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Update: 08. Oktober
Noch steht nicht fest, wie das Oktoberfest 2022 in München überhaupt stattfindet. Doch die begehrten Tische auf dem Oktoberfest werden im Internet für Hunderte oder Tausende Euro gehandelt. Aber ist der Zweitverkauf von Plätzen rechtens?
Im Prozess gegen einen Online-Händler will das Landgericht München I am Freitag (11.00 Uhr) eine Entscheidung verkünden. Wirtin Antje Schneider von der Ochsenbraterei hat gegen ein Portal geklagt, das jetzt schon Plätze für 2022 anbietet. Wiesn-Wirte kämpfen seit Jahren gegen den Zweitverkauf von Platzreservierungen über das Internet.
Derartige Plattformen hätten niemals Reservierungen von ihr bekommen, erklärte Schneider, die als Chefin der Haberl Gastronomie in München mehrere Gaststätten betreibt. Sie gebe bewusst keinem Zwischenhändler Reservierungen, da es bei diesen nicht um einen Mehrwert für die Kunden gehe. Die Weitergabe mit Gewinnerzielungsabsicht sei in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen. Zudem gebe es offizielle Regeln zur Tischreservierung für die Zeltbetreiber, „damit das Oktoberfest ein Volksfest bleibt“.
Der Online-Händler hingegen verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes von 2008 zu Bundesligakarten. Danach sei grundsätzlich der Erwerb von Dritten erlaubt. Er könne nur in Ausnahmefällen untersagt werden, wenn ein sogenannter Schleichbezug vorliege, nämlich wenn Personen zum Kartenkauf vorgeschickt würden mit dem Ziel, sie an den Händler weiterzuverkaufen, heißt es in einer Stellungnahme. Das sei aber hier nicht der Fall.
Bei den Wirten müssen Gäste nur Verzehrgutscheine kaufen. Die Reservierung bleibt im Kern kostenfrei. Auf Plattformen kostet ein Platz dann aber ein Vielfaches der Gutscheine. Zudem ist angesichts der Corona-Pandemie noch gar nicht entschieden, ob es 2022 eine Wiesn gibt.
Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner betont: „Seriös kann man jetzt keine Tisch-Reservierungen für das nächste Jahr erwarten.“
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Erstmeldung: 03. Oktober
Vierstellige Summen für einen Tisch im Bierzelt auf dem Münchner Oktoberfest: Wiesn-Wirte kämpfen seit Jahren gegen den Zweitverkauf von Platzreservierungen über Online-Händler. Erstmals wehrt sich eine Wirtin vor Gericht.
Antje Schneider von der Ochsenbraterei klagt gegen ein Portal, das schon jetzt Plätze für 2022 anbietet. Am nächsten Freitag will das Landgericht München I eine Entscheidung verkünden.
„Diese Plattformen haben niemals Reservierungen von uns bekommen. Wir geben ganz bewusst keinem Zwischenhändler Reservierungen, da es bei diesen nicht um einen Mehrwert für die Kunden geht“, sagt die Wirtin und Chefin der Haberl Gastronomie, die mehrere Gaststätten betreibt, darunter den Biergarten am Chinesischen Turm im Englischen Garten.
Zudem sei die Weitergabe von Reservierungen mit Gewinnerzielungsabsicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgeschlossen. „Damit das Oktoberfest ein Volksfest bleibt, gibt es für Zeltbetreiber für die Tischreservierungen offizielle Regeln.“
Der Online-Anbieter verweist auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes von 2008 zu Bundesligakarten. Demnach sei grundsätzlich der Erwerb von Dritten erlaubt. Er könne nur in Ausnahmefällen untersagt werden, wenn ein sogenannter Schleichbezug vorliege, „also wir Personen „vorschicken“ würden, die Karten kaufen mit dem Ziel, sie an uns weiterzuverkaufen“, heißt es in einer Stellungnahme. Das sei aber hier nicht der Fall.
Zweitverkäufe der begehrten Wiesn-Plätze auf verschiedenen Portalen sind Wirten und Stadt seit Jahren ein Dorn im Auge. Die Klage sei der richtige Schritt, sagt der Münchner Wirtschaftsreferent und Wiesn-Chef Clemens Baumgärtner (CSU). „Die Wiesn ist für alle da - unabhängig davon, wie groß der Geldbeutel ist.“
Wiesn-Wirte-Sprecher Peter Inselkammer spricht von „Wucherpreisen“. „Moralisch finde ich es nicht gut, dass mit etwas gehandelt wird, das bei uns nichts kostet.“ Zur Klage von Wirtin Schneider sagt Inselkammer: „Es ist richtig, dass die Kollegin da durchgreift.“
Bei den Wirten müssen Gäste nur Verzehrgutscheine kaufen. Die Reservierung ist im Kern kostenfrei. Auf den Plattformen kostet ein Platz meist ein Vielfaches der Gutscheine. Bei manchen Portalen - nicht so beim Beklagten - bekommt der Kunde diese nicht einmal.
Inselkammer warnt Käufer: Die Wirte stornierten gemäß den AGBs bei Kenntnis jeden Tisch, der weiterverkauft wurde. Immer wieder einmal stünden Kunden dann im Zelt - und hätten bezahlt, aber keinen Tisch. „Wir können nur dazu aufrufen, nicht zu kaufen.“
Für 2022 haben die Wirte noch keine Bewerbungen abgegeben, die Stadt hat nicht über Zulassungen entschieden. Bestätigte Reservierungen für Plätze gibt es folglich bisher nicht. Baumgärtner: „Seriös kann man jetzt keine Tisch-Reservierungen für das nächste Jahr erwarten.“
Ob es eine Wiesn 2022 gibt, ist nicht sicher. Zum zweiten Mal fiel in diesem Jahr das Volksfest wegen der Pandemie aus. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) möchte nächstes Jahr eine Wiesn haben. Man arbeite an Konzepten, „wie die Wiesn 2022 stattfinden kann und die Besucherinnen und Besucher so sicher wie irgend möglich Spaß haben können“. Doch noch ist das nicht entschieden.
Immer wieder haben sich Gerichte bundesweit mit Ticket-Zweitverkäufen auseinandergesetzt. Mal ging es um Karten für Fußballspiele, mal für die Passionsspiele in Oberammergau, mal für Konzerte, etwa mit Sopran-Star Anna Netrebko in der Hamburger Elbphilharmonie.
So unterschiedlich wie die Anlässe waren die Entscheidungen. In einem Fall sah ein Gericht als Grenze einen 25-prozentigen Aufschlag auf den Ursprungspreis als legitim an, ein andermal durfte nur nicht damit geworben werden, dass die Veranstaltung fast ausverkauft sei.
Vergebens wehrte sich Oberammergau gegen den Verkauf von begehrten Premieren-Karten, die Ehrengästen vorbehalten und im freien Handel gar nicht zu haben sind. Dennoch dürften Premierengäste, die nicht kommen wollen, ihre Plätze über eine Plattform anbieten, entschied das Oberlandesgericht München 2019. Wenige Monate später obsiegte vor diesem Gericht der FC Bayern im Streit mit einem Tickethändler.
Im Streit mit der Ochsenbraterei sieht der Anbieter der Wiesn-Plätze 2022 Klärungsbedarf in Karlsruhe und erinnert an das Urteil von 2008: „Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit vom Bundesgerichtshof entschieden werden muss, und zwar mit der Frage, ob eine Abkehr von der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung erfolgt.“
dpa/lby/jh