterin Nicola Schwartze aus Feldmoching hat in ihrer beruflichen Laufbahn schon einige Zweifel aus dem Weg geräumt. Mittlerweile fördert die 27-Jährige mit ihrem erfolgreichen Musiklabel „Nika Music“ vermehrt Frauen. „Ich habe bessere Erfahrungen mit Musikerinnen machen können und möchte ein Zeichen setzen“, erklärt die 27-Jährige. Nach wie vor gebe es Sexismus in der Branche und männliche Veranstalter stünden Frauen in der Musikszene kritisch gegenüber. Sie versuche, gegen Sexismus konstruktiv vor- und nicht auf Diskussionen einzugehen. „Ich habe das Gefühl, dass sich die Frauen im Business mobilisiert und zusammengeschlossen haben“, sagt Schwartze. Aufstrebenden Musikerinnen rate sie, sich zu vernetzen und nichts gefallen zu lassen.
„Es tut sich definitiv was“, findet DJ Katharina Ahrendt aus Neuhausen. Die Sichtbarkeit von Frauen, nonbinären und queeren Menschen in der Szene habe sich verbessert. Ein Problem seien aber die Netzwerke, über die im Musikbusiness so gut wie alles laufe. „Es müssen mehr Frauen in die Schlüsselpositionen dieser Netzwerke finden“, fordert die 29-Jährige. Denn: „Männer buchen Männer.“ Auch sie habe sich ihren Platz an den Turntables erkämpfen müssen. Aus diesem Grund ist Ahrendt Teil des „Wut“-Kollektivs.
Drummerin Veronika Hauger aus Karlsfeld hat mit ihren beiden Rockbands „Aerochicks“ und „The Kikis“ schon zahlreiche Erfahrungen sammeln können. „Wir haben am Anfang mal auf einem Motorradfest gespielt. Da ich die einzige Frau war, dachten alle, ich sei eine Stripperin“, erzählt die 42-Jährige. Mittlerweile werde die Musikerin eher bewundert, „wenn man sich als Künstlerin etwas traut“. Alles andere nehme sie mit Humor. „Man hört manchmal noch Sachen wie: ,Für eine Frau bist du wirklich gut.‘ Aber da habe ich eigentlich immer einen Konter auf den Lippen.“ Manchmal seien sogar eher ihre männlichen Bandmitglieder benachteiligt. „Es kam schon vor, dass sie bei Konzerten auf die Seite geschickt wurden, weil das Publikum Bilder von mir – einer Frau am Schlagzeug – machen wollte“, sagt Hauger mit einem Lachen.
Wer außergewöhnliche Musik mit Bratschenklängen sucht, ist bei der 42-jährigen Evi Keglmaier aus Laim richtig. In ihrer Band „Hochzeitskapelle“, die schon auf Japan-Tournee war und den deutschen Filmpreis für einen Soundtrack gewonnen hat, ist sie die einzige Frau. Im Elektro-Bratsche-Duo „Keglmaier“ musiziert sie ebenfalls mit einem Mann – dem Schlagzeuger Greulix Schrank. Ihre Erfahrung in der Szene: Frauen sind ab einem bestimmten Alter weg und tauchen oft erst nach der Elternzeit wieder auf. Kein Wunder, dass Keglmaier auch einen männlichen Überhang in der Musikszene feststellt. „Die Elternschaft ändert alles und nimmt leider viele begabte Frauen aus dem Freiberuflergeschäft“, erzählt sie. Trotzdem bewundere sie Frauen mit Familie und möchte keinesfalls das eine Lebensmodell gegen das andere aufwiegen.
In ihrer Jugend besuchte Keglmaier eine Mädchenschule. Mit geschlechtstypischen Klischees sei sie erst spät in Berührung gekommen. „Das finde ich rückblickend gut, weil man sich dadurch etwas freier entwickelt. Ich habe aber zum Glück auch viele Kollegen, bei denen ich nicht auf diese Klischees stoße“, meint die Instrumentalistin. Jungen Musikerinnen rät sie, die Mann-Frau-Klischees nicht selbst schon vorwegzunehmen: „Macht einfach und sucht euch Leute, die euch pushen und bei denen ihr anknüpfen könnt“, sagt die Musikerin. Trotzdem findet sie, dass an der Selbstverständlichkeit von Frauen in der Musikbranche durchaus noch gearbeitet werden könne.
Auf sie selbst sei mittlerweile ein größeres Publikum aufmerksam geworden. Doch findet Keglmaier, dass ihre Musik nichts für den Mainstream oder die Charts sei. „Ich habe mich nie besonders in eine Ecke drängen lassen und schon immer das gemacht, was ich für richtig halte.“
Celina Nietzel/Nilofar Ahmadi
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