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„Überfall der Moderne“ ‒ Polizei verhaftet Mitglieder der Automatensprenger-Bande

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Von: Kristina Beck

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Mitarbeiter der Kriminaltechnik untersuchen eine schwer beschädigte Volksbank-Filiale.
Nach mehreren Attacken in Bayern und Baden-Württemberg führten Polizisten am Montag in den Niederlanden eine Razzia durch und durchsuchten mehrere Objekte in den Provinzen Limburg und Utrecht. © Markus Klümper/dpa

50 Geldautomaten und fünf Millionen Euro Beute gehen auf ihr Konto. Polizei-Ermittler verhaften bei Razzia in den Niederlanden neun Männer der Automatensprenger-Bande.

München ‒ Sie kommen meist in der Nacht, schlagen blitzschnell zu und sind Minuten später mit hoher Beute wieder verschwunden: Banden, die Geldautomaten sprengen. Zurück bleiben verwüstete Gebäude und oft genug auch traumatisierte Anwohner.

Süddeutschen Ermittlern ist nun ein Schlag gegen eine niederländische Bande gelungen, die hierzulande mehr als 50 Geldautomaten gesprengt und dabei 5,2 Millionen Euro erbeutet haben soll, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa) am Donnerstag.

Schlag gegen die Automatensprenger: Polizei aus Bayern, Baden-Württemberg und den Niederlanden fasst neun Männer

Die seit November 2021 aktiven Täter hatten sich nach aktuellen Erkenntnissen immer Geldautomaten in Bayern und Baden-Württemberg ausgesucht ‒ mit Ausnahme einer Attacke in Thüringen. Das teilten die Landeskriminalämter der beiden süddeutschen Bundesländer sowie die Staatsanwaltschaft Bamberg am Donnerstag in München mit.

Drei Tage zuvor hatten die Beamten bei einer Razzia in den niederländischen Provinzen Utrecht und Limburg sowie in Belgien in Zusammenarbeit mit der dortigen Polizei 16 Gebäude durchsucht.

Dabei wurden neun per Haftbefehl gesuchte Männer im Alter von 25 bis 41 Jahren festgenommen, die nun nach Deutschland ausgeliefert werden sollen. Nach drei weiteren wird noch gefahndet.

„Es handelt sich hierbei um eine der größten Aktionen gegen Geldautomaten-Sprenger in den Niederlanden“, teilten die deutschen Ermittler mit.

Bankautomaten-Sprengung als „Überfall der Moderne“

„Die Geldautomatensprengung gilt als Banküberfall der Moderne“, bilanzierte Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU). Für die Täter sei die Methode wegen der hohen Beutesummen attraktiv, obwohl darauf bis zu 15 Jahre Haft stünden. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) berichtete unter Berufung auf das Bundeskriminalamt (BKA), bundesweit habe es im Vorjahr 493 solcher Taten gegeben ‒ ein Rekord.

Ein gesprengter Geldautomat ist während einer Pressekonferenz beim Landeskriminalamt (LKA) zu sehen.
Die Staatsanwaltschaft Bamberg, das Bayerische Landeskriminalamt und das Landeskriminalamt Baden-Württemberg ermitteln seit mehreren Monaten zusammen mit den niederländischen Behörden gegen eine Gruppierung, der vorgeworfen wird, seit 2021 von den Niederlanden aus kommend in Bayern und Baden-Württemberg zahlreiche Geldautomaten gesprengt zu haben. © Sven Hoppe/dpa

Das BKA hatte zuvor auf Anfrage erläutert: „Teilweise haben sich bis zu fünf Geldautomatensprengungen in einer Nacht im gesamten Bundesgebiet ereignet.“ Dabei verwendeten die Täter zuletzt oft feste Explosivstoffe, wodurch die Explosionen ein deutlich höheres Gefahrenpotenzial bekommen als bei der zuvor üblichen Methode der Sprengung durch eingeleitetes Gas.

Anschließend rasen sie meist mit hoch motorisierten Autos davon. Im Fall der nun aufgeflogenen Bande hatte der mit gestohlenen Kennzeichen versehene und mit Reservekanistern beladene Fluchtwagen 600 PS.

Welche Gefahr geht von Automatensprengungen aus?

Durch die Sprengung selbst ist in Deutschland noch kein Todesopfer zu beklagen gewesen. Allerdings gibt es mittelbare Konsequenzen: Laut BKA gab es danach bereits mehrfach tödliche Verkehrsunfälle. „Die Todesopfer waren bislang ausschließlich Täter.“ Manche ihrer Komplizen erlitten zudem schwerste Verletzungen.

Unbeteiligte Dritte mussten den Angaben zufolge wegen Rauchvergiftungen, Schockzuständen oder Knalltraumata behandelt werden.

„Die Täterinnen und Täter sprengen sich völlig rücksichtslos den Weg zum Geld frei, riskieren das Leben unbeteiligter Menschen und zerstören Gebäude“, betonte deshalb auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) per Mitteilung.

Der Sachschaden sei dabei regelmäßig höher als die Beute. Bei der aktuellen Serie beläuft er sich den Angaben zufolge auf 6,5 Millionen Euro.

Gefährlichkeit von Sprengungen: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Tötungsdelikten

Aufgrund „der Skrupellosigkeit und außerordentlichen Gefährlichkeit bei der Ausführung“ ermittelt die Staatsanwaltschaft nicht nur wegen schweren Bandendiebstahls, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Zerstörung von Bauwerken, sondern in elf Fällen auch wegen versuchter Tötungsdelikte. Oft genug lagen über den Automaten Wohnungen, einmal musste ein Altenheim evakuiert werden.

Nach Verhaftung von Automatensprengern: Polizei und Banken ziehen Konsequenzen

Um den Tätern das Handwerk zu legen, setzen Polizei und Politik auch auf die Banken und Automatenhersteller. In gemeinsamen Gesprächen wurde Ende vergangenen Jahres festgelegt, dass nicht nur an Automaten in besonders gefährdeter Lage Maßnahmen ergriffen werden sollen.

Dazu können eine nächtliche Sperrung der Selbstbedienungs-Foyers, eine Reduktion der Geldbestände, Vernebelung oder Verfärbe- und Verklebungsmechanismen gehören, die das Geld bei einer Attacke unbrauchbar machen.

Der baden-württembergische Sparkassenpräsident Peter Schneider beklagte jedoch just am Donnerstag, dass die Banken den Tätern oft „hinterherinvestierten“. So mehrten sich im Südwesten die Attacken, bei denen die Täter mechanisches Spreizwerkzeug benutzten, das sonst die Feuerwehr bei Verkehrsunfällen im Einsatz hat.

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